Patienten mit einer angeborenen Thrombophilie haben ein erhöhtes Thromboserisiko. Macht es deshalb Sinn, bei jedem Patienten nach überstandener Thrombose oder Embolie ein Thrombophilie-Screening zu starten? Hätte das Ergebnis überhaupt in jedem Fall Konsequenzen? Wie so oft kann diese Frage nicht grundsätzlich mit Ja oder Nein beantwortet werden. Das Vorgehen richtet sich vielmehr nach der individuellen Situation.

Verschiedene nationale Gesellschaften haben aufgrund von Studiendaten Richtlinien zur Thrombophiliediagnostik veröffentlicht. Auf der Grundlage der eher liberalen französischen und der restriktiveren britischen Guidelines sind Schweizer Hämatologen zu einem ihrer Meinung nach sinnvollen Kompromiss gekommen¹, der im Folgenden vorgestellt werden soll.

Unter einer Thrombophilie versteht man eine Störung des Hämostasesystems, die angeboren oder erworben sein kann und mit einer erhöhten Thromboseneigung einhergeht. Zu den wichtigsten hereditären Störungen gehören der Antithrombin-, der Protein-C- und der Protein-S-Mangel sowie die Genmutationen Faktor-V-Leiden und Faktor II (ProthrombinGen-Mutation). Das Antiphospholipid-Syndrom ist die wichtigste über einen Laborwert (Anti-Cardiolipin-AK, Anti-Beta2-Glykoprotein-I-AK, Lupus-Antikoagulans) erfassbare erworbene Thrombophilie.

Risikofaktoren erfassen

Eine Thrombophilie erhöht das Risiko für eine erste venöse Thrombose um das Zwei- bis Zehnfache. Da das Thrombophilie-Screening aber relativ teuer ist, sollte man es differenziert einsetzen, schreiben die Schweizer Hämatologen. Um entscheiden zu können, ob ein Thrombophilie-Screening nach überstandener Thromboembolie Sinn macht, muss man zunächst die individuelle Risikosituation erfassen. Zuerst ist dabei die Frage zu klären, ob die Thromboembolie durch einen Trigger ausgelöst wurde. Man spricht dann von einem provozierten Ereignis. Zu den starken Triggern zählen Gipsimmobilisation oder Fraktur einer Extremität, Operation mit Vollnarkose, Bettlägerigkeit von mehr als drei Tagen und aktive Krebserkrankung. Schwächere Trigger sind Schwangerschaft, Wochenbett, östrogenhaltige Kontrazeptiva oder Flugreisen über sechs Stunden. Diese provozierten Thrombosen sind mit einem deutlich kleineren Rezidivrisiko verbunden als nicht provozierte (idiopathische) Thrombosen.

Ein weiterer Risikofaktor für Thromboembolien ist ein Alter über 60 Jahre. Ab diesem Alter kann eine hereditäre Thrombophilie das Risiko nicht mehr signifikant erhöhen. Ob eine positive Familienanamnese (Geschwister, Eltern, Kinder) das Risiko für ein Thromboembolie-Rezidiv erhöht, ist derzeit nicht abschließend geklärt.

Thrombophilie-Screening bei der Indexperson

Grundsätzlich sollte man ein Thrombophilie-Screening (Übersicht 1) bei allen Patienten mit einer ersten proximalen tiefen Beinvenenthrombose oder Lungenembolie und einem Alter unter 60 Jahren veranlassen (vgl. Übersicht 2). Bei über 60-Jährigen wird das aufgrund des Alters schon erhöhte Thromboembolierisiko durch eine zusätzlich vorliegende Thrombophilie nicht wesentlich beeinflusst. Handelt es sich um einen Mann oder um eine postmenopausale Frau und sind eindeutige Trigger vorhanden, kann man ebenfalls auf ein Screening verzichten. Auch bei rezidivierten nicht provozierten Thromboembolien hilft das Screening nicht weiter. Denn bei diesen Patienten würde man ohnehin unabhängig vom Screening-Ergebnis eine zeitlich unlimitierte Antikoagulation empfehlen.

Und wann sollte man screenen? Die Autoren empfehlen als günstigen Zeitpunkt ca. drei Monate nach Beginn der Antikoagulation. In der Akutphase einer Thromboembolie können falsch pathologische Werte gemessen werden, weil Antithrombin, Protein C und Protein S wegen des vermehrten Verbrauchs möglicherweise sehr niedrig ausfallen. Alle pathologischen Werte sollten nochmals kontrolliert werden. Bei fraglich positiven Protein-C- und Protein-S-Werten kann man überlegen – falls man die Dauer der Antikoagulation vom Ergebnis des Screenings abhängig machen will – die Messung vier Wochen nach Absetzen der Antikoagulation zu wiederholen. In dem Fall muss man so lange mit einem niedermolekularen Heparin (1 x 100 E/kg KG/Tag) überbrücken.

Ob eine Antikoagulation bei Unterschenkelthrombosen oder oberflächlichen Venenthrombosen durchgeführt werden soll, ist umstritten. Noch gibt es dazu wenige Daten. Dies gilt auch für den Fall des Nachweises einer Thrombophilie. Die Autoren raten daher bei diesen Patienten von einem routinemäßigen Screening ab. Spricht die klinische Situation für eine hereditäre Thrombophilie und ist der Patient jünger als 60 Jahre, plädieren sie jedoch bei Unterschenkelthrombose dennoch für eine Abklärung. Mit Retina-Venenthrombosen zeigen die hereditären Thrombophilien nur eine schwache Assoziation. Daher raten die Experten in einer solchen Situation von einem Screening ab.

Starke Trigger für eine Thrombose sind ua. Gipsimmobilisation, Operation und Bettlägerigkeit über mehr als drei Tage.

Thrombophilie-Screening bei Familienangehörigen

Ist bei einem Patienten eine schwere hereditäre Thrombophilie nachgewiesen (vgl. Übersicht 2), sollte man bei erstgradigen Verwandten auch gezielt nach dieser Störung fahnden. Bei positivem Befund würde man versuchen, Risikofaktoren zu vermeiden, also z. B. keine östrogenhaltigen Kontrazeptiva verordnen oder bei langen Flügen eine Thromboembolie-Prophylaxe vornehmen. Bei Frauen, bei denen die Entscheidung zu einer östrogenhaltigen Kontrazeption ansteht, sollte man ein Thrombophilie-Screening durchführen, wenn bei erstgradigen Verwandten Thromboembolien vorgekommen bzw. hereditäre Thrombophilien bekannt sind.

Dr. med. Vera Seifert


Literatur
1) Prof. Dr. med. Dimitrios A. Tsakiris et al.: Thrombophiliescreening 2011: Wer soll wann untersucht werden?, Praxis 2012; 101 (7): 465 – 471

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (8) Seite 54-55