Mit dem Nachschub an jungen Ärzt:innen, die einmal in einer Hausarztpraxis arbeiten wollen, könnte es eng werden, wenn man die Ergebnisse einer Umfrage unter Medizinstudierenden betrachtet. Denn demnach ist der Hausarztberuf nur für jede zwanzigste attraktiv. Es gibt aber Hoffnung: Wer schon einmal in einer Hausarztpraxis mitgearbeitet hat, sieht den Beruf deutlich positiver.

Vor allem auf dem Land ist der Mangel an Hausärzt:innen schon längst angekommen. Und die Lage wird sich noch verschärfen, wenn all die altgedienten Landärzt:innen in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen werden. Insofern ist die Frage berechtigt, wie es eigentlich um den Ärztenachwuchs an den Universitäten bestellt ist und welche Interessen er hat.

Für ein Drittel kommt der Hausarztberuf nicht infrage

Wissenschaftler:innen unter Leitung von Prof. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch vom Institut für Allgemeinmedizin der Universität Graz wollten deswegen von Medizinstudierenden aus Deutschland, Österreich und Slowenien wissen, wie ihre Haltung zur Allgemeinmedizin ist und ob sie sich vorstellen könnten, später einmal als Hausärzt:in zu arbeiten. An der Online-Umfrage in den Jahren 2016 und 2017 beteiligten sich fast 4.500 Studierende (61 % Frauen), darunter etwa 2.500 an 9 deutschen Universitäten.

Von diesen deutschen Medizinstudierenden lehnte mehr als ein Drittel (34,2 %) den Beruf der Hausärzt:in für sich kategorisch ab. Lediglich knapp jede zwanzigste (4,4 %) gab an, dass sie ihr Studium mit dem Ziel beenden wolle, Hausärzt:in zu werden. Die Zahlen für Österreich und Slowenien ergeben übrigens ein ganz ähnliches Bild. Die geringste Neigung zur Allgemeinmedizin bestand bei den österreichischen Studierenden, wo sich nur 2 % schon dafür entschieden hatten.

Eigene Einblicke in eine Hausarztpraxis stimmen positiv

Der Großteil der Befragten war allerdings in dieser Frage noch unentschieden. Und da gibt es auch einen kleinen Hoffnungsschimmer, denn bei den Unentschiedenen gibt es womöglich noch ein Potenzial, das für die Allgemeinmedizin gehoben werden könnte. So zeigte eine genauere Auswertung, dass vor allem die älteren Semester eher zum Berufswunsch Allgemeinmediziner:in tendierten und insbesondere jene, die bereits Kinder hatten. Der Zug zur Hausarztmedizin verstärkte sich zudem, wenn die Befragten schon einmal selbst positive Erfahrungen mit den Inhalten und auch den organisatorischen Abläufen in einer Hausarztpraxis gesammelt hatten. Überzeugt hatten sie die Inhalte hausärztlichen Arbeitens, etwa die Breite der zu behandelnden Erkrankungen und die langjährige Betreuung von Patient:innen. Zudem war ihnen eine gute Work-Life-Balance wichtiger als das mit dem Beruf verbundene Sozialprestige. Wenn die Studierenden aus einem Dorf oder einer Kleinstadt stammten, erhöhte dies ebenfalls die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung für die Allgemeinmedizin.

Es gilt, die Unentschiedenen zu überzeugen

Wenn man den Hausärztemangel also bekämpfen möchte, müsse man die Gruppe der Unentschiedenen für die Allgemeinmedizin gewinnen, so die Autor:innen der Studie. Dafür sei es notwendig, das Berufsbild der Hausärzt:in und ihre Arbeitsbedingungen in der Öffentlichkeit und bei der Politik positiver darzustellen. Kurz: Mit Jammern wird man keinen Nachwuchs überzeugen. Viel wichtiger sei es, den Studierenden während des Studiums so viele Einblicke wie möglich in die praktische Arbeit einer Hausärzt:in zu ermöglichen. So ist es ja auch im Masterplan Medizinstudium 2020 vorgesehen.


Quelle: Avian A et al. (2020) Family Practice. DOI: 10.1093/fampra/cmaa126



Autor
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (5) Seite 36-37