Frage: Ich sehe im Rahmen der Vertretung öfter Patienten, die bei eitriger, fieberhafter Bronchitis oder beginnender Pneumonie mit Cotrim forte behandelt sind. Ich kenne Cotrimoxazol als Antibiotika für Harnwegsinfekte. Welchen Stellenwert hat es in der Therapie der Atemwegsinfektionen?

Antwort:

Cotrimoxazol ist die Kombination von Trimethoprim und Sulfamethoxazol und gehört in die Gruppe der Sulfonamide. Durch die Kombination der beiden Wirkstoffe entsteht ein bakterizid wirksames Antibiotikum, welches seit Jahrzehnten zugelassen ist und auch in der WHO-Liste der essenziellen Medikamente gelistet ist. Es hat ein niedriges resistogenes Potenzial und ist billig. Die Verträglichkeit ist gut und unerwünschte Wirkungen sind nicht häufiger als bei anderen Präparaten. Allerdings gibt es seltene schwer verlaufende dermatologische Komplikationen wie das Erythema exsudativum multiforme.

Cotrimoxazol greift in den Folsäurestoffwechsel der Bakterien ein und wirkt sowohl im aeroben grampositiven als auch im aeroben gramnegativen Bereich (z. B. Staph. aureus, Klebsiella oxytoca, Moraxella catarrhalis). Therapeutisch kann es auch gegen andere Mikroorganismen wie Chlamydia trachomatis oder Pneumocystis jirovecii eingesetzt werden.

Gehäufte Resistenzen zeigen sich bei Streptococcus pneumoniae, Escherichia coli und Haemophilus influenzae. Gegen Mykoplasmen und gegen Pseudomonas aeruginosa besteht eine natürliche Resistenz. Am häufigsten wird Cotrim aktuell zur Bekämpfung von Harnwegsinfektionen eingesetzt, wobei lokal Resistenzen von mehr als 20 % gegenüber E. coli bestehen und dann von einem Einsatz abgesehen werden sollte. Zugelassen ist das Medikament auch zum Einsatz bei oberen und unteren Atemwegsinfektionen. In den aktuellen Leitlinien zur Behandlung der Bronchitis und der Pneumonie wird Cotrim nicht erwähnt. In der Pneumologie findet es aktuell Einsatz in der Prophylaxe und Therapie der opportunistischen Infektion mit Pneumocystis jirovecii und als Reservemedikament zur Behandlung des Keuchhustens. Selten wird auch eine antibiotische Prophylaxe bei Patienten mit schwerer COPD und häufigen Exazerbationen verabreicht.

Die anbehandelnden Kollegen handeln hier also nicht unbedingt falsch, aber auch nicht leitliniengerecht. Vielmehr zeigt sich in der beschriebenen Frage die tägliche Problematik der diagnostischen Unschärfe in der Allgemeinmedizin. Wir können bei Patienten mit Symptomen der unteren Atemwegsinfektion nicht sicher zwischen einer meist bakteriellen Pneumonie und einer meist viralen Bronchitis unterscheiden. Dies führt zum Übergebrauch von Antibiotika. Es empfiehlt sich die Nutzung einfacher klinischer Scores wie des CRB-65-Scores zusammen mit Point-of-Care-Tests wie dem CRP. Der CRB-65-Score zeigt das Letalitätsrisiko bei Patienten mit unteren Atemwegsinfektionen. Der CRP-Test darf beispielsweise in britischen Leitlinien als Marker für eine Antibiotikagabe bei unteren Atemwegsinfektionen herangezogen werden (Cut-off 100 mg/L für eine sofortige Gabe). Ich möchte zusätzlich auf eine alltagsrelevante Studie aus Großbritannien hinweisen. Hier wurden klinische Marker zur Detektion einer Pneumonie untersucht. Prädiktoren für eine Lungenentzündung waren eine erhöhte Temperatur (> 37,8°C), Knistern bei Auskultation (vor allem einseitig), eine Pulsfrequenz > 100/min und eine Sauerstoffsättigung unter 95 %. 86 % aller Patienten mit Pneumonie hatten mindestens einen dieser Faktoren. Fehlten alle vier klinischen Symptome, ist eine Pneumonie sehr unwahrscheinlich mit einem negativen prädiktiven Wert von 93,2 %.

Um zur Frage zurückzukehren: Im Jahr 2020 ist eine antibiotische Therapie mit Cotrimoxazol bei Patienten mit Symptomen einer unteren Atemwegsinfektion unüblich. Idealerweise wird die Medikation anhand klinischer Scores und CRP überprüft. Zeigen sich Zeichen einer Pneumonie, sollte die Medikation nach den aktuellen Leitlinien auf Amoxicillin oder Amoxicillin/Clavulansäure umgestellt werden (nach Risikofaktoren für ein erweitertes Erregerspektrum). Zeigen sich keine Zeichen einer Pneumonie, sollte das Antibiotikum abgesetzt werden. Idealerweise erfolgt eine Überprüfung der eingeschlagenen Therapie nach 48 Stunden.



Autor:



Dr. med. Raphael Weißgerber
Facharzt für Allgemeinmedizin
93152 Nittendorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (15) Seite 47