Sich verändernde Umweltfaktoren können sich auf die Entstehung von Allergien auswirken. Inwieweit ist es heute möglich, im Sinne einer Primärprävention Einfluss zu nehmen auf die vielfältigen Umgebungsfaktoren und damit eine Zunahme von Allergien zu verhindern?

Die Anzahl an Patient:innen mit atopischem Asthma und allergischer Rhinitis (AR) hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen und wird in vielen Ländern noch ansteigen [11]. Neben der genetischen Prädisposition werden hierfür unterschiedliche Faktoren wie Luftverschmutzung, Tabakrauch, Einflüsse während der Schwangerschaft und im frühkindlichen Alter, Ernährungsgewohnheiten, Einschleppung neuer Allergene durch Neophyten sowie eine verminderte Auseinandersetzung des Immunsystems mit der Umwelt (Hygiene-Hypothese) verantwortlich gemacht. Megatrends wie der Klimawandel, Bevölkerungswachstum und zunehmende Urbanisierung können diese Effekte weiter verstärken [2, 3]. Die sozioökonomische Belastung ist daher bereits heute hoch und wird weiter steigen, weshalb präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Allergien empfehlenswert sind [4].

Rauchen und Atemwegserkrankungen

Die Exposition von passivem sowie aktivem Rauchen bei Jugendlichen und sogar Kindern ist weltweit hoch [5]. Eine 2014 durchgeführte Metaanalyse ergab, dass das aktive Rauchen bei Erwachsenen zwar nicht das AR-Risiko, jedoch das Risiko für eine nicht allergische Rhinitis erhöht. Auf der anderen Seite war die AR mit Passivrauchen bei Erwachsenen assoziiert. Bei Kindern und Jugendlichen hat sowohl das Passivrauchen als auch aktives Rauchen die Häufigkeit der AR erhöht. Die Studiengruppe schätzte, dass 14 % der AR durch aktives Rauchen verursacht wurden. Folglich könnte jeder siebte Fall von AR durch Nichtrauchen im Kindes- und Jugendalter vermieden werden [6]. Die Reduzierung des Rauchens bleibt daher die einfachste und eine der konkretesten Möglichkeiten der praktischen Prävention chronischer Atemwegsinfektionen (CAI) [7]. Studien haben gezeigt, dass Rauchen während der Schwangerschaft das Risiko für Keuchen in der Kindheit erhöht, ebenso das Risiko für Asthma bei Nachkommen in der frühen Kindheit [8], im Vorschulalter [9], bei Jugendlichen [10] und bei Erwachsenen [11]. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit von Strategien, um Frauen im gebärfähigen Alter und Eltern mit Kindern dazu zu ermutigen, das Rauchen endgültig einzustellen, um das AR- und Asthma-Risiko der Nachkommen zu verringern.

Umweltschadstoffe

Bislang ist noch nicht hinlänglich bekannt, welche Umweltfaktoren für die kontinuierlich ansteigenden Zahlen von Sensibilisierungen verantwortlich sind [12]. Der "westliche Lebensstil" scheint eine klare Korrelation zur Entwicklung von Atemwegsallergien zu besitzen [13 – 15]. Umweltschadstoffe können das ökologische Gleichgewicht stören und zu einer ernsthaften Gefahr für Menschen, Tiere und Pflanzen werden. Nach Listung der Chemical Abstract Services der American Chemical Society sind derzeit an organischen und anorganischen Stoffen weltweit mehr als 175 Millionen bekannt [16]. In menschlichen Proben können heute mehr als 300 Umweltchemikalien oder deren Metaboliten gemessen werden [17]. Bei etwa 22 Umweltchemikalien (POP, Persistent Organic Pollutants, früher "dirty dozen" genannt) oder Gruppen von Chemikalien werden Beeinträchtigungen der Gesundheit des Menschen angenommen [18, 19]. Diese Belastung mit Fremdstoffen (Xenobiotika) könnte Einfluss auf die Allergieentstehung haben, was derzeit wissenschaftlich untersucht wird [20]. Das Forschungsgebiet der "Allergotoxikologie" befasst sich mit dem Einfluss von Umweltschadstoffen auf Entstehung, Auslösung und Unterhaltung allergischer Reaktionen.

Luftschadstoffe

Entsprechend der Stelle, an der sich die Partikel im Atemtrakt absetzen, wird in der Arbeitsmedizin eine Unterscheidung in einatembare, thorax- und alveolengängige Partikelfraktion vorgenommen (Abb. 1A und B). Für die gesetzlichen Normen in der Außenluft sind die Parameter PM10 und PM2,5 ausschlaggebend [21].

Die WHO geht davon aus, dass 44 % aller Asthmaerkrankungen global umweltbedingt sind und durch geeignete Präventionsmaßnahmen vermeidbar wären [23]. Zur Vermeidung von Asthmaerkrankungen dient die Richtlinie 2008/50/EG [21], in der Grenzwerte für Stickstoffdioxid, Feinstaub (PM10, PM2,5), Schwefeldioxid, Benzol, Kohlenmonoxid und Blei festgelegt wurden. Inwiefern Luftverschmutzung eine Rolle bei der Entstehung von Asthma spielt, wurde durch ein internationales Panel zusammengefasst [24].

Die Wechselwirkung zwischen Schadstoffen und Allergenträgern bzw. Allergenen ist vielfältig und nicht monokausal. Bis heute ist daher auch kein einziger Schadstoff mit Umweltrelevanz bekannt, der als Einzelsubstanz beim Menschen die Entstehung von IgE-vermittelten Allergien begünstigen würde. Im Human- und Tierexperiment sind hierzu Schadstoffgemische (wie z. B. Dieselrußpartikel) verwendet worden. Luftschadstoffe können auf verschiedenen Ebenen Einfluss auf die Allergieentstehung nehmen. Zahlreiche Studien belegen, dass Verkehrsbelastung in der Außenluft ein wesentlicher allergiefördernder Faktor ist [25 – 28].

Allergenvermeidung als Präventionsstrategie bei Atemwegsallergien

Die meisten Studien, die darauf abzielen, das Asthma- oder Allergierisiko durch eine Kontrolle der umweltbedingten Allergenexposition zu verringern, sind inkonsistent und ohne klare Ergebnisse. Die Isle-of-Wight-Studie untersuchte die Auswirkungen von Diäten und umfangreiche Maßnahmen zur Verringerung der Hausstaubmilbenexposition (HSM). Diese Studie mit einer relativ kleinen Anzahl von Kindern (n = 120), bei denen das Risiko für allergische Erkrankungen als hoch eingestuft wurde, ist die einzige Studie, bei der eine Verringerung der Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben und der CAI bis zum Alter von 18 Jahren nachgewiesen werden konnte [29]. Leider verstehen wir die Mechanismen, die über eine Sensibilisierung zur Entstehung allergischer Erkrankungen führen, nur unvollständig, sodass auch der Einfluss der Allergenexposition auf die Entwicklung von CAI bisher nicht abschließend geklärt ist. Eine klare Empfehlung zur Allergenkarenz besteht dagegen beim Auftreten einer Anaphylaxie. Auch in der Sekundärprävention spielt die Allergenkarenz eine entscheidende Rolle [30].

Probiotika

In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Probiotika gestiegen. In mehreren Studien konnte eine deutliche Verringerung des Risikos eines atopischen Ekzems nachgewiesen werden, wenn sowohl schwangere Frauen als auch Neugeborene probiotische Bakterien wie Bifidobacterium lactis oder Lactobacillus rhamnosus erhalten [31]. Bisher konnte jedoch keine Studie einen asthma- oder CAI-präventiven Effekt zeigen [32]. Jugendliche können bei der Prävention allergischer Erkrankungen von Probiotika profitieren [33]. Abschließend scheint für Probiotika in Bezug auf die Allergieprävention nur schwache Evidenz zu bestehen, und das auch nur für einzelne atopische Erkrankungen wie das atopische Ekzem.

Klimawandel und Allergien

Der durch die Erderwärmung beobachtete Klimawandel betrifft die menschliche Gesundheit [34] auch unter allergologischen Aspekten [35, 36]. Eine erhöhte CO2-Konzentration, höhere Temperaturen und mildere Winter führen zu teilweise erhöhter und verlängerter Pollenfreisetzung. Weitere Faktoren wie z. B. Trockenheit, Ozon, UV-Strahlung und anthropogene Luftschadstoffe wirken als zusätzliche Stressoren auf die Pflanzen, die mit Veränderungen in Protein- und Metabolitmustern reagieren [37], sodass auf diese Weise die Allergenität von Pollen beeinflusst wird. Je nach Region und klimatischen Bedingungen werden mehr bzw. neue Arten oder in einigen Fällen auch weniger Pollen freigesetzt.

Der Klimawandel führt zu Veränderungen der Fauna und Verschiebung der Vegetationszonen in nördlichere Regionen [38], einer zunehmenden Einwanderung von Neophyten (nicht zur üblichen Vegetation gehörende Pflanzen wie z. B. Ambrosia artemisiifolia = ragweed = Traubenkraut) [39], einer verlängerten Pollenflugzeit mit erhöhtem Pollenflug [40, 41], einer Änderung der Allergenität (Bet v 1, Phl p 5 etc.) und von Begleitsubstanzen (PALMS, LPS) von Pollen [35, 42].

Fazit

Derzeit ist das Wissen über die Primärprävention allergischer Atemwegserkrankungen mit Ausnahme der Raucherentwöhnung begrenzt. Es gibt nur ein begrenztes oder kontroverses Wissen über andere Umweltfaktoren und deren Auswirkungen auf allergische Atemwegserkrankungen. Die Belastung der Umwelt durch Abgase und andere Schadstoffe kann zu einer Verstärkung der allergischen Reaktion im Organismus führen. Die Festlegung entsprechender Emissionswerte durch den Gesetzgeber und deren Umsetzung durch Städte und Kommunen könnte somit gerade in Ballungszentren einen Beitrag zur Allergieprävention leisten.

Zudem sind Studien zur Vorhersage und Prävention von allergischen Erkrankungen erforderlich. Ebenso notwendig sind Programme für eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über die Folgen und Belastungen durch allergische Atemwegserkrankungen und wie diese durch primäre, sekundäre und tertiäre Präventionsansätze positiv beeinflusst werden können.

Fortbildung Allergologie
Folgende Fortbildungsveranstaltungen bietet der Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA), deren Präsident Prof. Klimek ist, in diesem Jahr u.a. noch an:
  • 30.03.2022: Der Allergiker im Sommer
  • 27.04.2022: Milben in Bett und Hausstaub
  • 13. – 14.05.2022: Allergologie im Kloster
  • 08. – 10.09.2022: Deutscher Allergie Kongress
  • 02.11.2022: Allergen-Immuntherapie im Fokus
  • 18. – 19.11.2022: Allergologie Grundkurs
  • Aktuelle Termine unter: http://www.aeda.de/veranstaltungen


Literatur:
Literatur beim Verfasser


Autor

© privat
Prof. Dr. med. Ludger Klimek

Zentrum für Rhinologie und Allergologie
An den Quellen 10
65183 Wiesbaden
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (3) Seite 50-52