Beschwerden im Verdauungstrakt, die nicht im Rahmen einer schweren oder chronischen Erkrankung auftreten, sind in der Allgemeinbevölkerung häufig. Oft ist die Symptomatik selbstlimitierend und von kurzer Dauer. Bei chronisch-rezidivierenden Beschwerden hingegen ist die Lebensqualität derart eingeschränkt, dass über die Hälfte der Patienten Hilfe bei naturheilkundlich komplementären Verfahren sucht. Wie man sich bei dieser Therapie an der Evidenz orientiert und im Einzelfall pragmatisch vorgehen kann, zeigt der folgende Beitrag.
Gastrointestinale Beschwerdebilder lassen sich nicht immer eindeutig den Diagnosen „Reizmagen/funktionale Dyspepsie“ oder „Reizdarmsyndrom“ zuordnen, da sie sich häufig auf den gesamten Verdauungstrakt erstrecken.
Übersichtsarbeiten zur funktionalen Dyspepsie zeigen zwar eine Prävalenz von 40 % in der Allgemeinbevölkerung, charakterisieren allerdings die Beschwerden häufig als mild und von kurzer Dauer, weshalb weniger als die Hälfte der Betroffenen medizinische Hilfe sucht [1]. Die epidemiologischen Daten zum Reizdarmsyndrom zeigen in der Allgemeinbevölkerung eine Häufigkeit von bis zu 25 %, von denen ein Drittel ärztlichen Rat sucht [2]. Wenn es zur Behandlung kommt, werden naturheilkundliche Therapieverfahren von über 50 % der Patienten eingesetzt, vor allem in Form der Selbstbehandlung. Über die Hälfte der Anwender berichten von positiven Ergebnissen durch pflanzliche Behandlungen [4].
Insgesamt spricht die hohe Inanspruchnahme naturheilkundlich-komplementärer Verfahren bei gastrointestinalen Beschwerden für eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität – eine Erkenntnis, die bereits aus Untersuchungen zur Komplementärmedizin bei anderen chronischen Erkrankungen (Schmerz-, Tumorerkrankungen) vorliegt.
Die aktuellen Arbeiten zu gastrointestinalen Beschwerden gehen von einem multifaktoriellen Geschehen aus. So können eine herabgesetzte Schwelle für intestinale Schmerzreize, die Stimulation von Entzündungszellen, eine Störung der gastrointestinalen Motilität, Veränderungen der Darmflora und psychosoziale Stressoren als gesichert gelten [5, 6, 7]. Unklar ist, wie groß im Einzelfall der pathogenetische Anteil der einzelnen erwähnten Aspekte an der Symptomatik ist. Da die Beschwerdebilder häufig ähnlich vielschichtig sind wie die pathogenetischen Faktoren, ist derzeit eine konventionelle Standard-Therapieempfehlung nicht möglich. Die gleichermaßen konstitutionell wie symptomatisch orientierte Vorgehensweise der Naturheilkunde und Komplementärmedizin könnte hier eine sinnvolle Ergänzung darstellen.
Für einige naturheilkundliche Verfahren und Präparate existieren qualitativ akzeptable wissenschaftliche Prüfungen, die für die tägliche Praxis eine Entscheidungshilfe sein können.
Naturheilkundliche Vorgehensweise bei gastrointestinalen Beschwerden
Die Grundlage jeder Therapieempfehlung sollte eine orientierende Anamnese bezüglich des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens, unverträglicher Nahrungsmittel, Auslösefaktoren für die Beschwerden und der Stressverarbeitung sein. Von praktischer Bedeutung ist auch die Frage nach bisherigen Therapieversuchen und deren Ergebnis, um sinnlose Wiederholungen erfolgloser Behandlungen zu vermeiden.
Studien zeigten symptomatische Besserungen durch mehrere kleine Mahlzeiten, fettarme Ernährung und die Vermeidung später Abendmahlzeiten sowie von Lebensmitteln, die häufiger Beschwerden auslösen, wie Zwiebeln, Zitrusfrüchte, Kaffee, kohlensäurehaltige Getränke und Pfeffer [8].
Erfahrungsheilkundliche Empfehlungen beinhalten in der Regel Schonkost, warme Mahlzeiten, Suppen und die Verwendung geeigneter Gewürze zur Unterstützung einer normalen Verdauungstätigkeit (Zimt, Ingwer u. a.). Falls es aufgrund des Körpergewichts vertretbar ist, kann eine gezielte Entlastung des Verdauungstraktes durch Tage mit kalorischer Reduktion (z. B: als Reistag mit 1 000 kcal) erfolgen.
Eine regelmäßige, moderate Ausdauerbewegung kann – möglicherweise über die damit verbundene Stressreduktion – zu einer Verbesserung der Verdauung führen. Viele gastrointestinale Beschwerden lassen sich offenbar durch eine Ausdauerbewegung bessern [9, 10].
Stress beeinflusst physiologische Funktionen wie die Sekretion von Magensäure und die gastrointestinale Motilität. Die Empfehlung konkreter Maßnahmen zur Stressreduktion ist daher sinnvoll im Rahmen eines naturheilkundlichen Behandlungsplans bei gastrointestinalen Beschwerden. Da derzeit aus wissenschaftlicher Sicht unklar ist, ob es besonders wirksame Verfahren gibt, sollten solche Techniken empfohlen werden, die die Patienten leicht umsetzen und regelmäßig anwenden können [11]. Zumindest ist auf die Einhaltung regelmäßiger und stressfreier Essenszeiten hinzuweisen.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Fälle, in denen die Ausschlussdiagnosen „Reizmagen“ bzw. „Reizdarm“ hinreichend diagnostisch gesichert sind. In allen anderen Fällen verbietet sich ein naturheilkundlicher Therapieversuch aufgrund einer möglicherweise unerkannten gefährlichen Erkrankung. Im Folgenden werden evidenzbasierte Behandlungsmöglichkeiten dargestellt.
Dyspeptische Beschwerden – „Reizmagen“
Dyspeptische Beschwerden können in Form von Appetitlosigkeit über Völlegefühl, Sodbrennen, Übelkeit, unspezifische Schmerzen im Oberbauch bis hin zu Blähungen auftreten.
Kombinationspräparat aus neun Einzeldrogen
Die Kombination aus Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchten, Mariendistelfrüchten, Melissenblättern, Pfefferminzblättern, bitterer Schleifenblume, Schöllkraut und Süßholzwurzel (Iberogast®) ist das am intensivsten wissenschaftlich geprüfte Präparat zur Behandlung funktioneller Magen-Darm-Störungen. Aufgrund der Datenlage können der Rezeptur prokinetische, tonisierende und spasmolytische Effekte attestiert werden. In qualitativ belastbaren Arbeiten zeigten sich signifikante Besserungen von Appetitlosigkeit über Völlegefühl und Übelkeit bis hin zu Bauchkrämpfen – nach einer Behandlungsdauer von in der Regel vier Wochen. Die Anwendung des alkoholhaltigen Präparates ist in entsprechend reduzierter Dosierung auch bei Kindern möglich [12, 13].
Pfefferminz-Kümmel-Kombination
Eine akzeptable Evidenzbasis für die Behandlung von Reizmagen-Beschwerden liegt auch für eine Kombination aus Pfefferminzblättern und Kümmelfrüchten vor. Es wurden dabei sowohl Produkte untersucht, die ausschließlich diese beiden Drogen enthielten, sowie Kombinationspräparate, die weitere Bestandteile aufwiesen.
Die in den Studien am häufigsten eingesetzten Dosierungen waren 180 – 270 mg Pfefferminzöl täglich und 100 – 150 mg Kümmelöl täglich in fester Kombination (z. B. Enteroplant®). Statistisch signifikante symptomatische Besserungen (Schmerz, Druck, Völlegefühl) zeigten sich nach einer Behandlungszeit von vier Wochen [14].
Artischockenblätter (Cynarae folium)
Neben den bekannten cholesterinsenkenden und choleretischen Eigenschaften kann ein Extrakt aus Artischockenblättern bei dyspeptischen Beschwerden zur symptomatischen Besserung beitragen. In einer qualitativ hochwertigen Studie zeigten sich signifikante Effekte nach einer sechswöchigen Behandlung mit einer Tagesdosis von 640 mg [15].
Kurkuma-Wurzel (Rhiz. Curcumae longae)
Die Anwendung von 2 g Kurkuma-Wurzel täglich über lediglich sieben Tage zeigte sich in einer doppelblind-randomisierten Studie einer Plazebokontrolle signifikant überlegen bezüglich der Verringerung einer Reizmagen-Symptomatik [16].
Komplexe Kräuterrezeptur
Eine Kombination aus der japanischen Kampo-Medizin, bestehend aus Rhiz. Atractylodis lanceae, Rad. Ginseng, Tub. Pinelliae, Hoelen, Fruct. Zizyphi, Peric. Aurantii, Rad. Glycyrrhizae und Rhiz. Zingiberis (Rikkunshi-to), wurde in einem aktuellen Review als sinnvolle Therapieoption bei Reizmagen-Beschwerden bewertet. Diese Rezeptur wird in Japan häufig eingesetzt und kann hierzulande über entsprechend spezialisierte Apotheken bezogen werden [17].
Erfahrungsheilkundliche Behandlungsmöglichkeiten
In den erfahrungsheilkundlichen Veröffentlichungen finden sich diverse Kombinationsrezepturen, die im Rahmen eines Therapieversuchs eingesetzt werden können. Häufig werden in diesen Rezepturen Einzeldrogen kombiniert, die sich zwar in einigen Wirkungen unterscheiden, allerdings auch ein sich überlappendes Wirkspektrum aufweisen. Möglicherweise erklärt die Verwendung von komplexen Rezepturen deren häufig berichtete Wirksamkeit bei komplexen Beschwerdebildern. Die bereits erwähnte Studienlage zu einem wissenschaftlich geprüften Vielstoffgemisch (Iberogast®) würde diese These stützen.
Je nach vorherrschender Symptomatik kommen in diesen Rezepturen sekretions- und motilitätsanregende, spasmolytisch, karminativ oder sedativ wirkende Heilpflanzen zum Einsatz. Stellvertretend für die vielfältigen erfahrungsheilkundlichen Behandlungsoptionen bei den unterschiedlichen Aspekten dyspeptischer Beschwerden seien folgende Rezepturen erwähnt [18]:
Reizdarmsyndrom – Colon irritabile – irritable bowel syndrome (IBS)
Die derzeit gültige Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten [2] definiert das Reizdarmsyndrom als eine länger als drei Monate anhaltende Symptomatik mit Meteorismus, unspezifischen Bauchschmerzen, Diarrhoe oder Obstipation, die die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigt. Kombinationen mit dyspeptischen Beschwerden sind nicht selten. Das Reizdarmsyndrom ist häufig und betrifft bis zu 25 % der Bevölkerung, Frauen leiden häufiger darunter als Männer [3]. Es gibt Hinweise, dass bei einer beträchtlichen Zahl der Betroffenen auch eine psychiatrische oder psychosomatische Diagnose vorliegt [19].
Die Tatsache, dass es sich beim Reizdarmsyndrom definitionsgemäß gerade nicht um eine bedrohliche Erkrankung handelt, sollte in der Praxis nicht dazu verleiten, auf einen Therapieversuch zu verzichten. Mehrere Arbeiten legen nahe, dass die Lebensqualität der Patienten durch die chronischen Beschwerden stark eingeschränkt ist [20, 21].
Das Behandlungskonzept sollte ordnungstherapeutische Empfehlungen wie auch die Anwendung der Phytotherapie beinhalten. Mittlerweile konnten einige der traditionell genutzten Phytotherapeutika in qualitativ hochwertigen Studien überprüft werden. Die Evidenzlage erlaubt heute differenzierte Empfehlungen nach der individuellen Symptomatik. Die Therapiesicherheit scheint akzeptabel, wie ein Review zur Überprüfung von unerwünschten Therapieeffekten nahelegt [22].
Stressverarbeitungs- und Entspannungstechniken
Sinnvolle Basismaßnahmen sind eine adäquate Stressverarbeitung, Entspannungstechniken, eine regelmäßige Alltags- und Ausdauerbewegung, geeignete hydro- und thermotherapeutische Maßnahmen (feuchtwarme Bauchwickel, Leberauflagen, Bauchumschläge) und eine gesunde, individuell verträgliche Ernährung. Eine Ausdauerbewegung kann die normale Funktionsfähigkeit des Gastrointestinaltraktes erhalten und die Symptomatik eines Reizdarmsyndroms nachweislich bessern [23].
In neueren Studien werden Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie, Achtsamkeitsschulung und die Hypnotherapie positiv bewertet [24, 25, 26]. Die bisherigen Studien legen nahe, dass die Interventionsdauer sich über mehrere Monate erstrecken sollte. Die Betroffenen sollten auf solche Angebote hingewiesen werden, da sie möglicherweise zu grundlegenden und dauerhaften Verbesserungen des Lebensstils und damit der Lebensqualität beitragen können [11].
Ernährung
Aus ernährungstherapeutischer Sicht kann eine Differenzierung in Fällen mit tendenziell vorherrschender Obstipation oder Diarrhoe sinnvoll sein. Bei Obstipation sind eine regelmäßige Aufnahme von Ballaststoffen und eine ausreichende Trinkmenge zu bevorzugen, bei Diarrhoe sind insbesondere Kartoffeln, Reis oder Haferschleim sinnvoll.
Probiotika
Metaanalysen und kleinere plazebo-kontrollierte Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse bezüglich der Wirkung diverser Darmbakterienstämme (z. B. E. coli Stamm Nissle 1917, Bifidobacterium animalis, Bifidobacterium infantis, Bifidobacterium longum, Bifidobacterium bifidum, Bifidobacterium lactis, Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus rhamnosus, Lactobacillus casei Shirota, Lactobacillus plantarum, Streptococcus thermophilus). Unklar bleibt, von welchem Bakterium oder von welcher Kombination am ehesten eine Wirkung erwartet werden kann [27, 28, 29]. In der Erfahrungsheilkunde ist die Anwendung von Säuerungs- oder Gärprodukten, die das Wachstum physiologischer Darmkeime anregen sollen, weit verbreitet. So können Betroffene – eine individuelle Verträglichkeit vorausgesetzt – durch bestimmte Nahrungsmittel wie Kefir, Joghurt, Sauerkraut, milchsauer vergorenes Gemüse, Miso (Fermentationsprodukt aus Sojabohnen, Reis und Gerste) oder Tempeh (Fermentationsprodukt aus Soja) die Symptomatik positiv beeinflussen. Die diskutierten Wirkungen der Probiotika reichen von einer Verbesserung des Darmmilieus über die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren und eine Wachstumshemmung pathogener Darmkeime bis hin zu antiinflammatorischen und immunmodulatorischen Wirkungen an der Darmschleimhaut [30]. Die Studienlage erlaubt derzeit keine abschließende Bewertung der Wirksamkeit, allerdings erscheint ein Therapieversuch – bei individueller Verträglichkeit – vertretbar.
Flohsamen und Flohsamenschalen (Psylli semen)
Eine Obstipation kann ebenso wie die Diarrhoe mit Flohsamen oder Flohsamenschalen behandelt werden. Dies ist in der dualen Wirkungsweise – zum einen die Anregung der Peristaltik bei Obstipation sowie die Bindung von Flüssigkeit im Darm bei Diarrhoe – begründet. Allerdings ist darauf zu achten, dass im Falle der Obstipation ein Vorquellen der Flohsamenschalen vermieden wird. Die Quellung und damit die Volumenzunahme sollten im Darm erfolgen, um durch den Dehnungsreiz die Defäkation zu erleichtern.
In der Praxis hat sich bewährt, einen Teelöffel Flohsamen mit einer Tasse kaltem Wasser jeweils vor den Mahlzeiten einzunehmen und gut nachzutrinken. Die geeignete Flohsamenschalen-Dosierung beträgt 1 – 2 Teelöffel, die ebenfalls dreimal täglich zum Essen eingenommen werden können. Zudem sind entsprechende Fertigpräparate mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen erhältlich. Systematische Reviews [31, 32] bestätigten wiederholt die Wirkung von Flohsamen und Flohsamenschalen auf die Obstipation und die Reizdarmsymptomatik.
Pfefferminzöl (Menthae piperitae aetheroleum)
Bei Obstipation mit krampfartigen Schmerzen hat sich Pfefferminzöl in dünndarmlöslichen Kapseln bewährt. Eine sinnvolle Dosierung beträgt dreimal 0,2 ml Pfefferminzöl. Die Kapseln sollten jeweils 30 Minuten vor der Mahlzeit eingenommen werden. Ein systematischer Review [33] zeigte eine signifikante Überlegenheit von Pfefferminzöl gegenüber Plazebo. Zwei neuere plazebo-kontrollierte Studien zeigten ebenfalls nach vier bzw. acht Wochen Behandlung mit dünndarmlöslichen Pfefferminzöl-Kapseln signifikante symptomatische Besserungen (u. a. Verstopfung, Meteorismus, Durchfall, Schmerz, Stuhldrang) im Vergleich zu Plazebo. Die Tagesdosis lag in den beiden Studien zwischen 450 und 560 mg – aufgeteilt in zwei bis drei Einzelgaben. Die Behandlungsempfehlung für Kinder [34, 35, 36] wird mit dreimal 0,1 – 0,2 ml Pfefferminzöl täglich für maximal zwei Wochen angegeben.
Komplexe Rezeptur aus neun europäischen Einzeldrogen
Die Mehrzahl der qualitativ belastbaren Studien zu dieser Kombinationsrezeptur (Iberogast®) wurde zum Reizmagen unternommen und zeigte Hinweise auf eine Besserung von Meteorismus, Obstipation und Diarrhoe – allerdings ist die Studienlage beim Reizdarmsyndrom erheblich schlechter. Lediglich in einer Grundlagenarbeit und einer randomisierten, plazebokontrollierten Studie konnte eine Verminderung von abdominalen Schmerzen gezeigt werden [37, 38]. Eine geeignete Dosierung ist dreimal 20 Tropfen, in warmer Flüssigkeit möglichst vor den Mahlzeiten einzunehmen.
Artischockenblätterextrakt (Cynara scolymus)
Zwei retrospektive Befragungsstudien legen eine Wirksamkeit von Artischockenblätterextrakt auf Schmerz, Krämpfe, Meteorismus und Verstopfung bei Reizdarm-Patienten nahe. Unklar bleibt, welche Dosierung eingesetzt werden muss, um die gewünschten Effekte zu erreichen, da in den erwähnten Studien zwischen 320 mg und 1 920 mg (6 x 320 mg) eingesetzt wurden. Die Effekte wurden in den Studien nach einer Therapiedauer von zwei Monaten gesehen [39, 40].
Komplexe Rezeptur aus zwölf tibetischen Einzeldrogen (Padma Lax®)
Eine dreimonatige plazebokontrollierte Studie zeigte eine Überlegenheit der komplexen Rezeptur (bestehend aus Zingiber off., Rheum off., Rhamnus rubra, Rhamnus purshiana, Gentiana lutea, Terminalia chebula, Inula helenium, Aloe vera, Jateorhiza calumba, Gonolobus condurango, Piper longum, Strychnos nux vomica) bezüglich der Besserung von Verstopfung, abdominalem Schmerz und Meteorismus. Die Dosierung betrug zweimal 485 mg täglich [41, 42]. Das Präparat kann auf ärztliche Verordnung über internationale Apotheken aus der Schweiz importiert werden.
Komplexe Rezeptur aus vier chinesischen Einzeldrogen
In mehreren Arbeiten zu einer traditionell bei Reizdarm angewandten Rezeptur aus der traditionellen chinesischen Medizin (Atractylodis chin., Paeonia lactiflora, Citrus reticulata, Saposhnikovia divaricata) zeigten sich Effekte auf abdominalen Schmerz, Meteorismus und Diarrhoe. Interessant ist, dass die Autoren eines Reviews zu dieser Rezeptur zu dem Schluss kommen, dass Effekte bis zu sechs Monate nach Ende der Therapie zu beobachten sind. Letztlich bleibt die Studienlage diesbezüglich unklar, da in einer Vergleichsstudie keine Überlegenheit dieser Rezeptur gegenüber Plazebo gefunden werden konnte [43, 44].
Akupunktur und Moxibustion
Obwohl die Studienlage Verbesserungen von abdominalen Schmerzen, Meteorismus und der Stuhlkonsistenz nahelegt, bleibt unklar, ob die traditionelle chinesische Nadelakupunktur einer Plazebo-Akupunktur tatsächlich überlegen ist [45, 46]. Sofern die Akupunktur als Behandlungsoption in der Praxis zur Verfügung steht, sind Effekte bereits nach einer vierwöchigen Behandlungszeit bei zwei Sitzungen pro Woche beschrieben [47].
Erfahrungsheilkundliche Behandlungsmöglichkeiten
Gelbwurz (Curcuma longa)
In einer Pilotstudie [49] besserte die Einnahme von 72 oder 144 mg Gelbwurz-extrakt (Curcuma longa) die Lebensqualität bei Reizdarm-Beschwerden. Eine der wenigen qualitativ hochwertigen, plazebokontrollierten Studien allerdings zeigte für dieses in der traditionellen Phytotherapie häufig eingesetzte Produkt keine Überlegenheit gegenüber Plazebo [48].
Nebenwirkungen und Gefahren
Unerwünschte Therapiewirkungen durch pflanzliche Präparate zeigten sich in den bisherigen Studien zu gastrointestinalen Beschwerden bei weniger als 10 % der Patienten und in aller Regel als mild und vorübergehend – ohne die Notwendigkeit, die jeweiligen Mittel abzusetzen. Die Symptomatik reichte von einer Verstärkung gastrointestinaler Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Blähungen, saures Aufstoßen, Bauchschmerzen, bis hin zu Schulter- und Rückenschmerzen, Müdigkeit, Benommenheit und Krampfanfällen. Am häufigsten traten unerwünschte Wirkungen bei Pfefferminz-Kümmel-Kombinationen auf [14].
Zusammenfassung
Bei gastrointestinalen Beschwerden sollten eine individuell verträgliche Ernährung, eine regelmäßige aber moderate Ausdauerbewegung und ein adäquates Stressmanagement angestrebt werden.Bei Beschwerden im oberen Gastrointestinaltrakt kann eine Behandlung mit pflanzlichen Kombinationspräparaten aus Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchten, Mariendistelfrüchten, Melissenblättern, Pfefferminzblättern, bitterer Schleifenblume, Schöllkraut und Süßholzwurzel (Iberogast®) oder einer Pfefferminz-Kümmel-Kombination versucht werden.
Reizdarmbeschwerden sollten zunächst mittels Flohsamen/Flohsamenschalen oder dünndarmlöslicher Pfefferminzöl-Kapseln behandelt werden. Probiotika können eine weitere sinnvolle Option sein. Die Verordnung komplexer Rezepturen ist bei Therapieresistenz im Einzelfall zu erwägen.
Eine sinnvolle Therapiedauer, die auch den Betroffenen zu vermitteln ist, liegt in der Regel nicht unter vier Wochen.
Interessenkonflikte: keine deklariert
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Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (6) Seite 44-50