Medizinischer Nachwuchs wird dringend gebraucht. Das verdeutlicht nicht zuletzt ein Blick auf die aktuelle Ärztestatistik der Bundesärztekammer und konkret auf die Altersentwicklung der Ärzteschaft. Die zeigt: Viele Ärzt:innen werden demnächst aus dem Berufsleben ausscheiden. Ein Generationenwechsel steht an. Doch tickt die junge Generation genauso wie die ältere? Eine Studie der Apobank gibt ein wenig Aufschluss.

Von allen berufstätigen Ärzt:innen hatten zum Ende 2020 bereits 8 % das 65. Lebensjahr vollendet. Weitere 12 % waren schon zwischen 60 und 65 Jahre alt. Bei rund 20 % der berufstätigen Ärzt:innen ist der Schritt in den Ruhestand also schon recht nahe. Hinzu kommt, dass aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge in den 1950er- und 1960er-Jahren überproportional viele Ärzt:innen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren alt sind – also auch nicht mehr so weit entfernt vom Ende des Berufslebens.

Der Generationswechsel in der Medizin wird sich deshalb in den nächsten Jahren verschärfen, sagen Expert:innen voraus. Und die junge Generation tickt wohl ein wenig anders als die ältere, wenn es darum geht, wie sie ihre Rolle als Heilberufler sehen. Sie wollen den Wertewandel, der auf gesellschaftlicher Ebene bereits stattfindet, auch in ihrer Berufswelt durchsetzen.

Karriere spielt keine Hauptrolle mehr

Der Generationsvergleich, der in der Studie vorgenommen wurde, zeigt, dass die jeweilige Einstellung und die Selbsteinschätzung an einigen Stellen deutlich auseinandergehen: Während die ältere Generation sich eher als karriereorientiert einschätzt, haben bei den jüngeren Heilberuflern Familie und Freizeit mehr Relevanz. Den stärkeren Fokus auf die berufliche Karriere bei der älteren Generation bestätigt zudem die Antwort auf die Frage nach dem Stellenwert der Arbeit. Dieser wird entsprechend von knapp der Hälfte der älteren Heilberufler:innen als hoch eingestuft, bei den jüngeren ist es nur ein Drittel.

Knapp drei von fünf Heilberufler:innen der älteren Generation ordnen sich selbst eher als analog denn als digital ein und mehr als zwei Drittel würden sich eher als Einzelkämpfer:innen bezeichnen. Das sieht die junge Generation ganz anders: 80 % beschreiben sich als digital und zukunftsorientiert, knapp zwei Drittel schätzen sich eher als Teamplayer ein.

Selbstständigkeit bleibt attraktiv, aber …

Auch die Frage nach Vorteilen und Nachteilen der Selbstständigkeit zeigt jeweils unterschiedliche Wahrnehmungen: Selbstverwirklichung, Einkommen und Work-Life-Balance werden von den jungen Heilberufler:innen eher als Pluspunkte der Niederlassung gesehen. Das finanzielle Risiko ist für sie die größte Hürde zur Selbstständigkeit und hat im Vergleich zu früher deutlich an Relevanz zugenommen. Bürokratie und Unternehmertum stufen die Jungen ebenso als Hemmnis ein, wenn auch etwas niedriger als die ältere Generation. Auch das hohe Arbeitspensum wird von den jüngeren Heilberufler:innen weniger als Nachteil wahrgenommen, behauptet die Studie.

Junge sehen die Digitalisierung positiver

Die Patientenbehandlung rückt in den Augen der neuen Generation in einen anderen Fokus. Eine vertrauensvolle und enge Beziehung zu den Patient:innen sowie der Therapieerfolg gehören für beide Generationen zu den wichtigsten Aspekten in der Behandlung. Doch ein hoher Wohlfühlfaktor in der Praxis, die Vermittlung von Wissen, eine gute Erreichbarkeit sowie eine positive Bewertung und Weiterempfehlung spielen für die jüngeren Heilberufler:innen eine größere Rolle. Deutlich werden die Generationsunterschiede vor allem, wenn es um die Kategorie digitale Services geht: 72 % der jüngeren Heilberufler:innen sehen diese als relevant an, unter den älteren sind es lediglich 45 %.

Nach den Veränderungen im Gesundheitswesen und dem Arbeitsumfeld gefragt, sehen die meisten (82 %) der Befragten in der Digitalisierung eine Verbesserung des Gesundheitswesens. Die Entwicklungen bei Reglementierung (86 %) und Kommerzialisierung (80 %) des Gesundheitswesens hingegen werden fast unisono als Verschlechterung empfunden. Laut der Studie stehen die jüngeren Heilberufler:innen den Veränderungen im Gesundheitswesen aber insgesamt deutlich positiver gegenüber als ihre älteren Kolleg:innen: Vor allem bei Arbeitspensum, Gestaltungsspielräumen und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nimmt die junge Gruppe mehr Verbesserung in den letzten 20 bis 30 Jahren wahr.

Fazit: Die Gründe für die Berufswahl werden bei der jungen Ärztegeneration offenbar vielfältiger: Kriterien wie das Heilen und Helfen sowie die Faszination am Beruf bleiben zwar ausschlaggebend, jedoch zählen auch andere Attribute, wie die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, Verdienstmöglichkeiten und gesellschaftliches Ansehen.

Die neue Generation junger Ärzt:innen legt mehr Wert auf Freizeit und Familie. Entsprechend sinkt auch der Stellenwert des Berufs. Betrachtet man die Patientenbehandlung, setzen sie deutlich stärker als die älteren Kolleg:innen auf Digitalisierung, aber auch auf Wissensvermittlung und Therapie auf Augenhöhe mit der Patient:in.

Trend zur Anstellung setzt sich fort

Festmachen lässt sich die veränderte Einstellung zum Beruf bei dem seit Jahren zu beobachtenden Trend zur Anstellung im ambulanten Bereich. So hat sich die Zahl der angestellten Ärzt:innen hier auf 44.000 erhöht, sechsmal mehr als noch 1997. Damit ist der Anteil der angestellten Ärzt:innen in der vertragsärztlichen Versorgung von 8 % im Jahr 2009 auf nun über 22 % gestiegen.

Gleichzeitig wird auch unter Ärzt:innen die Teilzeit immer beliebter. Um 100 Vollzeitstellen zu besetzen, wurden im Jahr 2015 noch 108 Ärzt:innen benötigt, zwei Jahre später waren es bereits 115, rechnet die BÄK vor. Das entspricht einem mehr Bedarf von rund 6 %. Etwas mehr als die Hälfte der angestellten Vertragsärzt:innen hatte im vergangenen Jahr weniger als 30 Stunden pro Woche in den Praxen oder MVZ gearbeitet. 30 % arbeiteten 10 bis 20 Stunden pro Woche und etwa 16 % kamen sogar nur auf maximal 10 Wochenstunden in der Praxis.

Setzt sich die Entwicklung zur Angestelltentätigkeit in Teilzeit weiter so fort, wird es besonders für Hausärzt:innen immer dringlicher und schwieriger, Praxisnachfolger:innen zu finden, wenn sie in den Ruhestand gehen.



Autor
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (4) Seite 26-28