Die Therapieoptionen bei einer Schlafstörung umfassen sowohl nichtmedikamentöse als auch medikamentöse Behandlungen. Gemäß der neuen S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Schlafstörungen, die unter Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin veröffentlicht wurde, gilt die kognitive Verhaltenstherapie als primäre Behandlungsoption bei Erwachsenen.

Insomnien sind Schlafstörungen mit Ein- und/oder Durchschlafstörungen über einen Zeitraum von mindestens einem Monat, die mit einer Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit beziehungsweise der Leistungsfähigkeit einhergehen. Im Januar 2017 wurde die neue S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) zur Diagnostik und Behandlung von Insomnien veröffentlicht [1]. Darin hat man die Leitlinie von 2009 durch mehrere wichtige Änderungen aktualisiert. Zwei Patientenverbände und acht medizinische bzw. psychologische Fachgesellschaften waren an der Entwicklung der Leitlinie beteiligt, unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM).

Epidemiologie und Folgen

Die Leitlinie enthält einen relativ langen Abschnitt zur Epidemiologie und zu den Folgen der Schlafstörung. In chronischer Form betrifft sie etwa 10 % der Erwachsenen in Industrieländern, wobei vermutlich etwa 70 % aller Patienten für die Dauer von mindestens einem Jahr darunter leiden. So sind Insomnien auch in der Hausarztpraxis ein vergleichsweise häufiger Beratungsanlass.

Besorgniserregend ist, dass Insomnien einen Risikofaktor für eine ganze Reihe an psychischen und körperlichen Folgeerkrankungen darstellen. Hinsichtlich psychischer Erkrankungen erhöhen Insomnien das Risiko für eine Depression etwa um den Faktor 2. In Bezug auf die körperliche Gesundheit zeigen Metaanalysen, dass die Insomnie ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen ist.

Kognitive Verhaltenstherapie erstmals an erster Stelle

Therapeutisch empfiehlt die Leitlinie erstmals eindeutig und unmissverständlich, dass die sogenannte "kognitive Verhaltenstherapie für Insomnien" bei Erwachsenen jeden Lebensalters die erste Behandlungsoption sein soll. Diese Behandlung ist eine auf den Schlaf fokussierte Psychotherapie, die im Rahmen von Einzel- oder Gruppensitzungen angeboten wird und in der Regel vier bis acht solcher Termine von 50 Minuten Dauer umfasst.

Die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnien beinhaltet dabei verschiedene Techniken, insbesondere psychoedukative Maßnahmen, Entspannungsmethoden, Stimuluskontrolle und Schlafrestriktion sowie kognitive Techniken. Die Stimuluskontrolle und Schlafrestriktion sind dabei Techniken, mit denen die Bettzeit der Patienten vorübergehend deutlich reduziert wird. So erzeugt man eine starke Müdigkeit, die das Ein- und Durchschlafen relativ schnell verbessert und den Anteil von Tiefschlaf in der Nacht erhöht. Anschließend wird die Bettzeit über mehrere Wochen langsam wieder ausgedehnt, wodurch sich viele Patienten daran gewöhnen können, länger und ungestörter zu schlafen. Kognitive Techniken werden eingesetzt, um nächtliches Grübeln zu verringern und bestimmte Überzeugungen bei Patienten infrage zu stellen, die zu einer Verschlechterung des Schlafs beitragen.

Die Evidenz ist ausgesprochen umfangreich und umfasst Arbeiten zur Wirksamkeit der Therapie im psychotherapeutischen Einzel- und Gruppensetting. Sie spricht für eine sehr gute Effektivität dieser Behandlung. Dabei zeigen katamnestische Daten eindeutig, dass die Therapie auch langfristig über den eigentlichen Behandlungszeitraum hinaus wirksam ist. Zudem wurden in den letzten Jahren Metaanalysen publiziert, die nahelegen, dass die Behandlung auch dann sehr wirksam ist, wenn Insomnien komorbid mit anderen psychischen oder körperlichen Erkrankungen (z. B. Depressionen, Schmerz- oder Krebserkrankungen) auftreten. Hierbei lässt sich insbesondere bei psychischen Störungen und Schmerzerkrankungen in vielen Fällen auch ein positiver Effekt auf die komorbide Erkrankung feststellen.

In jüngster Zeit wurde die seit Jahrzehnten bekannte kognitive Verhaltenstherapie für Insomnien so weiterentwickelt, dass verkürzte Formen mit drei Sitzungen oder sogar nur einer Sitzung untersucht und davon die positiven evaluiert wurden. Zudem entwickelte man andere Applikationsformen, z. B. die Behandlung im Rahmen von Kursen, die Vertreter verschiedener Berufsgruppen anbieten können. Auch gibt es speziell entwickelte Selbsthilfeprogramme, die über das Internet verbreitet werden. In Regensburg entwickelte und evaluierte man zudem eine stationäre Kurzzeittherapie, die bei schweren chronischen Insomnien gute Effekte zeigte.

Für die Nebenwirkungen der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnien empfiehlt die Leitlinie, diese weiter zu erforschen. Die Stimuluskontrolle und Schlafrestriktion gehen vielfach mit einer vorübergehenden, zum Teil deutlich erhöhten Tagesmüdigkeit und -schläfrigkeit einher. Diese Techniken sind deshalb nur dann uneingeschränkt zu empfehlen, wenn sehr sorgfältig evaluiert wird, ob die Patienten während der ersten Wochen der Therapie in der Lage sind, potenziell gefährliche Tätigkeiten (z. B. Autofahren) weiterhin auszuüben.

Medikamentöse Therapieoptionen

Zur medikamentösen Therapie von Insomnien äußern sich die Autoren der Leitlinie – angesichts der vorliegenden wissenschaftlichen Evidenz – ausgesprochen zurückhaltend. So wird empfohlen, dass eine medikamentöse Behandlung nur dann erfolgen soll, wenn die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnien nicht hinreichend effektiv war oder nicht durchführbar ist. Hier sollten Ärzte und Patienten gemeinsam entscheiden, ob eine medikamentöse Behandlung ausprobiert wird oder nicht.

Welches Schlafmittel für wen? Keine konkrete Empfehlung!

Für die medikamentöse Behandlung gibt die Leitlinie keine eindeutigen Empfehlungen zur Wahl des Schlafmittels. Der Grund: Die Datenlage ist für keine der verfügbaren Substanzen besonders überzeugend. So wird in der Leitlinie zusammengefasst, dass Benzodiazepine und Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten im kurzzeitigen Gebrauch (bis zu vier Wochen) effektiv in der Behandlung von Insomnien sind. Explizit geben die Autoren allerdings – aufgrund der Nebenwirkungen und Risiken (nächtliche Verwirrtheit und Stürze, Einschränkung der Fahrtauglichkeit, Toleranz und Abhängigkeit) – keine Empfehlung zur Langzeitbehandlung von Insomnien mit Benzodiazepinen oder Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten.

Kritisch gesehen wird vor allem das Abhängigkeitspotenzial dieser Substanzen. Im Suchtreport Deutschland wird von etwa einer Million Menschen mit Benzodiazepinabhängigkeit ausgegangen. Beim Vergleich von Benzodiazepinen mit Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten ergab die Bewertung der Evidenz, dass es keine wesentlichen Unterschiede in der Wirksamkeit gibt. Ähnlich wie bei der Untersuchung der Benzodiazepine und der Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten wird festgestellt, dass sedierende Antidepressiva in der Kurzzeitbehandlung von Insomnien effektiv sind. Eine Empfehlung zur Langzeitbehandlung von Insomnien mit sedierenden Antidepressiva wird jedoch explizit nicht gegeben, da die aktuelle Datenlage hierzu unzureichend ist.

Ausblick
Eine Umsetzung der S3-Leitlinie für Insomnien im hausärztlichen Bereich bedeutet, dass betroffene Patienten an einen entsprechend ausgebildeten Psychotherapeuten überwiesen werden und der Behandlungserfolg einer kognitiven Verhaltenstherapie überprüft wird, bevor eine medikamentöse Therapie erwogen wird.

Da jedoch derzeit keine ausreichend große Anzahl an derart ausgebildeten Psychotherapeuten verfügbar ist, könnte es zu einem Versorgungsdefizit kommen. Dieses mögliche Defizit gilt es mittels Versorgungsforschung zu quantifizieren, um angemessene Konzepte zur Verbesserung der Versorgungssituation zu etablieren.

Für die Betroffenen wäre dies sehr hilfreich. Allen Patienten ist zu wünschen, dass sie einen Zugang zur aktuell erfolgversprechendsten Behandlung ihrer Schlafstörung erhalten.

Hinsichtlich anderer Substanzen wird in der Leitlinie klar dargelegt, dass diese für die Indikation Insomnie nicht empfehlenswert sind. Dies gilt insbesondere für Antipsychotika – wegen des nahezu völligen Fehlens empirischer Daten – sowie für Melatonin und Phytopharmaka wie Baldrian wegen der geringen Wirksamkeit. Darüber hinaus werden auch alternative Therapieverfahren wie Homöopathie oder Akupunktur besprochen und wegen einer unzureichenden und kaum für eine Wirksamkeit sprechenden Datenlage nicht empfohlen.


Literatur:
1. Riemann D, Baum E, Cohrs S, Crönlein T, Hajak G, Hertenstein E, Klose P, Langhorst J, Mayer G, Nissen C, Pollmächer T, Rabstein S, Schlarb A, Sitter H, Weeß HG, Wetter T, Spiegelhalder K (2017) S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/ Schlafstörungen – Kapitel Insomnie bei Erwachsenen, Update 2016. Somnologie 21:2-44


Autor:

PD Dr. Dr. med. Kai ­Spiegelhalder

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Freiburg
79104 Freiburg

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (15) Seite 24-26