Die Aortenklappenstenose ist die häufigste Klappenerkrankung im höheren Lebensalter. Wird sie nur konservativ behandelt, ist die Prognose außerordentlich schlecht. In der Herzchirurgie werden heute routinemäßig kathetergestützte Klappenimplantationen (TAVI) eingesetzt. Bei einer Mitralklappeninsuffizienz zeigt die Therapie mit dem MitraClip in vielen Fällen gute Erfolge. Der Hausarzt, der seine Patienten über Jahre begleitet, muss bei Klappenfehlern genau hinsehen und individuelle Lösungen finden, speziell für seine alten, multimorbiden Patienten.

Kasuistik
82-jähriger Patient mit

NYHA III bei
  • hochgradiger kalzifizierter Aortenklappenstenose (Klappenöffnungsfläche 0,8 cm², maximalem Druckgradienten 74 mmHg, mittlerem Druckgradienten 46 mmHg, Aortenklappen-Anulus 23 mm)
  • mittelgradig reduzierter linksventrikulärer Funktion
  • leichtgradigem MI
  • koronarer 3-Gefäßerkrankung mit Z. n. 3-fach-ACV (aktuell alle Bypässe offen)
  • kompensierter Niereninsuffizienz

Transfemorale TAVI
  • Postinterventionell NYHA I - II
  • In der Echokardiographie Besserung der Ejektionsfraktion auf 50 %
  • Aortenklappenersatz ohne relevantes paravalvuläres Leck, mittlerer Druckgradient an der Klappenprothese 8 mmHg
  • keine relevante Mitralinsuffizienz mehr

Deutschland ist "TAVI-Weltmeister" – in keinem anderen Land der Welt werden mehr kathetergestützte Aortenklappen implantiert. Technisch sind zwei Klappentypen zu unterscheiden: Bei der ballongestützten Katheterklappe wird, wie bei einem großen Stent, über einen Ballon mit hohem Druck und unter Röntgen-Durchleuchtung die Klappe in der stenosierten Aortenklappe des Patienten entfaltet (Abb. 1). Die selbstexpandierende Klappe ist eine vorgeformte Nitinol-Konstruktion, die in der Körperwärme des Patienten und nach Platzierung in der stenosierten Aortenklappe ihre industriell gefertigte Ausgangsform wieder erreicht. Mit hoher Radialkraft presst sie kontinuierlich die native Klappe des Patienten an die Wand und stabilisiert sich im Aortenklappen-Anulus. Der bevorzugte Zugangsweg bei der TAVI ist der transfemorale, der für den Patienten die geringste Invasivität bedeutet. Alternativ kann die Katheterklappe weiterhin transapikal oder transaortal oder über große Arterien, wie die A. axillaris, implantiert werden. Bei der Prozedur kann man oftmals auf eine Narkose verzichten. Eine Analgosedierung ist ausreichend. Die Dauer der gesamten Klappenimplantation liegt meist deutlich unter einer Stunde. Viele Patienten können schon in der ersten postoperativen Woche wieder nach Hause bzw. in die Anschluss-Heilbehandlung. In den letzten zehn Jahren kam man zu immer besseren prozeduralen Ergebnissen. Die Schleusen, über die man die Klappen implantiert, sind von anfänglich 24 auf 14 bzw. sogar 12 French zurückgegangen, was einem Außendurchmesser des Katheters von 8 bzw. 4 mm entspricht.

Welche Patienten sind für eine TAVI-Behandlung geeignet (vgl. Tabelle 1)? Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Laut Leitlinien sollten mit der TAVI vor allem Patienten mit hohem Risiko für einen chirurgischen Aortenklappenersatz bzw. dafür inoperable Patienten behandelt werden. Die europäischen Leitlinien sind noch aus dem Jahr 2012. Die Ergebnisse der TAVI-Therapie haben sich jedoch in den letzten Jahren wesentlich verbessert: Die Studienergebnisse für die TAVI im intermediären und auch im Niedrig-Risiko-Bereich sind sehr gut. Das Risiko für einen offen-chirurgischen Aortenklappenersatz wird bei der OP-Planung routinemäßig durch zwei Scores berechnet: den sog. STS- und den Euro-Score. In Deutschland behandelt man heute – trotz der strengen Leitlinienvorgabe – viele Patienten aus dem mittleren Risiko-Bereich mit TAVIs.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) empfiehlt z. B. die TAVI als Therapie der Wahl für alle Patienten über 85 Jahre. Jede TAVI-Prozedur belastet die Kassen allerdings mit mehr als 30.000 Euro – und ist damit fast doppelt so teuer wie der chirurgische Aortenklappenersatz. Alle TAVI-Prozeduren finden in Deutschland in Kliniken mit angeschlossener Herzchirurgie und im Hybrid-OP statt. Die Rate an notfallmäßigen Konversionen zu einer offenen Op. liegt bei unter 1,5 %. Bei der Aortenklappeninsuffizienz ist die TAVI-Prozedur nur im Einzelfall und mit schlechteren Ergebnissen als bei der Aortenstenose möglich. Die wenigsten Klappen auf dem Markt haben dafür eine Zulassung. Der Grund: Die TAVI-Klappe braucht eine Landungszone, in der sie fixiert werden kann. Das ist der Kalk der Aortenklappenstenose, den es bei der Aortenklappeninsuffizienz eben meist nicht gibt.

Welche Komplikationen sind denkbar? Bei einer Krankenhaussterblichkeit von gut 5 % sind zwei mögliche Komplikationen für die Patienten nach einer TAVI-Prozedur besonders bedeutsam: So gibt es die sogenannten "paravalvulären Lecks", das heißt Undichtigkeiten zwischen der Klappenprothese und dem an die Wand gepressten Kalk der nativen Aortenklappe des Patienten. Eine geringe Leckage spielt keine große Rolle. Aber schon eine mittelgradige Aorteninsuffizienz mit paravalvulärem Leck bedeutet einen deutlichen Überlebensnachteil für den Patienten. Bei den neu entwickelten TAVI-Klappen ist mit einer relevanten Leckage in 5 – 6 % der Fälle zu rechnen.

Eine mit etwa 17 % ebenfalls relativ häufige Komplikation der TAVI ist ein drittgradiger AV-Block. Meist wird durch den kurz unterhalb des Aortenklappen-Anulus in die Wand gedrückten Kalk die im Septum verlaufende AV-Überleitung blockiert. Diese elektrische Leitungsstörung kommt bei den selbstexpandierenden Nitinol-Klappen deutlich häufiger vor als bei den ballonexpandierten Klappen. Der postoperative AV-Block III bedeutet die Indikation zur Schrittmacher-Implantation.

Mitralklappen-Interventionen

Kommen wir zu dem zweithäufigsten Herzklappenfehler im Erwachsenenalter: der Mitralklappeninsuffizienz (MI), für die es zwei Ursachen gibt: zum einen die primäre Mitralinsuffizienz mit einem strukturellen Defekt an mindestens einem der beiden Segel. Diese Form lässt sich chirurgisch in den weitaus meisten Fällen mit einer Mitralklappen-Rekonstruktion sehr gut behandeln, die in der Regel über eine Mini-Thorakotomie durchgeführt werden kann.

Zum anderen gibt es die sekundäre Mitralklappeninsuffizienz, bei der die Mitralsegel selbst völlig gesund sind. Die Undichtigkeit an der Mitralklappe resultiert allein aus einer schlecht kontraktilen, meist dilatierten linken Herzkammer, die zu einer mangelnden Überlappung der Mitralsegel führt (geringe ‚Koaptationsfläche‘). Die Therapie der sekundären Mitralinsuffizienz ist chirurgisch deutlich weniger erfolgversprechend als die der primären. Bei der sekundären MI ist schon ein Jahr nach der Mitralklappen-Rekonstruktion bei jedem dritten Patienten mit einer erneuten, relevanten MI zu rechnen. Bei den interventionellen Therapieverfahren der Mitralinsuffizienz gibt es zwei Prinzipien: eine "Reparatur" an den Mitralsegeln und/oder eine Reduktion des anterior-posterioren Mitralklappen-Anulus, der durch die Ventrikelerkrankung dilatiert ist.

Das weltweit mit etwa 45.000 Implantationen bisher am häufigsten angewandte interventionelle Verfahren der Mitralklappen-Rekonstruktion ist die Implantation von einem oder mehreren MitraClips (Abb. 2 und 3). Deutschland ist auch "Clip-Weltmeister": Über die Hälfte aller weltweit implantierten MitraClips wurden in Deutschland implantiert. Intraoperativ echokardiographisch muss immer eine iatrogene Mitralklappenstenose ausgeschlossen werden.

Eine von Herrn Alfieri eingeführte chirurgische Technik der Mitralklappen-Rekonstruktion wird mit dem MitraClip-System interventionell nachempfunden: Die korrespondierenden Mitral-Segel-Anteile werden mit dem MitraClip aneinander fixiert und damit die Mitralinsuffizienz durchschnittlich um 1,5 Schweregrade reduziert.

Die komplett interventionell durchgeführte Prozedur kann bis zu mehrere Stunden dauern. Sie wird in Intubationsnarkose durchgeführt. Die Patienten werden meist noch im Hybrid-OP extubiert und können nach wenigen Tagen entlassen werden.

In Deutschland werden mit der MitraClip-Therapie rund 65 % der Patienten behandelt, die eine sekundäre MI haben. Aber auch bei primärer MI oder einem Mischbild ist das MitraClip-System eine wertvolle Therapie-Option, wenn die Patienten für eine offene Mitralchirurgie als inoperabel gelten. Alle Patienten, die für eine MitraClip-Therapie infrage kommen, müssen mittels einer Schluck-Echokardiographie gescreent werden, möglichst mit einem 3D-Schallkopf. So kann man u. a. prüfen, ob die Mitralsegel mit dem Clip gut zu greifen sind und die Öffnungsfläche der Mitralklappe mindestens vier Quadratzentimeter misst.

Viele Studien zeigten nach der MitraClip-Therapie eine deutlich verbesserte Linksherzinsuffizienz (NYHA-Einschränkung), eine niedrigere Hospitalisierungsrate und bessere Ergebnisse beim Sechs-Minuten-Gehtest. Das operative Risiko ist mit unter 2 % sehr gering. In komplexen Fällen lohnt sich die ambulante Vorstellung von Patienten mit relevanter Mitralklappeninsuffizienz in erfahrenen Zentren. Einen Überlebensvorteil der Mitra
Clip-Therapie konnten eine Subgruppenanalyse bzw. zwei Single-Center-Studien nachweisen.

Das zweite Therapieprinzip, das sich bei der Mitralklappen-Rekonstruktion bewährt hat, ist die Implantation eines Kunststoffrings auf den Mitral-Anulus. Diese sogenannte Anuloplastie, die Raffung des Mitralrings vor allem im anterior-posterioren Durchmesser, wird mit mehreren Techniken bereits interventionell nachempfunden. Das Verfahren steckt noch in den Kinderschuhen, zeigt aber großes Potenzial.

Trikuspidalklappen-Interventionen

Patienten mit hochgradiger Trikuspidalklappen-Insuffizienz (TI) haben ebenfalls eine schlechte Prognose, sowohl bei konservativer als auch bei chirurgischer Therapie – vor allem, wenn man die TK ersetzen muss. Für diese kritisch kranken Patienten werden derzeit interventionelle Therapieverfahren erprobt. Einige Gruppen haben mit dem MitraClip-System durch eine Bikuspidalisierung der TK, andere durch eine Anulusraffung eine deutliche Reduktion der TI bei ausgewählten Patienten erzielen können. Die Studienergebnisse muss man noch abwarten.

Auch die interventionelle Implantation von biologischen Klappen in Mitral- und Trikuspidalposition gestaltet sich wesentlich schwieriger als die TAVI. Der Anulus der AV-Klappen ist viel größer, er verändert sich über den Herzzyklus, oftmals fehlen zirkuläre Verkalkungen und es finden sich in der Nähe teils vulnerable Regionen des Herzens. Bei der Aortenstenose und der TAVI waren die ersten Ergebnisse zunächst ebenfalls problematisch. So gilt für die Mitral-und Trikuspidalklappen-Implantationen: Aller Anfang ist schwer – und die Zukunft bleibt spannend.



Autor:

© Detlef Roser
Dr. med. Detlef Roser

Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie
Sana Herzchirurgie
70174 Stuttgart

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (12) Seite 47-50