Ab einem Alter von 12 bis 13 Jahren suchen Jugendliche zunehmend ihren Hausarzt auf und sind kaum mehr in den Kinderarztwartezimmern zu finden [1]. Zudem kommt bereits mit sechs Jahren auf zwei Besuche beim Kinderarzt ein Besuch beim Hausarzt. Somit steigt zunehmend auch die Bereitschaft, die Vorsorgeuntersuchungen beim Hausarzt durchführen zu lassen. Diese Chance sollten Sie nutzen.

Ein Vorsorgeangebot durch den Hausarzt stärkt die Hausarztbindung und fördert Vertrauen, nimmt die Sorgen der Eltern ernst, gibt Sicherheit und zeigt unsere hausärztliche Kompetenz in Gesundheitsbildung und Prävention. Gründe genug, die Früherkennungsuntersuchungen zu kennen und sie auch anzubieten.

Wo liegen unsere Stärken als Haus- und Familienarzt?

Wir kennen das häusliche Milieu, haben eine Vorstellung vom sozialen Status der Familien und können aus dieser Kenntnis auf besorgte Eltern eingehen und Erziehungsprobleme frühzeitig erkennen.

Wir können Erziehungshilfen anbieten, Überweisungen zum nächstgelegenen SPZ (Sozialpädiatrischen Zentrum) tätigen, ein Angebot von Logo-/Ergotherapie sowie Krankengymnastik oder Rehasport veranlassen.

Wir können die Kinder mit Schulproblemen gezielt weiterleiten zur Austestung einer Teilleistungsschwäche oder eine stationäre Reha beantragen zur Stärkung der Eigenständigkeit oder im Rahmen einer weiteren Abklärung. Nicht zuletzt sollten wir die Impfungen kontrollieren und komplettieren.

Was sind die Voraussetzungen?

Um diese Vorsorgeuntersuchungen anbieten zu können, bedarf es natürlich eines pädiatrischen Grundwissens, das viele sich in ihrer Laufbahn erwerben konnten und trotzdem zögern, es im Praxisalltag umzusetzen.

Die Grundvoraussetzungen für Kinder-Vorsorgeuntersuchungen sind fast in jeder Praxis vorhanden:

  • kindgerechte Mess- und Wiegemöglichkeit
  • Stereotest nach Lang (Abb. 1), Audiometer (Abb. 2)
  • Kinder-Blutdruckmanschette (Abb. 3), Kinder-Stethoskop
  • kindgerechte Sehtafel (Abb. 4)
  • Ball, Bausteine, Farbsteine (Abb. 5)
  • Buntstifte und Papier

Die Untersuchungen U7a, U8, U9 und J1 kann jeder Hausarzt abrechnen. Darüber hinaus sollen im Folgenden die wichtigsten Schwerpunkte der genannten sowie der „neuen Untersuchungen“ U10 (7. – 8. LJ), U11 (9. – 10. LJ) und J2 (16. – 17. LJ) vorgestellt werden, die bisher nur bei einigen Krankenkassen mit einer Sondergenehmigung von uns Hausärzten abgerechnet werden können.

U7a

34.–36. Lebensmonat

Allergische Erkrankungen, Sozialisations- und Verhaltensstörungen, Übergewicht, Sprachentwicklungsstörungen, Zahn-, Mund- und Kieferanomalien.

U8

46.–48. Lebensmonat

Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit des Kindes sowie Reflexe, Muskelkraft, Aussprache und Zahnstatus.

U9

60.–64. Lebensmonat

Die U9 findet im Jahr vor der Einschulung statt und ist damit besonders wichtig. Grob- und Feinmotorik, das Sprachverständnis sowie das Hör- und Sehvermögen werden geprüft.

U10

7.–8. Lebensjahr

Umschriebene Entwicklungsstörungen (z. B. Lese-Rechtschreib-Rechenstörungen), Störungen der motorischen Entwicklung und Verhaltensstörungen (z. B. ADHS).

U11

9.–10. Lebensjahr

Schulleistungsstörungen, Sozialisations- und Verhaltensstörungen, gesundheitsschädigendes Medienverhalten. Bewegungs- und Sportförderung, problematischer Umgang mit Suchtmitteln.

J1

13.–15. Lebensjahr

Haltungsanomalien, Impfstatus, Strumaprophylaxe, Blutdruck, besondere familiäre Situationen, schulische Entwicklung, Gesundheitsverhalten, Motorik, Pubertätsentwicklung.

J2

17.–18. Lebensjahr

Pubertäts- und Sexualitätsstörungen, Haltungsstörungen, Strumaprophylaxe, Diabetes-Vorsorge, Sozialisations- und Verhaltensstörungen, begleitende Beratung bei der Berufswahl.

Zur Dokumentation der „neuen Vorsorgeuntersuchungen“ wurde ein neues zusätzliches Vorsorgeheft entwickelt, in dem auch der sogenannte Mannheimer Fragebogen enthalten ist, ein Anamnesebogen mit 63 altersspezifischen Fragen zur Erleichterung der Anamnese. Da der BVKJ (Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.) meint, dass nur Kinderärzte und Hausärzte mit Sonderzulassung dieses Vorsorgeheft verwenden dürfen, entwickelt der Ausschuss Pädiatrische Versorgung im Deutschen Hausärzteverband zzt. eigene Fragebögen und Untersuchungsunterlagen. Sie werden in übersichtlicher Form die wesentlichen Aspekte der Vorsorgeuntersuchungen zusammenfassen und demnächst jedem interessierten Kollegen zur Verfügung stehen.


Literatur:
1) Barmer-Studie 2008 zur Kontakthäufigkeit in Hausarzt- und Kinderarztpraxen SGB V § 26



Autor:

Ulrike Alpers, Büchenbeuren

Ärztin für Allgemeinmedizin
Mitglied im Ausschuss Pädiatrische Versorgung im Hausärzteverband
55491 Büchenbeuren

Interessenkonflikte: keine deklariert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (9) Seite 40-42