Die Endoskopie wird zu Diagnose und Management der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) verbreitet eingesetzt. Die verfügbare Evidenz spricht dafür, diese Untersuchung nur bei bestimmten Indikationen vorzunehmen. Überdiagnostik bedeutet – auch in dieser klinischen Situation – höhere Kosten und unnötige Risiken ohne Verbesserung des Outcomes.

Das Clinical Guidelines Committee des American College of Physicians (ACP) hat in multidisziplinärer Zusammensetzung die Literatur zur Endoskopie bei GERD und zur Epidemiologie des Speiseröhrenadenokarzinoms zusammengetragen und die Guidelines verschiedener Berufsorganisationen studiert, ohne einen formellen systematischen Review vorzunehmen.

GERD, Barrett-Ösophagus und Adenokarzinom

Die Definition der Refluxkrankheit stellt auf die Symptome Sodbrennen und saures Aufstoßen ab und verlangt nicht notwendig eine Gewebeschädigung. Tatsächlich haben 50 bis 80 % der Betroffenen eine nicht erosive Refluxerkrankung. Ungefähr 10 % der Patienten mit chronischem Sodbrennen weisen jedoch einen Barrett-Ösophagus mit metaplastischen Veränderungen auf, in denen das normale Pflasterzellepithel der Speiseröhre zu einem spezialisierten Zylinderepithel umgewandelt wird. Sowohl GERD wie Barrett-Ösophagus sind mit einem erhöhten Risiko für ein Adenokarzinom assoziiert. Zwar bleibt das Risiko für diesen Speiseröhrenkrebs in der Allgemeinbevölkerung sehr niedrig, hat sich aber in den letzten 40 Jahren in den USA verfünffacht. Die Prognose dieses Karzinoms ist mit 5-Jahres-Überlebensraten von unter 20 % schlecht.

Das Adenokarzinom der Speiseröhre kann sich aus einem Barrett-Ösophagus über progressive Dysplasiestadien entwickeln. So beträgt das Krebsrisiko bei Barrett-Ösophagus ohne Dysplasie 0,1 bis 0,5 % pro Patientenjahr, bei schon hochgradiger Dysplasie hingegen 6 bis 19 % pro Patientenjahr.

Adenokarzinom-Screening

Von einer Endoskopie erhofft man sich vielerorts eine frühere Diagnose und Mortalitätsreduktion bei Speiseröhrenkrebs. Obwohl dies theoretisch einleuchtend erscheint, ist der Nutzen von Screeningprogrammen bei Barrett-Ösophagus begrenzt. Zum einen haben GERD-Symptome eine geringe Sensitivität und Spezifität als Prädiktoren des Krebsrisikos, denn rund 40 % der Patienten mit Adenokarzinom der Speiseröhre haben kein Sodbrennen, und bei über 50-Jährigen mit Sodbrennen wird das jährliche Krebsrisiko auf gerade einmal 0,04 % geschätzt. Zum anderen bedeuten andere Faktoren als Sodbrennen eine wesentlich höhere Gefährdung. Männer haben nämlich ein weitaus höheres Risiko für Ösophaguskarzinom als Frauen, ungefähr 80 % dieser Krebsfälle treten bei Männern auf. Außerdem können Endoskopien mit Biopsien Dysplasien verpassen, und auch die Beurteilung der Histologie ist alles andere als einfach.

Die Nützlichkeit der endoskopischen Überwachung wird auch durch die niedrige Inzidenz von Adenokarzinomen bei nicht dysplastischem Barrett-Ösophagus limitiert. Eine Studie bei solchen Patienten fand nach fünfjährigem Follow-up bei weniger als 2 % ein Karzinom. Als wichtigsten Kritikpunkt nennen die Autoren der ACP-Empfehlungen jedoch das Fehlen von direkter Evidenz, dass Screening und endoskopische Überwachungsprogramme zu einer Abnahme der Mortalität an Speiseröhrenkrebs führen.

Wann Endoskopie bei chronischer GERD?

Meistens ist es der Hausarzt, der zuerst mit den Refluxsymptomen konfrontiert wird und entscheiden muss, welches das geeignete Vorgehen ist. Bei den meisten Patienten mit typischen GERD-Symptomen wie Sodbrennen und saurem Aufstoßen ist ein empirischer Therapieversuch mit einem Protonenpumpeninhibitor (PPI) als tägliche Einmaldosis gerechtfertigt und eine Endoskopie nicht indiziert. Ist diese Behandlung nicht erfolgreich, kann auf eine Verabreichung zweimal pro Tag gewechselt werden. Wenn eine derart intensivierte PPI-Therapie über vier bis acht Wochen nicht zum Erfolg geführt hat, wird eine Endoskopie empfohlen (Kasten 1). Dabei kann jeder der zugelassenen PPI (Kasten 2) Anwendung finden, da die absoluten Wirksamkeitsunterschiede hinsichtlich Symptomkontrolle und Gewebeheilung gering sind, wie die Guidelineautoren festhalten. Für die meisten PPI bietet eine Dosierung 30 bis 60 Minuten vor einer Mahlzeit die optimale Wirksamkeit.

Im Gegensatz zu den unterschiedlichen Einschätzungen des Endoskopiescreenings auf Ösophaguskarzinom ist der Stellenwert der Endoskopie in mehreren klinischen Situationen gut begründet. Bei GERD mit Alarmsymptomen wie Dysphagie, Blutung, Anämie, Gewichtsverlust oder rezidivierendem Erbrechen kann die Endoskopie Befunde aufdecken, die von klinischer Bedeutung und potenziell behandelbar sind, wie Speiseröhren- oder Magenkrebs, blutende Läsionen oder Stenosen von Ösophagus oder Pylorus. So fand eine Analyse von rund 30 000 endoskopierten Patienten mit Dysphagie bei über der Hälfte wichtige Befunde, meist eine Speiseröhrenstriktur.

Auch Patienten mit einer dokumentierten schweren erosiven Ösophagitis haben unter PPI-Behandlung zu einem gewichtigen Teil eine inkomplette Abheilung und können einen Barrett-Ösophagus aufweisen. Deshalb wird hier nach achtwöchiger PPI-Therapie eine Kontrollendoskopie empfohlen, um eine ungenügende Abheilung oder einen Barrett-Ösophagus auszuschließen. Zeigt diese Kontrollendoskopie normale Befunde, sind weitere Routineendoskopien nicht indiziert.

Der Einsatz der Endoskopie bei Ösophagusstrikturen im Rahmen einer GERD orientiert sich weitgehend an den Symptomen. Da Rezidive häufig sind, können wiederholte Endoskopien und Dilatationen notwendig sein. Bei Patienten mit anamnestischer Striktur, die aber diesbezüglich symptomfrei bleiben, ist eine Routineendoskopie nicht nötig.

Wie ist aber das Vorgehen bei Patienten mit gut kontrollierten Refluxsymptomen? Die ACP-Empfehlungen geben dazu folgende Anhaltspunkte: Da das absolute Krebsrisiko bei Frauen gering ist, kann ein endoskopisches Routinescreening für Frauen nicht empfohlen werden. Analog ist wegen der sehr niedrigen Inzidenz von Adenokarzinomen des Ösophagus bei jüngeren Patienten ein Routinescreening erst bei Männern mit GERD-Symptomen über 50 Jahre ins Auge zu fassen, allerdings auf einer individualisierten Basis und unter Berücksichtigung der geringen Qualität der entsprechenden Evidenz. Bei der Indikationsstellung zu endoskopischen Screeninguntersuchungen sollen auch immer die Lebenszeit begrenzenden Komorbiditäten berücksichtigt werden.

Für Patienten, bei denen endoskopisch ein Barrett-Ösophagus gefunden wurde, schlagen viele Organisationen eine endoskopische Überwachung vor. Auch hierzu halten die ACP-Empfehlungen jedoch fest, dass Beobachtungsstudien bloß einen Unterschied zugunsten des Screenings fanden, wenn dieses mit Patienten verglichen wurde, die mit Symptomen zum Arzt kamen. Zur Wahl des Intervalls der Kontrollendoskopien bei Barrett-Ösophagus gibt es keine Vergleichsstudien. Auf Basis des natürlichen Verlaufs und von Expertenmeinungen werden Intervalle von drei bis fünf Jahren empfohlen. In kürzeren Abständen sollten jedoch jene Patienten überwacht werden, die niedrig- oder hochgradige Dysplasien entwickelt haben, da sie ein höheres Risiko einer Progression zum Karzinom tragen.

Ein Problem kann sich ergeben bei Patienten mit chronischen GERD-Symptomen, deren Endoskopie keinen Barrett-Ösophagus nachwies. Sie werden sich wundern, dass bei ihnen keine Kontrolluntersuchungen mehr angezeigt sein sollen, wo doch alle anderen Krebsvorsorgeuntersuchungen periodisch wiederholt werden sollen, wie dem Publikum immer wieder erklärt wird. Patienten mit chronischen GERD-Symptomen von fünf und mehr Jahren Dauer, deren initiale Endoskopiebefunde negativ waren, benötigen kein weiteres Screening, selbst wenn sie weiterhin säurehemmende Medikamente einnehmen, betont das ACP-Guideline-Komitee. Beobachtungsdaten zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines Barrett-Ösophagus innerhalb von fünf Jahren nach einem negativen Endoskopiebefund unter 2 % liegt, serielle Kontrolluntersuchungen somit eine zu geringe Ausbeute ergäben.

Folgt die Praxis der Evidenz?

Obwohl die Datenlage nicht üppig ist, gibt es viele Hinweise, dass Ärzte die Betreuung von GERD-Patienten oft nicht im Sinn der Empfehlungen gestalten. Häufige Fehlindikationen sind serielle Endoskopien bei GERD ohne Barrett-Ösophagus und zu kurze Überwachungsintervalle bei Patienten mit Barrett-Ösophagus.

Als vermutete Gründe für zu viele Endoskopien werden haftungsrechtliche Bedenken genannt, aber auch finanzielle Interessen von Endoskopikern oder falsche Erwartungen der Patienten und ihrer Hausärzte. Daher ist die Diskussion des tatsächlichen Krebsrisikos wichtig. Sowohl Patienten wie Hausärzte sollten sich durch die Diagnose einer „präkanzerösen Läsion“ nicht zu einer endoskopischen Überwachung in zu kurzen Abständen verleiten lassen, schreibt das ACP-Guideline-Komitee.

Immerhin darf die obere Endoskopie des Verdauungstrakts als Prozedur mit geringem Risiko gelten. Komplikationen kommen im Häufigkeitsbereich zwischen 1:1 000 und 1:10 000 vor und betreffen Perforationen, kardiovaskuläre Ereignisse oder Todesfälle. Andere, seltene, aber reale Risiken sind Aspirationspneumonie, Ateminsuffizienz, Hypotonie, Rhythmusstörungen und andere Reaktionen auf Anästhetika. Obwohl alle diese Risiken sehr gering sind, fallen sie ins Gewicht, wenn Endoskopien an sehr großen Patientenzahlen durchgeführt werden. Kosten verursachen überdies durch Endoskopiebefunde ausgelöste weitere Untersuchungen oder unnötige Therapien.

Was können Hausärzte zu einem vernünftigen Endoskopieeinsatz beitragen?

Die ACP-Empfehlungen plädieren generell für einen sorgfältigen Umgang mit der Indikation zur Endoskopie bei unkomplizierter Refluxkrankheit, da die Untersuchung angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit für Speiseröhrenkrebs nicht notwendig ist und auch für die Lenkung der Therapie kaum etwas bringt. Dies muss mit den Patienten ausführlich besprochen werden. Steht eine Endoskopie bei GERD im Raum, raten die ACP-Empfehlungen, den Patienten „zur Beurteilung“ an den Spezialisten zu überweisen – aber nicht direkt „zur Endoskopie“.

Halid Bas

Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 4/2013


Literatur:
Nicholas J. Shaheen et al. for the Clinical Guidelines Committee of the American College of Physicians: Upper endoscopy for gastroesophageal reflux disease: Best practice advice from the Clinical Guidelines Committee of the American College of Physicians. Ann Intern Med. 2012; 157: 808 – 816.


Interessenkonflikte: Die Originalpublikation hält fest, dass alle möglichen finanziellen und nicht finanziellen Interessenkonflikte der Mitglieder des Komitees deklariert, diskutiert und gemäß den Vorgaben des American College of Physicians gelöst wurden.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (7) Seite 47-50