Gestationsdiabetes ist ein hoher Risikofaktor schwangerer Frauen für die Entstehung metabolischer und kardiovaskulärer Erkrankungen. Nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind ist vom Glukose-Stoffwechsel in der Schwangerschaft betroffen, der die körperliche und kognitive Entwicklung bis ins Erwachsenenalter prägen kann. Dies sollte die Hausärzt:in bei allen Patientinnen nach durchlebtem Gestationsdiabetes berücksichtigen und Diabetes-Präventionsmaßnahmen wie Lebensstilinterventionen einleiten.

KASUISTIK – Dreifache Mutter mit GDM
Eine 37-jährige Mutter mit Normalgewicht (BMI: 21,4) entwickelt in ihrer dritten Schwangerschaft einen Gestationsdiabetes, der sich durch Ernährungsumstellung und Blutzucker-Selbstkontrolle gut einstellen lässt. In der 39. Schwangerschaftswoche wird ihre Tochter durch geplante Sectio entbunden (Geburtsgewicht: 3.100 g, Geburtslänge: 51 cm). Die APGAR-Werte liegen eine, fünf und zehn Minuten nach Entbindung bei jeweils zehn.

Im Rahmen einer Studie wurde zwei Jahre nach Entbindung ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Glukose bei der Frau vorgenommen, der eine gestörte Glukosetoleranz (IGT) mit einem Zwei-Stunden-Blutzuckerwert von 159 mg/dl (8,8 mmol/) zeigte. Die Patientin wurde mit einem sechsmonatigen Lebensstilinterventionsprogramm (Ernährungsberatung, gesteigerte körperliche Aktivität) behandelt. Bei wiederholtem oGTT sechs Monate nach Start der Maßnahme waren die Plasmaglukosewerte wieder im Normbereich, wodurch ihr Diabetesrisiko sank. Die Patientin hielt sich auch nach Studienende an die erlernte Lebensstiländerung, so dass die Plasmaglukosewerte auch zwei Jahre danach noch im Normalbereich lagen.

Gestationsdiabetes (GDM) ist definiert als eine Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft auftritt. Ursache ist meist eine ungenügende Insulinsekretion bei Schwangerschafts-physiologischer Insulinresistenz. Zur Diagnose wendet man in Deutschland ein zweistufiges Testverfahren an: Zwischen der 24. und 28. SSW wird zu einer beliebigen Tageszeit ein Suchtest mit 50 g Glukose durchgeführt (vgl. Kasuistik). Wird nach einer Stunde ein Blutglukosewert zwischen 135 mg/dl (7,5 mmol/l) und 200 mg/dl (11,11 mmol/l) gemessen, sollte zeitnah ein zweistündiger oraler Glukosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Glukose im nüchternen Zustand durchgeführt werden. Zur Diagnose eines GDM reicht das Überschreiten des Grenzwerts zu einem von drei Messzeitpunkten (Tabelle 1). Die Diagnose GDM wird in der Regel von der Gynäkolog:in gestellt. Die Behandlung erfolgt durch Diabetolog:innen und Diätassistent:innen nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) [1].

Acht bis zwölf Wochen nach der Entbindung sollte ein Kontroll-oGTT erfolgen, um zu überprüfen, ob die Blutglukosewerte wieder im Normalbereich liegen. Zu diesem Zeitpunkt wird bei 1 – 4 % aller Patientinnen ein manifester Diabetes festgestellt [2], der sehr wahrscheinlich schon vor der Schwangerschaft bestand. Bei 12 – 36 % liegt zu diesem Zeitpunkt eine gestörte Glukosetoleranz vor [2]. Der Postpartum-oGTT wird nur bei einem geringen Anteil der Patientinnen vorgenommen, häufig aufgrund von Zeitmangel der jungen Mütter, aber oft auch wegen der unklaren fachlichen Zuständigkeit: Die Patientinnen wissen meist nicht, ob der oGTT bei der Gynäkolog:in, Diabetolog:in oder Hausärzt:in durchgeführt werden soll.

GDM als Risikofaktor

Obwohl sich bei den meisten Patientinnen die Glukosewerte nach der Entbindung wieder normalisieren, haben diese Frauen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Reihe von Krankheiten. An erster Stelle sind hier Glukosetoleranzstörungen und Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) mit seinem typischen Geno- und Phänotyp zu nennen [3]. Das Risiko für T2DM ist siebenmal höher für Frauen mit positiver GDM-Anamnese im Vergleich zu Frauen, die eine normale Glukosetoleranz in der Schwangerschaft hatten [4]. Die kumulative Inzidenz für T2DM steigt in den ersten fünf Jahren nach der Entbindung stark an und erreicht dann ein Plateau [5]. Diese Patientinnen haben in einer Folgeschwangerschaft ebenfalls ein hohes Risiko für ein Wiederauftreten des GDM [6].

Patientinnen mit positiver GDM-Anamnese haben zudem ein höheres Risiko für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms und kardiovaskulärer Erkrankungen. Hier zeigte eine neue Metaanalyse von Kramer [7], bei der die Studien mit insgesamt über 5,39 Mio. Frauen bewertet wurden, dass das relative Risiko in den zehn Jahren nach der Entbindung bei 2,31 liegt. Dabei ist auch bei Frauen, die keinen T2DM nach GDM entwickeln, das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen um 56 % erhöht [7].

Ein früherer GDM beeinflusst ebenfalls das Risiko für Nierenerkrankungen. In einer Analyse der dänischen nationalen Geburtskohorte zeigten Frauen nach GDM mit höherer Wahrscheinlichkeit 9 – 16 Jahre nach der Geburt eine erhöhte glomeruläre Filtrationsrate. Diese glomeruläre Hyperfiltration kann auf ein frühes Stadium einer Nierenschädigung hindeuten. Zusammengefasst kann ein GDM als Risikokonstellation für die metabolische und die kardiovaskuläre Zukunft von jungen Frauen angesehen werden [8]. Neben dem erhöhten Risiko für körperliche Erkrankungen wird auch eine höhere Prävalenz von Depressionen bei Frauen mit GDM-Anamnese berichtet. Eine aktuelle Übersichtsarbeit zeigt, dass das relative Risiko für Depressionen in methodisch sehr unterschiedlichen Studien zwar schwankt (0,8 bis 4,62), jedoch insgesamt von einem erhöhten Depressionsrisiko bei Patientinnen mit GDM ausgegangen werden kann [9].

Auswirkungen auf das Kind

Ein GDM beeinflusst nicht nur die Gesundheit der Mutter, sondern kann auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Nachkommen im Kindes- und Erwachsenenalter haben. Hohe mütterliche Blutglukosewerte in der Schwangerschaft führen zu einer Hyperinsulinämie im Fetus und über mutmaßlich epigenetische Mechanismen der fetalen Programmierung vermehrt zu Übergewicht, eingeschränkter Glukosetoleranz und Diabetes in den (erwachsenen) Nachkommen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die gefürchtete Makrosomie (d. h. ein Geburtsgewicht > 4.000 g) heutzutage kaum noch auftritt, da bei annähernd allen Schwangeren ein Screening durchgeführt und ein GDM behandelt wird. Trotzdem lassen sich längerfristige Auswirkungen einer Hyperglykämie in der Schwangerschaft, die ja auch schon vor der Diagnose des GDM bestanden hat, nicht ausschließen. Studien zeigten, dass die Kinder von Müttern mit mildem beziehungsweise behandeltem GDM bei Geburt und in der frühen Kindheit zwar ein ähnliches Körpergewicht haben, jedoch ab der Pubertät der BMI-Zuwachs bei den GDM-exponierten Kindern signifikant höher ist als bei Kindern, deren Mütter eine normoglykämische Schwangerschaft hatten [10].

Der Einfluss eines GDM auf die Entwicklung der Nachkommen betrifft nicht nur die körperliche, sondern auch die neurokognitive Entwicklung der Nachkommen. Die Insulinresistenz des Gehirns, die durch hohe fetale Insulinspiegel verursacht werden könnte, wird als Ursache für eine veränderte Hirnentwicklung diskutiert [11]. Registerstudien weisen auf eingeschränkte kognitive Leistungen bei Kindern und erwachsenen Nachkommen hin. Die Studienlage ist derzeit jedoch noch uneinheitlich [12] und es sind prospektive Studien nötig, welche die neurokognitive Entwicklung von Kindern untersuchen, bei denen der mütterliche Stoffwechsel in der Schwangerschaft eingehend charakterisiert ist.

Zusammenfassung

Frauen mit positiver GDM-Anamnese haben ein erhöhtes Risiko, eine Glukosetoleranzstörung und einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Zudem ist das Risiko für kardiovaskuläre und renale Erkrankungen erhöht, auch schon bei jungen Frauen. Man sollte die Patientinnen ermutigen, an regelmäßigen Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen teilzunehmen. Eine regelmäßige Kontrolle von Nüchternglukose und HbA1c ist wichtig, um eine negative Entwicklung des Glukosestoffwechsels zu erkennen und gegebenenfalls gegensteuern zu können. Eine Lebensstiländerung mit Fokus auf Gewichtsreduktion [13], Erhöhung der körperlichen Aktivität und gesunde Ernährung kann das Risiko für Typ-2-Diabetes signifikant senken [14]. Unterstützend lassen sich heute auch Smartphone-Apps [15] und Internetprogramme [16] einsetzen, so dass die Umsetzung auch für Frauen mit kleinen Kindern gut machbar ist. Bei der Erhebung der Familienanamnese sollte man auch nach einem GDM der Mutter fragen und das Wissen darüber in die Betreuung einfließen lassen. Mit solch relativ einfach umzusetzenden Maßnahmen könnte man in der Hochrisikogruppe der Frauen nach einem GDM das Risiko für GDM-Langzeitfolgen reduzieren.

ESSENTIALS - Wichtig für die Sprechstunde
  • Gestationsdiabetes (GDM) ist eine Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft auftritt.
  • Frauen mit GDM haben ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes nach der Entbindung.
  • Ein GDM prädisponiert für metabolisches Syndrom, kardiovaskuläre Erkrankungen, Nierenerkrankungen und Depressionen.
  • Kinder von Müttern mit GDM entwickeln später häufiger Übergewicht und Diabetes.
  • Frauen mit GDM sollten regelmäßig an Gesundheitsvorsorgen teilnehmen.


Literatur
1. Schäfer-Graf U, Laubner K, Hummel S, et al (2018) Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Diabetol Stoffwechs 13:S174–S184. https://doi.org/10.1055/a-0598-3468
2. Tovar A, Chasan-Taber L, Eggleston E, Oken E (2011) Postpartum Screening for Diabetes Among Women With a History of Gestational Diabetes Mellitus. Prev Chronic Dis 8:
3. Fritsche L, Sarief M, Wagner R, et al (2018) Genetic variation in TCF7L2 rs7903146 and history of GDM negatively and independently impact on diabetes-associated metabolic traits. Diabetes Res Clin Pract 146:251–257. https://doi.org/10.1016/j.diabres.2018.11.003
4. Bellamy L, Casas J-P, Hingorani AD, Williams D (2009) Type 2 diabetes mellitus after gestational diabetes: a systematic review and meta-analysis. Lancet Lond Engl 373:1773–1779. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(09)60731-5
5. Kim C, Newton KM, Knopp RH (2002) Gestational Diabetes and the Incidence of Type 2 Diabetes. Diabetes Care 25:1862–1868. https://doi.org/10.2337/diacare.25.10.1862
6. Kim C, Berger DK, Chamany S (2007) Recurrence of Gestational Diabetes Mellitus: A systematic review. Diabetes Care 30:1314–1319. https://doi.org/10.2337/dc06-2517
7. Kramer CK, Campbell S, Retnakaran R (2019) Gestational diabetes and the risk of cardiovascular disease in women: a systematic review and meta-analysis. Diabetologia 62:905–914. https://doi.org/10.1007/s00125-019-4840-2
8. Retnakaran R (2009) Glucose Tolerance Status in Pregnancy: A Window to the Future Risk of Diabetes and Cardiovascular Disease in Young Women. Curr Diabetes Rev 5:239–244. https://doi.org/10.2174/157339909789804378
9. Arafa A, Dong J-Y (2019) Gestational diabetes and risk of postpartum depressive symptoms: A meta-analysis of cohort studies. J Affect Disord 253:312–316. https://doi.org/10.1016/j.jad.2019.05.001
10. Crume TL, Ogden L, Daniels S, et al (2011) The Impact of In Utero Exposure to Diabetes on Childhood Body Mass Index Growth Trajectories: The EPOCH Study. J Pediatr 158:941–946. https://doi.org/10.1016/j.jpeds.2010.12.007
11. Kullmann S, Heni M, Hallschmid M, et al (2016) Brain Insulin Resistance at the Crossroads of Metabolic and Cognitive Disorders in Humans. Physiol Rev 96:1169–1209. https://doi.org/10.1152/physrev.00032.2015
12. Fraser A, Lawlor DA (2014) Long-term health outcomes in offspring born to women with diabetes in pregnancy. Curr Diab Rep 14:489. https://doi.org/10.1007/s11892-014-0489-x
13. Ferrara A, Hedderson MM, Brown SD, et al (2016) The Comparative Effectiveness of Diabetes Prevention Strategies to Reduce Postpartum Weight Retention in Women With Gestational Diabetes Mellitus: The Gestational Diabetes’ Effects on Moms (GEM) Cluster Randomized Controlled Trial. Diabetes Care 39:65–74. https://doi.org/10.2337/dc15-1254
14. Guo J, Chen J-L, Whittemore R, Whitaker E (2016) Postpartum Lifestyle Interventions to Prevent Type 2 Diabetes Among Women with History of Gestational Diabetes: A Systematic Review of Randomized Clinical Trials. J Womens Health 2002 25:38–49. https://doi.org/10.1089/jwh.2015.5262
15. Potzel A, Fritsche A, Fritsche L, et al (2019) Prävention des Typ-2-Diabetes nach Schwangerschaftsdiabetes. Diabetes Aktuell 17:98–100. https://doi.org/10.1055/a-0873-5594
16. Nicklas JM, Zera CA, England LJ, et al (2014) A Web-Based Lifestyle Intervention for Women With Recent Gestational Diabetes Mellitus: A Randomized Controlled Trial. Obstet Gynecol 124:563. https://doi.org/10.1097/AOG.0000000000000420



Autorin

Dr. rer. nat. Louise Fritsche

Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen
72076 Tübingen

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (1) Seite 42-44