Mit der Entwicklung neuer Therapiestrategien dank besseren Verständnisses der Pathophysiologie ließen sich in den letzten Jahren in der Behandlung gastroenterologischer Krankheitsbilder große Fortschritte erzielen. In einer Serie, die in Ausgabe 11 startete, sollen vor diesem Hintergrund Erkrankungen vorgestellt werden, die dem Hausarzt häufiger begegnen werden. Der folgende Beitrag widmet sich dem Reizdarmsyndrom.

Aufgrund unterschiedlicher Definitionen des Reizdarmsyndroms fehlen aktuell einheitliche Angaben über Inzidenz und Prävalenz des Reizdarmsyndroms. In epidemiologischen Studien werden Prävalenzen zwischen 2,5 und 25 % genannt [1].

Diagnosekriterien

Entsprechend der aktuellen S3-Leitlinie der DGVS müssen drei Kriterien erfüllt sein, um die Diagnose eines Reizdarmes zu stellen:

  1. Die abdominellen Beschwerden bestehen länger als drei Monate, werden vom Patienten als auch vom Arzt auf den Darm bezogen und sind in der Regel mit Stuhlunregelmäßigkeiten assoziiert.
  2. Aufgrund der Beschwerden sucht der Patient Hilfe. Weiterhin kann die Stärke der Beschwerden zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen.
  3. Es müssen andere Krankheitsbilder ausgeschlossen sein, die ähnliche Beschwerden verursachen können.

Es werden drei verschiedene Subtypen des Reizdarmsyndroms entsprechend der vorherrschenden Stuhlgangssymptomatik unterschieden:das Reizdarmsyndrom mit führenden Diarrhoen (RDS-D), mit führender Obstipation (RDS-O) und ein Mischtyp (RDS-M) [2]. Die Therapie beschränkt sich aktuell auf eine symptomatische Therapie entsprechend demvorherrschenden Symptom, da eine kausale Therapie bei fehlender vollständiger Aufklärung der zugrunde liegenden pathophysiologischen Zusammenhänge aktuell nicht existiert.

Neue Therapie für RDS-O

Seit 2013 ist in Deutschland ein neues Medikament zur symptomatischen Behandlung des mittelschweren bis schweren Reizdarmsyndroms vom Obstipationstyp zugelassen.

Linaclotid (Constella®) ist ein Guanylatzyklase-C-Rezeptor-Agonist, welcher an den Guanylatzyklase-C-Rezeptor der Epithelzellen des Dünn- und Dickdarmes bindet. Die Bindung bewirkt eine vermehrte Bildung von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP), welches sich sowohl extra- als auch intrazellulär anreichert. Die intrazellulären erhöhten cGMP-Spiegel führen zu einer Aktivierung des CFTR-Membranproteins (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) und zu einer vermehrten Sekretion von Bicarbonat- und Chloridionen ins Darmlumen, wodurch eine vermehrte Flüssigkeitssekretion in das Darmlumen und damit eine weiche Stuhlkonsistenz und eine schnelle Stuhlpassage bewirkt werden.

Aufgrund einer geringen oralen Bioverfügbarkeit ist die Wirksamkeit der Substanz fast ausschließlich auf den Darm beschränkt und damit gut verträglich [3]. Der extrazelluläre cGMP-Spiegel führt zu einer Erhöhung der Schwelle von Kolon-Nozizeptoren, wodurch viszerale Schmerzen minimiert werden [4].

In der doppelblinden, plazebokontrollierten Zulassungsstudie wurden insgesamt 804 Patienten untersucht und erhielten über 26 Wochen 1 x täglich 290 µg Linaclotid oder Plazebo. Dabei zeigte sich, dass die Ansprechrate für abdominelle Schmerzen/Unbehagen signifikant höher in der Linaclotidgruppe im Vergleich zur Plazebogruppe war. Ebenso war der Linderungsgrad der reizdarmassoziierten Symptome in der Linaclotidgruppe signifikant höher. Die Hauptnebenwirkung der Substanz stellten Diarrhoen dar [5].

Linaclotid stellt eine Therapiealternative für Patienten mit Reizdarmsyndrom vom Obstipationstyp dar, bei denen bisherige Medikamente zu keiner Linderung der Symptomatik führen konnten, und damit eine Möglichkeit zur Verbesserung der Lebensqualität.


Literatur
1. Spiller R, Aziz Q, Creed F et al. (2007) Guidelines on the irritable bowel syndrome: mechanisms and practical management. Gut 56: 1770-1798.
2. Layer P, Andresen V, Pehl C (2011) Irritable bowel syndrome: German consensus guidelines on definition, pathophysiology and management Z Gastroenterol 49(2):237-93.
3. Busby RW, Bryant AP, Bartolini WP et al. (2010) Linaclotide, through activation of guanylate cyclase C, acts locally in the gastrointestinal tract to elicit enhanced intestinal secretion and transit. Eur J Pharmacol 15;649(1-3):328-35.
4. Castro J, Harrington AM, Hughes PA et al. (2013) Linaclotide inhibits colonic nociceptors and relieves abdominal pain via guanylate cyclase-C and extracellular cyclic guanosine 3‘,5‘-monophosphate. Gastroenterology 145(6):1334-46.
5. Chey WD, Lembo AJ, Lavins BJ et al. (2012) Linaclotide for irritable bowel syndrome with constipation: a 26-week, randomized, double-blind, placebo-controlled trial to evaluate efficacy and safety. Am J Gastroenterol 107(11):1702-12.



Autor:

Prof. Dr. med. Karel Caca, Ludwigsburg

Facharzt für Innere Medizin/Gastroenterologie/Hämato-/Onkologie
Medizinische Klinik I des Klinikums Ludwigsburg
71640 Ludwigsburg

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (15) Seite 37-38