An dieser Stelle präsentieren wir Erfahrungsberichte, Interviews, Kommentare von und mit Alumni der Nachwuchsakademie der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM). Wir wollen wissen, warum sie den Weg in die Allgemeinmedizin eingeschlagen haben, was sie an diesem Fach fasziniert und wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Dieses Mal berichtet Carolin Patschkowski über ihren Werdegang.

Schon im Kindergarten stellte ich klar: "Ich werde später Hebamme!" Als mir jedoch bewusst wurde, dass sich dieses Berufsfeld eigentlich "nur" mit werdenden Müttern und Müttern beschäftigt, wurde aus dem Hebammen-Traum der Landärzt:innen-Traum: die eigene Praxis im Wohnhaus eines Hofes, idyllisches Landleben, 24 Stunden im Einsatz für die Kranken – vom Kleinkind über die Schwangere bis hin zur geriatrischen Patient:in und dabei die eigene Familie immer um einen herum.

Was macht eine gute Hausärzt:in aus?

Dieses romantische Ziel vor Augen hat mich im Studium oft motiviert weiterzumachen – egal wie groß die Steine waren, die mir in den Weg gelegt wurden: Vor den Steinen der Vorklinik musste der Stein "Studienplatz" überwunden werden. Und dann, fern von der Heimat, verlangte die von Theorie und Auslesedruck gesättigte Vorklinik einiges an disziplinierter Zielstrebigkeit. Wobei die Praktikerin in mir jede Möglichkeit ergriff, neben diesem doch sehr theorielastigen Teil des Studiums weiterführende Erfahrungen zu sammeln. Denn letztlich sind das die Dinge, die einen zu einer "guten Ärzt:in" machen – den ganzen Menschen im Blick zu haben. Also arbeitete ich in einer HNO-Klinik, machte in dem Zusammenhang Fortbildungen im Schlaflabor, besuchte die Sommeruniversität der Psychoanalyse und absolvierte einen Monat vor meinem Physikum noch einen Tapingkurs. Dann war die erste große Hürde genommen.

Doch nun stand nicht nur der Klinikteil des Studiums an, sondern ich wollte auch gerne eine Doktorarbeit anfangen. Aber nicht um des Titels willen oder in einem Gebiet, wo er einem "hinterhergeworfen" wird. Wenn ich diese Arbeit auf mich nehme, dann nur am Institut für Allgemeinmedizin. Nach wie vor war für mich völlig klar: Ich werde Hausärztin. Und ich war tatsächlich etwas irritiert, wie oft man sich dafür im Laufe des Studiums rechtfertigen musste.

Schritt für Schritt zur Allgemeinmedizin

Wieder meinte das Schicksal es gut mit mir: Während des intensiven Lernens für das Physikum lief ich auf meinem Weg zur Bibliothek zufällig an einem Aushang vorbei, an dem ein neues Förderprogramm beworben wurde: für Studierende mit Interesse an der Allgemeinmedizin. Das Erste, was ich also nach bestandenem Physikum machte, war, mich über dieses Programm zu informieren. Die Voraussetzungen erfüllte ich, aber es war auch ein Empfehlungsschreiben erforderlich. Als ich das las, verließ mich fast der Mut, da ich – frisch aus der Vorklinik – doch noch niemanden aus der Klinik kannte, der so ein Schreiben für mich verfassen könnte.

Info: Was ist die DESAM?
Die Deutsche Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM) unterstützt den allgemeinmedizinischen Nachwuchs sowie die allgemeinmedizinische Forschung. Mit ihren Förderprogrammen möchte die Stiftung mehr Medizinstudierende für den Hausarztberuf begeistern. Jedes Jahr werden 15 Medizinstudierende neu aufgenommen und über drei Jahre individuell gefördert. Die Stiftung wurde 1973 von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der Hausärzteschaft, gegründet. Die Stiftung hat ihre Geschäftsstelle in Berlin und fördert Medizinstudierende aus dem kompletten Bundesgebiet.

Da ich nichts zu verlieren hatte, meldete ich mich im Institut für Allgemeinmedizin an meiner Uni (Frankfurt), saß kurze Zeit später im Büro von Institutsdirektor Professor Ferdinand Gerlach, der mir nicht nur zusagte, dieses Schreiben für mich anzufertigen, sondern mir gleich auch noch eine Doktorarbeit an seinem Institut anbot und schließlich mein Mentor wurde.

Bis heute bin ich für diese Entwicklung unendlich dankbar. Dieses bisschen Mut, das ich damals aufbringen musste und was sich damals definitiv nicht nur nach ein bisschen anfühlte, hat mir die Türen geöffnet. Die Veranstaltungen der DESAM-Nachwuchsakademie waren immer wie ein Familientreffen, auf das man sich das ganze Jahr über freut. Die DEGAM-Kongresse waren großartig und haben einem stets neue Impulse gegeben oder eine neue Begegnung begünstigt, die für den weiteren Lebensweg prägend war. Dazu zählte auch der Einstieg in die JADE (Junge Allgemeinmedizin Deutschland), die – zumindest vor Corona – regelmäßige Treffen mit Fortbildung und Austausch ermöglicht. Man war plötzlich nicht mehr allein mit seiner Sicht auf die Medizin – den ganzen Menschen im Blick zu haben!

Fast am Ziel

Durch die Erfahrungen bei der Nachwuchsakademie durfte ich die Leitung der Vorklinischen Untersuchungskurse am Institut für Allgemeinmedizin in Frankfurt übernehmen, was mir selber die praktische Prüfung im dritten Staatsexamen sicherlich auch enorm erleichtert hat und mir nun, am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, den Unterricht für die Studierenden leicht von der Hand gehen lässt. So habe ich erneut ganz unverhofft ein kleines Teilziel erreicht und arbeite wieder am Institut des amtierenden DEGAM-Präsidenten. Schon bei der Summerschool Allgemeinmedizin in Hamburg – an der man einmalig durch die DESAM-Nachwuchsakademie teilnehmen darf – habe ich "Blut geleckt", als es hieß, dass es tatsächlich einige Kliniken gibt, an denen die Allgemeinmedizin in der Notaufnahme beteiligt ist. Und da die Notfallmedizin neben der Allgemeinmedizin, Intensivmedizin und Psychosomatik ein von mir geliebter Bereich der Medizin ist, wollte ich gerne genau so eine Stelle besetzen.

Ein bisschen Praxis, ein bisschen Notfall – und das an einer Uniklinik. Vor wenigen Jahren hätte ich noch gesagt: "Niemals Uniklinik, das ist mir viel zu anonym!" Und ja, ein kleines Haus hat einen anderen Charme, den ich glücklicherweise vorher erleben durfte, aber ich bereue es nicht, diesen Schritt gegangen zu sein, und würde ihn immer wieder gehen!



Autorin:

Carolin Patschkowski


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (2) Seite 26-27