Eine asymptomatische Mikrohämaturie ist ein häufiger Befund. Doch welche Konsequenzen sollte man daraus ziehen? Im Folgenden soll eine rationale, möglichst eindeutige und zielgerichtete Diagnostik unter Berücksichtigung der zahlreichen Leitlinien dargestellt werden.
Die Inzidenz einer Hämaturie ist ausgesprochen hoch, wobei insbesondere die asymptomatische Mikrohämaturie ein häufiger Zufallsbefund in der hausärztlichen Versorgung ist [1]. Die hohe Inzidenz erklärt sich auch durch die Häufigkeit der durchgeführten Harnstreifentests, obwohl Screenings diesbezüglich umstritten sind [2, 3]. Tatsächlich sind bei bis zu 18 % aller routinemäßig untersuchten, asymptomatischen Patienten Erythrozyten im Urinsediment nachweisbar [4]. Bei den meisten Patienten gibt es jedoch keinen Grund zur Sorge, da die Gründe für eine Mikrohämaturie vielseitig und meist benigner Natur sind [5 – 8]. Zahlreiche Studien, mit teils sehr großen Patientenkollektiven, wiesen nur sehr niedrige Raten an neu entdeckten Malignomen auf, wobei meist nicht einmal Kontrollgruppen vorlagen [9 – 12]. Eine große Studie von Jung et al. mit einem Patientenkollektiv von 309.402 Patienten zeigte zwar 156.691 Fälle von Mikrohämaturie, die Rate an neu entdeckten Malignomen lag jedoch lediglich bei 0,68 % in den folgenden drei Jahren. Die allgemeine Jahresinzidenz für Blasenkrebs liegt bei ungefähr 0,2 % [9, 13 ]. In bis zu 68 % der Fälle verläuft die Abklärung einer Mikrohämaturie ohne Resultat, und besonders bei Frauen wird nur sehr selten (0,3 %) eine maligne Ursache diagnostiziert [5, 11].
Trotzdem wird hier teilweise ein rigoroses Abklären inklusive Zystoskopie + multiphasischem CT bereits bei einmaligem Nachweis einer Mikrohämaturie empfohlen [8]. Diese Vorgaben werden jedoch wohl nur selten leitliniengerecht umgesetzt [7]. Die amerikanische, britische und kanadische Gesellschaft für Urologie hat jeweils eine Leitlinie zum Thema "asymptomatische Mikrohämaturie" erstellt. Ebenfalls gibt es seit 2013 eine Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) zu diesem Thema. Leider geben die verfügbaren Leitlinien sehr uneinheitliche Handlungsempfehlungen, mit einer äußerst großen Varianz der empfohlenen diagnostischen Algorithmen [14]. Dies führt dazu, dass oft große Unklarheit über die zu ergreifenden Maßnahmen herrscht und dass keine zielgerichtete Abklärung erfolgt [15, 16].
Diagnostik
Ein auffälliger Harnstreifen alleine stellt keine Mikrohämaturie dar, weil es zu falsch positiven Befunden bei Hämo- und Myoglobinurie kommen kann. Eine "echte" Mikrohämaturie ist definiert als > 3 sichtbare Erythrozyten in 400-facher Vergrößerung im Urinsediment. Des Weiteren erlaubt eine qualifizierte Urinsediment-Untersuchung zusätzlich die Differenzierung einer glomerulären von einer nichtglomerulären Hämaturie (auch eumorphe/isomorphe Hämaturie genannt), wodurch sich auch die Lokalisation und Ursache der Blutung einschränken lässt. Zeigen sich im Urinsediment dysmorphe (verformte) Erythrozyten, Erythrozytenzylinder, sonstige Zellbestandteile oder Proteinurie, so sollte eine nephrologische Abklärung erfolgen. Diese macht allerdings nicht immer eine urologische Abklärung im Verlauf überflüssig [5].
Der erste Schritt einer zielführenden Diagnostik ist die Evaluation möglicher Risikofaktoren für ein Malignom (vgl. Tabelle 1) sowie eine Miktionsanamnese (Pollakisurie? Schäumender Urin? Dysurie?). Ziel ist die Differenzierung einer echten asymptomatischen Mikrohämaturie von einer Mikrohämaturie mit eindeutig benigner Genese. Durch Anamnese und Überprüfung vom Urinstatus (Harnstreifentest, Sediment und Urinkultur) könnten in bis zu 30 % aller Fälle von Mikrohämaturie weitere Untersuchungen und Überweisungen vermieden werden [7]. Bei Verdacht auf benigne Genese der Mikrohämaturie (z. B. im Rahmen eines Harnwegsinfekts) sollte trotzdem eine erneute Kontrolle im Verlauf (z. B. nach antibiotischer Therapie) erfolgen. Ein "Wegkontrollieren" der Mikrohämaturie, wenn auch teilweise leitliniengerecht, sollte bei Patienten mit relevanten Risikofaktoren für ein Malignom nicht stattfinden, da eine Mikrohämaturie bei Blasenkrebs häufig intermittierend auftreten kann [17, 18]. Bei erhöhtem Risiko sollte bereits bei einmaligem Nachweis weitere Diagnostik erfolgen.
Zur Basis-Untersuchung gehört eine gründliche körperliche Untersuchung inklusive Blutdruckkontrolle, Laboruntersuchung und gegebenenfalls Sonographie der Bauch- und Beckenorgane [19]. Weitere diagnostische Schritte sollten erst nach Bestätigung einer Mikrohämaturie mittels Urinsediment in Abhängigkeit der vorliegenden Risikofaktoren und weiterer Symptome erfolgen [17, 19, 20]. Zum Ausschluss einer Verunreinigung der Urinprobe sollte bei Frauen die Urinprobe nach Möglichkeit mittels Einmalkatheter gewonnen werden, da insbesondere bei postmenopausalen Frauen häufig eine gynäkologische Genese der initialen Hämaturie vorliegt [7 ]. Bei Patienten >40 Jahren und vorliegenden Risikofaktoren für ein Malignom sollte primär eine urologische Abklärung erfolgen. Patienten < 40 Jahre mit renaler Beteiligung (Erythrozytenzylinder im Sediment, Niereninsuffizienz, Hypertonie oder Protein-urie) empfiehlt sich primär eine Überweisung zu einem Nephrologen. Bei unauffälliger weiterer Abklärung kann bei fortbestehender Mikrohämaturie der Hausarzt den Verlauf kontrollieren (Anamnese, körperliche Untersuchung, Sonographie, Kontrolle der Retentionsparameter und Ustix®) [17].
Bei einer unklaren Mikrohämaturie sollten eine Urinzytologie sowie spezielle Urintests zur Diagnostik einer möglichen Neoplasie (BTA stat®, NMP22® oder UroVysion® FISH etc.), aufgrund der heterogenen Datenlage und zumeist unzureichenden Sensitivität und Spezifität, nicht routinemäßig erfolgen [8, 21].
Algorithmus
Bei Patienten mit Mikrohämaturie und vorhandenen Risikofaktoren für ein Karzinom sowie bei allen Patienten mit Makrohämaturie sollte eine urologische Evaluation erfolgen (vgl. Abb. 1). Dies gilt auch bei Vorliegen einer Antikoagulation [8, 23]. Zur urologischen Abklärung gehört dabei standardmäßig ein Ultraschall + Urinkultur und Urinsediment. Zur Abklärung des unteren Harntrakts ist die Zystoskopie der Goldstandard und zur Abklärung des oberen Harntrakts sollte ein CT Abdomen mit Kontrastmittel und urographischer Phase erfolgen, bei Kontraindikation für CT ist auch ein MRT Abdomen möglich [8, 24, 25]. Eine intravenöse Pyelographie ist prinzipiell ebenfalls möglich, jedoch dem CT in Bezug auf Sensitivität unterlegen [26 – 28].
interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (9) Seite 16-19