Vor zwei Jahren hat der Hausarzt bei einem 43-jährigen Patienten im Differenzialblutbild - quasi als Zufallsbefund - eine deutlich erhöhte Anzahl an Eosinophilen festgestellt. Anamnestisch und in ersten Tests fanden sich keine Hinweise auf eine Allergie oder Infektion als Auslöser der fortbestehenden, asymptomatisch verlaufenden Eosinophilie. Wie soll der Hausarzt weiter vorgehen?

Aufgrund des symptomlosen Verlaufs einfach zuzuwarten, ist für PD Dr. med. Ulrich Mey vom Kantonsspital Graubünden, Chur [1], keine tragbare Option: Um Schäden an Geweben und Endorganen zu vermeiden, müsse ein Patient, bei dem die Eosinophilenzahl dauerhaft deutlich erhöht ist, unbedingt behandelt werden. Solche Organdysfunktionen, die sich unter anderem als Dyspnoe, Herzinsuffizienz, Pleuraergüsse oder neurologische Symptome äußern, können unabhängig vom Auslöser der Eosinophilie durch eosinophile Infiltrate entstehen.

Atopie, Medikamente, Parasiten?

Differenzialdiagnostisch gilt es zunächst, den möglichen Ursachen einer sogenannten sekundären Eosinophilie nachzugehen, betont Mey (s. Übersicht). Diese Form entsteht in Reaktion auf Allergene oder Parasiten und ist einer spezifischen Behandlung zugänglich. Weltweit gelten Parasitosen als häufigste Auslöser einer Eosinophilie, in unseren Breiten stecken dagegen oft Atopien, Autoimmun­erkrankungen und Medikamente dahinter. Auch endokrine Ursachen (z.B. Morbus Addison) und Neoplasien (maligne Lymphome, solide Tumoren) kommen in Betracht (Tabelle).

Eine sorgfältige Anamnese mit Fragen zu Allergien, Reisen und eingenommenen Medikamenten liefert meist rasch Hinweise auf mögliche Ursachen. Je nach den Angaben des Patienten und den Befunden der körperlichen Untersuchung legt der behandelnde Arzt fest, welche Stuhl- und Laboruntersuchungen nötig sind bzw. welches Spektrum parasitärer Erreger in Frage kommt. Da auch eine HIV-Infektion eine Eosinophilie auslösen kann, sollte stets auch ein AIDS-Test erfolgen, mahnt Mey.

Anamnese und Stuhltests unauffällig

Im Fall des 43-Jährigen lag allerdings weder eine atopische Prädisposition vor noch litt der langjährige starke Raucher (Belastung von ca. 35 Packungsjahren) an Asthma. Er hatte auch nicht regelmäßig Medikamente eingenommen, Allergien oder rheumatische Erkrankungen waren ebenfalls nicht aufgetreten. Auch in der Familienanamnese ergaben sich keine Hinweise auf Allergien oder Asthma. Eine immunologisch-rheumatische Genese schloss der Hausarzt demzufolge ebenso aus wie eine medikamentenassoziierte Eosinophilie. Der Patient, ein gebürtiger Bosnier, der seine Heimat vor rund 19 Jahren verlassen hatte, gab zudem an, noch nie in den Tropen gewesen zu sein. Mehrfach veranlasste Stuhluntersuchungen auf parasitäre Erreger blieben unauffällig.

Weiterführende Diagnostik mit bildgebenden Verfahren und Serologie

Bei der körperlichen Untersuchung fand der Hausarzt zuletzt lediglich leicht prominente zervikale Lymphknoten. Eine Abdomensonographie, Echokardiographie, Lungenfunktionsprüfung sowie ein Röntgenbild des Thorax zeigten keine Auffälligkeiten. Die jüngste Labordiagnostik bestätigte eine milde Leukozytose (12,9 g/l) mit deutlich erhöhtem Eosinophilenanteil (31,5 %, normal: 2,0 - 4,0 %). Dies entspricht einer absoluten Eosinophilenzahl von 4 063/µl (Norm < 600 µl). Der Plasma-IgE-Spiegel war mit 1 081 kU/L (Norm < 166 kU/L) deutlich erhöht. Der AIDS-Test blieb negativ.

Weiterhin nach Infektionen fahnden Trotz der bereits durchgeführten Stuhluntersuchungen steht nach wie vor der Ausschluss einer infektiösen, vor allem parasitären Erkrankung mittels Serologie an erster Stelle, betont Mey, den der Hausarzt schließlich als Experten hinzugezogen hatte. Wichtige Erreger seien Würmer (Helminthen), insbesondere Strongyloides stercoralis (Zwergfadenwürmer), Hakenwürmer und Toxocara canis (Hundespulwurm). Ihre Inzidenz in unseren Breiten werde unterschätzt.

Parasiten-Serologie ausschöpfen!

Da der Schweregrad der Eosinophilie z.B. bei Strongyloidiasis stark variieren kann und Larven über den Stuhl kaum oder intermittierend ausgeschieden werden, lässt sich die Diagnose nur durch serologische Tests stellen, so Mey. Die Agarplattenkultivierung bleibt die am weitesten verbreitete und empfohlene Technik. Sensitivität und Spezifität des antikörperbasierten Nachweisverfahrens ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) erreichen fast 100 %, wenn spezifische Antigene präsentiert werden, berichtet Mey.

Im vorliegenden Fall verlief die serologische Diagnostik negativ für Trichinella, Toxocara canis, Echinococcus multilocularis, Cysticercosis, Gnathostoma und Echinococcus granulosus. Bestehen blieb eine positive Serologie für Strongyloides stercoralis.

„Souvenir“ aus dem Heimatland

Die Diagnose lautete daher Strongyloidiasis, auch wenn gezielte Stuhluntersuchungen auf Larven erneut negativ verliefen. Der Patient hat sich höchstwahrscheinlich bereits in jungen Jahren in Bosnien infiziert, vermutet Mey. Die Infektion könne ohne wesentliche klinische Beeinträchtigung über Jahrzehnte persistieren. Die Prävalenz von Strongyloidiasis in Bosnien gebe die Literatur mit bis zu 7,3 % an.

Bei Parasitosen Vorsicht mit Steroiden

Der 43-Jährige erhielt eine antiparasitäre Therapie mit Ivermectin (200 µg/kg Körpergewicht) für zwei Tage. Die hämatologische Verlaufskontrolle nach zwei Wochen zeigte einen deutlichen Abfall der absoluten Eosinophilenzahl. Drei Monate später hatte sie sich normalisiert.

Warum es so wichtig ist, gründlich nach dem Auslöser der Eosinophilie zu fahnden und therapeutisch nicht gleich an der überschießenden Immun­antwort anzusetzen, begründet Mey so: Hätte der Hausarzt eine sekundäre Eosinophilie vorzeitig ausgeschlossen, wäre - da auch keine hämatologische Neoplasie vorlag - angesichts der persistierenden Eosinophilie mit einer absoluten Zellzahl im peripheren Blut &gt;?1?500/µl ein idiopathisches hypereosinophiles Syndrom (HES) zu vermuten gewesen. Steroide, in diesem Fall Therapie der Wahl, können bei Strongyloidiasis jedoch schon nach ein- bis zweiwöchiger Immunsuppression lebensbedrohliche Hyperinfektionssyndrome zur Folge haben.


Stefanie Lindl-Fischer


Literatur
1) Praxis 2012; 101 (7): 483 - 487

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (12) Seite 48-49