Sind wir ein Volk der Dicken? Müssen wir abnehmen und geht das durch Sport? Von drei erwachsenen Männern in Deutschland haben zwei Übergewicht. Bei den Frauen ist jede zweite Frau zu dick. Ja, wir sind ein Volk der Dicken und wir bewegen uns zu wenig. Mehr als die Hälfte aller Deutschen sind bewegungsfaul und 41 % bewegen sich weniger als zwei Stunden pro Woche.

Welche Auswirkungen hat Übergewicht auf die Gesundheit? Die Liste ist lang: Gelenkprobleme, Rückenschmerzen, Durchblutungsstörungen, Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt. Und das sind noch längst nicht alle Krankheiten, die durch Übergewicht und Bewegungsmangel entstehen und unser Leben verkürzen.

Was können wir tun? Die gute Botschaft lautet: Bewegung heilt, lindert oder schützt uns vor den meisten Krankheiten. Jeder Schritt zählt, Bewegung macht uns gesund und gehört zum Leben. Wie schon Blaise Pascal sagte: "Zu unserer Natur gehört Bewegung, die vollkommene Ruhe ist der Tod."

Muskelabbau im Alter: Unvermeidbar?

Sarkopenie – der Abbau von Muskelmasse – ist im Alter weit verbreitet. Nahezu jedes Organ und jedes Körpergewebe verfällt nach und nach, wenn man sich nicht ausreichend bewegt oder allzu lange Bettruhe einhält. Doch ist Sarkopenie eine natürliche Folge, wenn wir älter werden? Nicht unbedingt, denn Muskelabbau ist nur eine Folge des Nichtgebrauchs der Muskulatur. Selbst in hohem Alter werden alle Abbauprozesse des Körpers verzögert oder umgekehrt, sobald der Körper wieder in Gang gesetzt wird.

Bewegung macht schlank und ist auch im Alltag möglich. Moderne Kommunikationstechniken stehlen uns Bewegung. Öfter mal zum Kollegen laufen statt E-Mail schreiben. Wer zwei Minuten pro Stunde läuft, verbrennt 500 g Fett pro Jahr oder 5 kg in zehn Jahren. Ein Mann, der jeden Tag in 15 Minuten 1 000 Meter spazieren ging und damit aufhörte, nahm in einem Jahr 2 kg zu. Es stellt sich die Frage: Wie viel Bewegung braucht der Mensch und welche Bewegung sollte es sein?

Bewegung im Alltag

Wie sieht er aus, der Tag im Leben eines modernen Menschen? Vom Bett zum Frühstückstisch, zum Auto und ins Büro auf den Drehstuhl. Zur Kantine und zurück. Dann ins Auto, einige Schritte beim Einkaufen, mit dem Auto zur Wohnung. Zum Esstisch, Sofa und Bett. Genau 860 m an einem Tag. Zum Vergleich: Unsere Vorfahren in der Steinzeit gingen jagend oder sammelnd etwa 30 Kilometer am Tag und waren gesünder als die übergewichtigen und inaktiven Menschen heute. Früher war Bewegung garantiert – das Essen vielleicht. Heute ist Essen garantiert und Bewegung vielleicht. Wir essen zwar das Mammut, aber wir erlegen es nicht mehr.

Welche Bewegung ist für den Menschen geeignet oder gesund? Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft, sagte einst der tschechische Langstreckenläufer Emil Zatopek. Der Mensch ist zum Laufen oder Gehen geboren. Der aufrechte Gang, der ausgeprägte Gesäßmuskel, die Fähigkeit, die Temperatur durch Haut und Schweißdrüsen zu regeln, sind typische Merkmale des Menschen.

Wie viel Bewegung soll es sein?

Fachgesellschaften geben sportmedizinische Trainingsempfehlungen für Präventions-und Rehaprogramme. Für Kinder wird eine moderate bis intensive körperliche Aktivität von mindestens 60 Minuten am Tag empfohlen. Erwachsene sollten 30 Minuten mit moderater Intensität oder 20 Minuten mit hoher Intensität trainieren. Und das mindestens fünfmal pro Woche. Für adipöse Erwachsene geben die Fachgesellschaften folgenden Rat: mindestens 200 – 300 Minuten Bewegung pro Woche. Dabei sollten insgesamt 2 000 kcal verbrannt werden. Also 4 – 5 Stunden flottes Spazierengehen oder Walken. Selbst Alltagsbewegung reicht aus, um schlank und gesund zu bleiben. In Ontario leben die Amish-People. Sie sind überwiegend normalgewichtig und gesund, denn sie verzichten auf jeglichen Fortschritt und gehen 14 000 bis 18 000 Schritte am Tag. Man muss also nicht gleich ins Fitnessstudio gehen, auch im Alltag ist ausreichend Bewegung möglich.

Schrittzähler hilft

Mit einem Schrittzähler können wir am Abend leicht sehen, ob wir unser Ziel erreicht haben oder ob noch ein kleiner Spaziergang nötig ist. Wer 2 bis 3 Stunden flott spazieren geht oder walkt, verbrennt etwa 1 000 Kilokalorien. In 7 Wochen wäre dann das erste Kilo weg, wenn wir uns nicht jedes Mal mit einem Stück Kuchen belohnen. Empfohlen wird der Verbrauch von 2 000 – 3 000 kcal pro Woche. Sport und Bewegung betreffend darf es also ein bisschen mehr sein.

Sport hilft dreifach beim Abnehmen:

1. Der Kalorienverbrauch wird um das 5 – 10-Fache erhöht.

2. Der sogenannte Nachburner-Effekt bewirkt: Bei intensiver Belastung verbrennt der Körper auch nach dem Sport noch deutlich mehr Kalorien.

3. Sport baut Muskeln auf und die verbrennen für den Rest des Lebens mehr Kalorien. Und das sogar im Ruhezustand. Ob Ausdauersport oder Kraftsport, beides ist gut zum Abnehmen. Bei Ausdauersport überwiegt die Kalorienverbrennung, bei Krafttraining der Muskelaufbau.

Wie motiviere ich meinen Patienten?

Was ist zu tun? Appelle nutzen wenig. Am Anfang kann eine pädagogische Hilfe nötig sein. Ein Trainer, der Bewegungsabläufe schult, kann Verletzungen vermeiden und Spaß und Freude vermitteln. Ganz wichtig ist es, die Motivation zu steigern. In der Gruppe macht es oft viel mehr Spaß und der innere Schweinehund wird leichter überwunden.

Wie gelingt es, dauerhaft in Bewegung zu bleiben, und was kann die Arztpraxis leisten? Folgende Punkte können hilfreich sein:

1. Ziele festlegen

Das Ziel könnte heißen: drei bis fünf Stunden Bewegung pro Woche. Wichtig ist es, das Ziel mit dem Patienten zusammen festzulegen.

2. Flexible Kontrolle

Im Sinne von Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle sollte die Bewegung mittels eines Selbstbeobachtungsbogens kontrolliert werden. Der Vorsatz "jeden Wochentag eine Stunde Bewegung" ist eine rigide Kontrolle und kontraproduktiv. Dagegen ermöglicht der Vorsatz "5 Stunden Bewegung pro Woche" eine flexible Kontrolle. Tage mit wenig Zeit zur Bewegung können noch ausgeglichen werden.

3. Begleitung und Motivationssteigerung

Regelmäßige Termine in der Arztpraxis, Besprechung der immer wieder neu zu erreichenden Ziele und vor allem Lob und Bestätigung fördern die Motivation.

Fazit

Gehen, Laufen oder Wandern sind von der Biologie für den Menschen vorgesehen und idealerweise auch im Alltag durchführbar. Jederzeit, auch in höherem Alter, ist der Körper trainierbar. Gemeinsam festgelegte Ziele mit flexibler Kontrolle fördern die Eigenverantwortung. Abnehmen durch Gesundheitssport ist möglich, es erfordert allerdings Geduld und Ausdauer.


Literatur:
1. Blech J., (2007) Bewegung. 1. Aufl., Fischer Verlag GmbH.
2. Haskel W. (2000), Sport, Bewegung und Gesundheit. Der Orthopäde.
3. Jeschke D. und Zeilberger K. (2004) Altern und körperliche Aktivität, Deutsches Ärzteblatt
4. Mechling H. (2005) Körperlich-sportliche Aktivität und erfolgreiches Altern. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz



Autor:

Horst Martin Bauer

Diätassistent und Diabetesberater
Spessartklinik
63619 Bad Orb

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (4) Seite 20-22