Wann ist bei einer Phimose die Zirkumzision indiziert, wann kontraindiziert? Welche konservativen Therapiemöglichkeiten gibt es? Wie sind die Erfolgsraten? Macht eine prophylaktische Zirkumzision Sinn? All diese Fragen sollen in dem folgenden Beitrag behandelt werden.
Eine Phimose liegt vor, wenn eine Verengung der Penishaut das Zurückziehen über die Glans penis unmöglich macht (Abb. 1). Ursachen können eine Fibrose, Vernarbungen nach Mikrotraumen, ein dorsaler Schnürring, Entzündungen oder ein Lichen sclerosus sein. Bei 98 % der Neugeborenen liegt eine Phimose vor. Im Alter von sechs Monaten lässt sich bei ca. 20 % der Jungen die Vorhaut zurückziehen, und bei den Dreijährigen in 89 %. Unter den 6- bis 7-Jährigen haben noch 8 % eine Vorhautverengung, unter den 16- bis 18-Jährigen sind es noch rund 1 % [1, 2, 3, 4].
Indikationen zur Behandlung
Ist es bis zum Abschluss des 2. bis 3. Lebensjahres nicht möglich, die Vorhaut zu retrahieren, so sollte eine Intervention erwogen werden, da sich bei fehlender Hygiene rezidivierende Balanitiden und Paraphimosen entwickeln können. Absolute Indikationen zur Intervention sind rezidivierende Balanoposthitiden, rezidivierende Harnwegsinfektionen mit Harntraktanomalien, die Paraphimose sowie sekundäre Phimosen, verursacht durch einen Lichen sclerosus et atrophicans [3, 5]. Relative Indikationen sind eine nicht oder nur inkomplett retrahierbare Vorhaut ab einem Alter von 3 Jahren, ein erfolgloser konservativer Therapieversuch, Vernarbungen, Smegmaretentionszysten, ein dorsaler Schnürring, ein Frenulum breve, Aufballonierung der Vorhaut bei Miktion, Katheterisierungsprobleme bei Kindern mit einer neurogenen Blasenentleerungsstörung und als Harnwegsinfektionsprophylaxe bei nachgewiesenen vesikoureteralem Reflux [6].
Kontraindikationen zur operativen Behandlung bestehen in Koagulopathien, akuten lokalen Infektionen und kongenitalen Anomalien des äußeren Genitale wie Hypospadien, Epispadien und Buried Penis, bei denen die Vorhaut wertvolles Gewebe für die Rekonstruktion sein kann [1, 5].
Therapieoptionen
Die therapeutischen Maßnahmen bei einer Phimose reichen von konservativen lokalen Behandlungen, d. h. der Applikation einer Betamethasonsalbe (0,05 %) mit und ohne Dehnung der Vorhaut, bis hin zu operativen Verfahren. Das Spektrum der operativen Korrekturen umfasst die dorsale Inzision, die Y-V- Plastik sowie die plastische (Abb. 2) und radikale (Abb. 3) Beschneidung.
Bei der Indikationsstellung zur operativen Behandlung sollte immer beachtet werden, dass die Zirkumzision auch mit einer gewissen Morbiditätsrate einhergeht. Die allgemeine Komplikationsrate bei der kindlichen Zirkumzision liegt bei 0,2 - 10 % [7] zum Zeitpunkt der Operation, wozu das postoperative Ödem, Nachblutungen und Infektionen zählen. Für Spätkomplikationen wie Meatusengen liegt die Rate zusätzlich bei ca. 5 %. Extrem seltene Komplikationen sind urethrokutane Fisteln und Verletzungen der Glans bis hin zur Amputation. Die Rezidivphimosenrate bei vorhauterhaltendem Vorgehen wird in der Literatur zwischen 0,2 und 5 % angegeben [8, 9].
Ein Vergleich in der Literatur zeigt, dass sowohl die konservative als auch operative Therapie hohe Erfolgsraten aufweist, wobei auch die hohe Spontanheilungsrate nicht außer Acht gelassen werden darf.
Prophylaktische Zirkumzision
Die Zirkumzision (lat. Circumcisio) ist die teilweise oder vollständige Entfernung der Vorhaut. Gründe für die Beschneidung sind neben medizinischen Indikationen kulturelle und religiöse Gründe sowie Motive der Hygiene und Gesundheitsprävention.
Die prophylaktische Zirkumzision wird heutzutage sehr kontrovers diskutiert. Befürworter der Beschneidung stehen auf dem Standpunkt, dass dieser operative Eingriff viele Vorteile bietet, die die Risiken überwiegen, so dass dieser Eingriff am besten in der neonatalen Periode durchgeführt werden sollte [15]. Folgende Vorteile werden angeführt:
- niedrigere Inzidenz von Harnwegsinfekten im Kindesalter
- Vermeidung der Entstehung von Balanitiden, Paraphimosen, sekundären Phimosen und weiteren genitalen Dermatosen
- fehlende Entstehung von Peniskarzinomen, Prostatakarzinomen und niedrigere Übertragungsrate von sexuell übertragbaren Erkrankungen wie HIV und humanes Papillomavirus.
Eine Metaanalyse von zwölf Studien mit insgesamt 402 908 Kindern wies eine Reduktion des Risikos eines HWI nach Zirkumzision nach. Die Autoren wiesen aber auch darauf hin, dass nur 1 % der Jungen mit normaler Harntraktfunktion einen HWI entwickeln, somit ziehen nur Jungen mit hohem Risiko für die Entwicklung eines HWI einen Vorteil aus einer Zirkumzision [16].
Unbestritten ist, dass bei unbeschnittenen Männern eine höhere Rate an Peniskarzinomen gefunden wird. Durch die Zirkumzision wird eine Bildung und Ansammlung von Smegma verhindert, was als Nährboden für Keime, Bakterien und Humane Papillomaviren dient. Nicht beschnitten zu sein, stellt somit einen großen Einzelrisikofaktor dar [17]. Auf der anderen Seite ist es aber eine Tatsache, dass das Peniskarzinom eine der seltensten Karzinomerkrankung in Europa und Nordamerika ist [18].
Die Zirkumzision schützt vor genitalen Dermatosen. Laut einer Studie fand man eine altersabhängige größere Wahrscheinlichkeit von 3,2 % für penile Hauterkrankungen bei nicht beschnittenen Männern als bei beschnittenen [19].
Seit man einen Zusammenhang zwischen einer HPV-Infektion und der Entstehung von Penis- und Zervixkarzinomen festgestellt hat, stellen Studien auch einen Zusammenhang zwischen dem Zirkumzisionsstatus und dem Zervixkarzinom her. In einer Metaanalyse von sieben kontrollierten Studien wurden humane Papillomaviren 2,7- bis 3-mal häufiger bei unzirkumzidierten als bei beschnittenen Männern gefunden [20, 21]. In der gleichen Studie wird festgestellt, dass monogame weibliche Partner von Hochrisiko-zirkumzidierten Männern (mehr als sechs Sexualpartner im Leben) ein geringeres Risiko haben, an Zervixkarzinom zu erkranken, als Frauen mit Hochrisiko-unzirkumzidierten Männern [21].
Der Ursprung der Theorie, ob eine Zirkumzision das Risiko einer HIV-Infektion senkt, wird viel diskutiert. Über 40 epidemiologische Studien befassen sich mit diesem Thema [22]. Die weltweite Inzidenz von neuen HIV-Infektionen lag laut Robert Koch Institut 2007 bei 1,4 - 3,6 %. Die Cochrane Database Studie von 2009 konnte eine Verringerung des HIV-Infektionsrisikos um 50 - 54 % durch Zirkumzision nachweisen. Dies führte dazu, dass die WHO ihren Mitgliedsstaaten in einer Presseerklärung empfahl, die Zirkumzision als Element in die nationale Anti-Aids-Strategie mit aufzunehmen [23].
Neuste Studien lassen eine Virusgenese, d. h. über den HPV 18 an einem Prostatakarzinom zu erkranken, möglich erscheinen [24]. In einer Studie von Dillner erhöhte der Nachweis von HPV 18 das Risiko auf das 2,6-Fache [25]. Ewings et al. konnten schon 1996 eine 1,6- bis 2-fach erhöhte Häufigkeit von Prostatakarzinomen bei nicht zirkumzidierten Männern feststellen [26].
Die meisten internationalen Organisationen (American Medical Association, American College of Obstetrics and Gynecology, American Academy for Family Physicians, ESPU, EAU) vertreten den Standpunkt, dass die medizinischen Vorteile einer Zirkumzision die routinemäßige Zirkumzision jedoch nicht rechtfertigen [1, 3, 27, 28, 29]. Nach den S1-Leitlinien der DGK 2008 bedarf die Zirkumzision einer medizinischen Indikation, und die EAU legt eindeutig fest, dass die Routine-Zirkumzision bei Neugeborenen nicht indiziert ist [5, 6].
Die rechtlichen Aspekte einer Zirkumzision ohne medizinische Indikation treten in letzter Zeit immer mehr in den Vordergrund. In der FAZ vom 16.9.2009 wird postuliert, dass „Beschneidungen meist strafbar sind“, und M. Stehr und H. Putzke schreiben in der Monatsschrift Kinderheilkunde über Aspekte der Zirkumzision ohne medizinische Indikation, dass „...die Beschneidung verschoben werden soll, bis das Kind einwilligungsfähig ist...“ [30].
Fazit
Es gibt sehr unterschiedliche Empfehlungen der einzelnen Fachgesellschaften zur Indikation, Kontraindikation und prophylaktischen Zirkumzision. Die konservative Therapie ist bis zu 91 % erfolgreich und die operative Behandlung bis zu 99 %. Durch die prophylaktische Zirkumzision kann die Inzidenz von Harnwegsinfektionen bei Säuglingen, die Rate von HIV-, HPV- und anderen sexuell übertragbaren Infektionen reduziert werden. Erkrankungen an durch HPV 16/18 induziertem Zervixkarzinom sowie an Prostatakarzinom können durch eine Zirkumzision reduziert werden. Dagegen kann eine Minimierung des Risikos auch durch ausreichende Hygienemaßnahmen und eine Prophylaxe mit Kondomen erreicht werden.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2011; 33 (9) Seite 27-29