Dass auf den ersten Blick so nebensächliche Aspekte wie die Farbgestaltung der Praxis, der Geruch, der dort herrscht, und die Meldung am Telefon enorme Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg und auf die Compliance der Patienten haben können, ist vielen Ärzten gar nicht bewusst. Mit einer gezielt erarbeiteten Praxisidentität und einem stimmigen Design kann die Basis für den Praxiserfolg meist ohne nennenswerten Aufwand gestärkt werden.

Das Unternehmen Arztpraxis hat ein ganz spezielles Marketing-Problem: Die meisten Patienten können die originäre, die medizinische Leistung nicht beurteilen. Ob ein Arzt richtig diagnostiziert und therapiert hat, kann kaum ein Patient wirklich bewerten. Eher unbewusst werden daher Ersatzkriterien für das Urteil herangezogen. Wie fühle ich mich in der Praxis? Werde ich am Telefon nett begrüßt oder bekomme ich das Gefühl zu stören? Lächeln die MFA mich an, wenn ich die Praxis betrete? Wirken die Infomaterialien professionell? Wie riecht es in den Räumen? Typische Fragen, die Patienten sich problemlos beantworten können und die für die Entscheidung – guter Arzt/schlechter Arzt – leider viel ausschlaggebender sind als die medizinischen Leistungen.

Mit einer möglichst einheitlichen Gestaltung, farblich abgestimmten Räumen und Praxismaterialien, also einem bewussten Corporate Design, kann nach außen bereits ein einheitliches, positives Bild vermittelt werden. Kommen dann noch klare Regeln und sensible Kontrollen bezüglich der patientenorientierten Kommunikation dazu, wird eine rundherum stimmige Praxisidentität geschaffen. So kann sich die Praxis positiv von anderen abheben und den unbewussten Erwartungen der Patienten automatisch entsprechen.

Wichtiger Faktor: der Geruch!

Heutzutage wird es in keinem Kaufhaus dem Zufall überlassen, wie es dort riecht. Da werden mit gezielt ausgewählten Gerüchen positive, die Kauflust fördernde Emotionen geweckt. Den meisten Ärzten dagegen reicht es, wenn es in ihrer Praxis nicht stinkt. Dabei kann auch dort mit einer aktiven Beduftung der Praxis die Stimmung der Patienten und damit der Behandlungsverlauf enorm beeinflusst werden.

Optimierungen in diesen Bereichen haben letztendlich auch einen medizinischen Nutzen. Wer sich wohlfühlt und gut behandelt wird, der ist weniger skeptisch, vertraut den Vorschlägen der Praxis viel eher als derjenige, der bereits im Vorfeld keinen besonders guten Eindruck bekommt. Richtig gestaltet beruhigt das Praxisambiente die Patienten, nimmt ihnen Angst und Hemmungen und dient damit dem Wohlbefinden. Die Gestaltung des Umfeldes vor der eigentlichen Behandlung hat somit nicht nur einen Image-Effekt, sondern zusätzlich einen positiven therapeutischen. Der Patient baut Barrieren ab, ist offen für die Therapie und nimmt die Behandlung stressfreier an. Der Vertrauensvorschuss und die Compliance sind somit direkt durch eine gelungene Corporate Identity vorteilhaft beeinflusst.

Was genau bedeutet eigentlich Corporate Identity?

Doch wo fängt Corporate Identity eigentlich an? Natürlich nicht erst beim Design der Praxis-Flyer oder dem Praxislogo auf den Visitenkarten. Schon die Ausrichtung und das Selbstverständnis der Praxis prägen die Praxis-Identität. Ein schriftlich fixiertes Leitbild sollte Ausdruck des Ganzen sein. So sieht es ja auch das Qualitätsmanagement vor. Legen Sie Ihre Praxisziele darin fest und verfolgen Sie diese in allen Bereichen der internen und externen Zusammenarbeit und mit allen sinnvollen Maßnahmen des Marketings.

Legen Sie möglichst viele Abläufe und Verhaltensweisen konkret fest und halten Sie sich strikt an die Umsetzung. Auch vermeintlich selbstverständliche Dinge wie die Meldung am Telefon sollten vereinheitlicht und professionalisiert werden. Es der Stimmung und Tagesform der jeweiligen MFA an der Anmeldung zu überlassen ist riskant. Denn hier wird im besten Fall bereits ein wichtiger Wiedererkennungswert für bestehende Patienten und für potenzielle Neupatienten geschaffen. Abgesehen davon stärkt es die Identifikation der Mitarbeiter mit der Praxis.

Wenn sich die Praxisidentität im Tragen einer Uniform manifestiert, wird das Teamgefüge weiter gestärkt. Dabei muss es sich nicht um den typischen Kittel handeln. Auch die Einigung darauf, dass alle eine weiße Hose und ein Shirt in einer bestimmten Farbe tragen, ist bereits "uniform".

Bitte lächeln!

Die Identität der Praxis spiegelt sich vor allem aber im Verhalten der Mitarbeiter und Ärzte wider. Hier einen optimalen und praxiseigenen Stil zu finden, ist die große Herausforderung. Freundlichkeit auf höchstem Niveau, selbst in allerstressigsten Zeiten, ist eine Grundvoraussetzung, einerseits für den Praxiserfolg und andererseits für mehr Arbeitsqualität. Niemals das Lächeln verlieren, mag auch noch so viel los sein, das ist manchmal schwierig, aber nicht unmöglich. Mit einfachen Hilfsmitteln kann man sich das erleichtern. Ein kleiner hinter der Anmeldetheke aufgestellter Spiegel und weitere in der Praxis verteilte sorgen für eine stete Selbstkontrolle, die für die Umsetzung obligatorisch ist. Keiner muss mehr daran denken zu lächeln – jeder sieht es und macht es fast automatisch.

Vergessen Sie aber bei all der Beschäftigung mit der Praxiskultur nicht, sich auch mit den klassischen Marketing-Elementen zu befassen. Auch hier werden oft noch viele Fehler gemacht. Da werden zwar mancherorts teure zwölfseitige Praxis-Flyer erstellt, aber letztendlich wird vergessen, die Informationen so aufzubereiten, dass es die Patienten auch leicht lesen und vor allem verstehen können. Es werden aufwendige Visitenkarten gestaltet, aber Terminzettelchen mit Krankenkassen- oder Pharmawerbung ausgegeben. Da wird für viel Geld eine optisch ansprechende Homepage erstellt und der letzte Eintrag unter "Aktuelles" ist bereits drei Jahre alt.

Keine Google-Leichen verstecken!

Bei der Homepage kommt es vor allem darauf an, dass diese überhaupt zu finden ist. Ein kluger Kopf behauptete einmal: "Der beste Platz, eine Leiche zu verstecken, ist auf Seite 2 bei Google." Eigentlich nur als Scherz gemeint, zeigt es doch, wie wichtig es ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Denn was nützt die tollste Website, wenn sie von potenziellen Patienten nicht gefunden wird. Immer wieder ist dabei von Praxen zu hören: "Ja, aber wenn man den Domain-Namen eingibt, findet man die Seite doch." Darum geht es aber bei der Netz-Präsenz nicht in erster Linie. Hier sollte man im Optimalfall schnell über Suchmaschinen zu finden sein, und zwar auch mit typischen Suchbegriffen, die Patienten dort eingeben. Also nicht nur mit dem Namen des Praxisinhabers, der potenziellen Neupatienten noch gar nicht bekannt ist, sondern mit den Diagnose- und Therapiemöglichkeiten der Praxis. Suchbegriffe mit typischen Problemstellungen der Patienten, wie "Knieschmerz", "Schwangerschaftsbetreuung", "Blutdruck" etc., müssen als Keywords auf der Homepage hinterlegt sein.

Viele Praxen vergessen auch die "einfachen" Dinge des Corporate Designs. Dort findet man dann Briefbögen mit mindestens fünf verschiedenen Schriftarten. Teilweise werden Infoblätter zu verschiedenen Krankheitsbildern an Patienten herausgegeben, bei denen auf dem einen die Adresse oben links steht, auf dem anderen ist sie unten zentriert und mal mit Logo, mal ohne. Dabei sind das die Grundlagen eines Corporate Designs, die zunächst einmal erfüllt sein müssen. Alle schriftlichen Materialien, die von der Praxis herausgegeben werden, sollten einen einheitlichen Stil bekommen, damit sie jederzeit schon rein optisch der Praxis zuzuordnen sind.

Auch eventuell ausliegende oder mitgegebene Fremdmaterialien von Selbsthilfegruppen oder Pharmafirmen sollten hier nicht ausgenommen werden. Es sollte allerdings auf die üblichen, in der Regel verschmierten oder nur teilweise leserlichen Stempelaufdrucke verzichtet werden. Zu empfehlen sind für diesen Zweck im Design der Praxis gestaltete Aufkleber, die dann auf die fremden Flyer geklebt werden.

Quintessenz

Corporate Identity bedeutet zwar alle Bereiche des Unternehmens Arztpraxis möglichst zu vereinheitlichen, aber immer unter Berücksichtigung des Informationsgehaltes und Nutzens für die Patienten. Erfolgreiche Praxen arbeiten stets an einer weiteren Optimierung des Angebotes und des Eindrucks. Sie haben es dadurch leichter mit den Patienten und schaffen mehr Lebensqualität für alle Beteiligten.



Autor:

Werner M. Lamers

seit 1984 Unternehmensberater im Gesundheitswesen
Lamers Praxisberatung
48727 Billerbeck



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (9) Seite 64-66