Gastroösophagealer Reflux ist sehr häufig und wird in der Regel mit einer antisekretorischen Therapie behandelt. Auch wenn diese bei den meisten Patienten zu einer Besserung der Symptome führt, weist das pathophysiologische Verständnis der Erkrankung immer noch Lücken auf.

Publizierte Algorithmen für die Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit sind kompliziert und in der Praxis oft schwer umsetzbar. "Ich muss gestehen, dass ich mir dieses Schema nach der Publikation nie wieder angesehen habe", sagte Dr. med. Pali Hungin von der Durham University, einer der Autoren einer evidenzbasierten Leitlinie zu diesem Thema [1]. Das zeige, wie schwierig es ist, praxistaugliche Empfehlungen für diese Erkrankung zu entwickeln. Das Problem, so Hungin, beginnt mit der Definition der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD). Diese Diagnose basiere auf Symptomen, die vermeintlich infolge eines Refluxes von Mageninhalt in den Ösophagus entstünden [2]. Oft weiß man aber nicht, wie verlässlich die Angaben zur Symptomatik sind und ob diese tatsächlich von Reflux verursacht werde, so Hungin. Auch korrelierten mögliche Komplikationen nicht immer mit der Symptomatik.

Acid-Pocket: verborgene Säure in der Cardia

Auf eine besondere Problemregion im Zusammenhang mit dem gastroösophagealen Reflux weist Prof. Dr. med. Kenneth McColl von der University of Glasgow hin: die Acid-Pocket. Dabei handelt es sich um eine Zone in der Cardia, die vom Puffereffekt einer Mahlzeit kaum erreicht wird und daher stark sauer bleibt. Sie enthält rund 70 ml Magensaft, der erhebliche Probleme verursachen kann. McColl: "Das erklärt, warum Refluxbeschwerden oft nach den Mahlzeiten am ausgeprägtesten sind, obwohl der gesamte Mageninhalt zu diesen Zeiten am wenigsten sauer ist." Probleme bereite die Acid-Pocket beispielsweise, wenn sie infolge einer Hiatushernie durch das Diaphragma nach oben gleitet und so leichter sauren Reflux verursachen kann.

Darüber hinaus habe die Forschung der vergangenen Jahre gezeigt, dass es neben der "Säuretasche" auch einen "Säuremantel" gebe, dass nämlich der pH-Wert nach Mahlzeiten in der Nähe der Mukosa generell niedriger sei als tiefer im Magen – wenn auch nicht so niedrig wie in der Acid-Pocket. Daher stelle sich die Frage, ob es in allen Fällen sinnvoll sei, den pH-Wert im gesamten Magen anzuheben, wenn es beim Reflux um ein eher lokales Problem gehe.

Die Konzentration auf die Acid-Pocket eröffne neue Wege in der Behandlung gastroösophagealer Beschwerden. Um das zu erreichen, gibt es zwei Wege: Einer führt über die Erhöhung der Magenmotilität, was zu einer besseren Durchmischung des Mageninhalts führen soll. Diese Strategie wurde in kleinen Studien untersucht, in denen es beispielsweise gelang, durch Azithromycin den Säuregehalt des Refluxes zu reduzieren [15]. Ein bereits heute gangbarer Weg ist der Einsatz von Alginaten, die auf der Acid-Pocket wirken. Sie entsprechen diesen Anforderungen, da sie im Gegensatz zu den Antazida auf Aluminium- oder Magnesiumbasis auf dem Mageninhalt schwimmen. Tatsächlich wurde für Alginate gezeigt, dass sie den Reflux hemmen und somit die postprandiale Säureexposition des Ösophagus mindern können [16]. Reb

Prävalenz stark steigend

Diese Fragen sind von hoher praktischer Relevanz. Denn die Refluxkrankheit oder zumindest die dazu passende Symptomatik betrifft immer mehr Menschen. In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Betroffenen beispielsweise in Norwegen um fast die Hälfte gestiegen [3]. Doch was verbirgt sich hinter dieser vermeintlichen Zunahme an GERD-Fällen? In der Diamond-Studie konnte nur bei 66 % der vom Allgemeinarzt diagnostizierten GERD-Patienten die Diagnose nach fachärztlicher Abklärung bestätigt werden. Und von jenen Patienten, die tatsächlich GERD hatten, gaben nur 49 % Sodbrennen oder Aufstoßen als markanteste Symptome an [4]. Hungin: "Das ist ein alarmierendes Ergebnis. Es sagt uns, dass die klinische Diagnose GERD nicht verlässlich ist."

Eine im Rahmen der UEG Week 2014 in Wien vorgestellte Studie dürfte die Diskussion weiter anheizen [5]. Sie zeigt, dass die Symptome, die Ärzte im Patientengespräch zu hören glauben, nicht die Symptome sind, die die Patienten meinen, und dass es dabei noch erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern gibt. "Wir haben uns so in unserer Terminologie verschanzt, dass wir uns von dem abkoppeln, was die Patienten tatsächlich angeben", sagt Hungin.

Leider hilft auch der diagnostische Einsatz von PPI nicht weiter. Allein das Verschwinden der Symptome nach Einnahme eines PPI sagt nämlich noch nichts über deren Ursache oder deren Natur. Die Aussagekraft des PPI-Tests wurde in der Diamond-Studie untersucht und negativ bewertet. Hungin: "Ansprechen auf einen PPI bedeutet, dass der Patient auf PPI anspricht – und nicht, dass das Problem GERD heißt."

Da es dem Patienten jedoch vorwiegend um seine Symptome geht, werden PPI in großer Menge verwendet. Geschätzte 0,5 bis 1,5 % der europäischen Bevölkerung nehmen diese Medikamente dauerhaft ein. Rechnet man die billigeren H2-Rezeptor-Antagonisten dazu, kommt man auf bis zu 5 % der Gesamtpopulation, die dauerhaft eine Suppression der Magensäure betreiben. Gleichzeitig klagen jedoch bis zu 50 % der Langzeit-PPI-Anwender nach wie vor über GERD-Symptome [6]. Eine Studie mit 200 Patienten unter PPI ergab, dass nur 14 % dieser Population symptomfrei waren. Allerdings war ein saurer Reflux nur bei einer kleinen Minderheit der Betroffenen der Grund für die Beschwerden. Die meisten hatten mit nicht saurem Reflux zu kämpfen oder zeigten Symptome, die überhaupt nichts mit Reflux zu tun hatten [7]. Hungin: "Wie können wir also von Refluxkrankheit sprechen, wenn die Symptomatik in den meisten Fällen überhaupt nichts mit Reflux zu tun hat?"

Empirische Therapie mit PPI

Hinsichtlich der Wirksamkeit der PPI konnte in Studien gezeigt werden, dass sie sehr gut wirken, wenn es um das Abheilen einer Ösophagitis geht, dabei aber nicht unbedingt einen ebenso markanten Effekt auf die Symptomatik entwickeln [8]. Demnach liege die Domäne der PPI eher bei der erosiven Ösophagitis als beim typischen Sodbrennen, das eher auf eine funktionelle gastrointestinale Störung zurückgehe [9]. Dennoch sei der Therapieversuch mit PPI bei Refluxbeschwerden sinnvoll.

Refluxkrankheit als diagnostische und therapeutische Herausforderung

Allerdings müsse man, so Hungin, bei Nichtansprechen weiterführende diagnostische Schritte machen. Infrage kommen vor allem die pH-Metrie und die intraluminale Impedanzmessung, wobei Letztere auch die Quantifizierung von nicht saurem Reflux erlaubt.

Obwohl Hungin klarstellt, dass ein einfacher Algorithmus für alle Patienten mit GERD oder den zugehörigen Symptomen nicht möglich ist, schlägt er doch ein sehr klares Konzept für das Management unkomplizierter Patienten vor (Abbildung). Dieses beginnt mit Lebensstilberatung und dem Einsatz von Antazida beziehungsweise Alginaten. Bringt das nicht den gewünschten Erfolg, soll eine Reduktion der Säureproduktion erfolgen. Substanz der Wahl wird in der Regel ein PPI sein. Ist das ebenfalls nicht erfolgreich, hat man es nicht mit einem unkomplizierten Patienten zu tun. Eine Variation der PPI-Dosierung und der Einnahmefrequenz kann ebenso indiziert sein wie eine umfangreiche weiterführende Diagnostik. Dabei sei es alles in allem sinnvoll, den Begriff GERD zu verlassen und lieber von Sodbrennen oder Symptomen des oberen Gastrointestinaltrakts zu sprechen, als mit wenig verlässlichen Diagnosen zu hantieren.

Bessere Symptomkontrolle und Schleimhautheilung

Prof. Dr. med. Carmelo Scarpignato, Universität Modena, unterstreicht jedoch, dass eine antisekretorische Therapie bei den meisten Patienten mit Refluxsymptomen oder Symptomen des oberen Gastrointestinaltrakts ausreichend ist. Seit den Achtzigerjahren wisse man, dass die Last der gastroösophagealen Beschwerden mit der Säureexposition im Ösophagus direkt korreliert [10]. Scarpignato: "Wir haben zwei Klassen von Medikamenten, die die Säureproduktion im Magen reduzieren, die H2-Rezeptor-Antagonisten und die Protonenpumpeninhibitoren. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihres Wirkmechanismus, aber der Effekt ist letztlich der gleiche." Allerdings haben sich die PPI in mehrfacher Hinsicht als überlegen erwiesen. Sie sind besser in der Symptomkontrolle, ermöglichen eine bessere Abheilung der Schleimhaut und eignen sich auch besser für eine Erhaltungstherapie [11]. Sie reduzieren aber nur die Säurebelastung, nicht jedoch den Reflux. Dementsprechend haben sie sich auch in Studien als äußerst effektiv gegen Sodbrennen erwiesen, während die Wirksamkeit gegen Regurgitation zwar vorhanden, aber deutlich weniger ausgeprägt ist [12]. Bei der Refluxösophagitis zeigen Studiendaten Heilungsraten von je nach Substanz bis zu 90 % [13].

Bei fehlendem Ansprechen

Eine besondere Patientengruppe stellen Personen mit nicht erosiver Refluxkrankheit (NERD) dar. Allerdings habe NERD, wie Scarpignato betont, keine einheitliche Pathologie. Rund 42 % der Betroffenen leiden unter einer "echten NERD" mit Auffälligkeiten in der pH-Metrie. Der Rest teilt sich auf in Personen mit hypersensitivem Ösophagus (auf Säure oder auf nicht sauren Reflux) und funktionalem Sodbrennen. Echte NERD und NERD infolge eines säuresensitiven Ösophagus sprechen gut auf PPI an [14].

Reagieren Patienten mit gastroösophagealen Symptomen nicht auf eine Therapie mit PPI, kommen mehrere Ursachen infrage: Die antisekretorische Therapie kann zu wenig effektiv sein (was sich durch Dosiserhöhung, häufigere Einnahme oder die Kombination mit einem H2-Blocker korrigieren lässt), oder die Beschwerden haben ihre Ursache nicht im Reflux oder zumindest nicht im sauren Reflux.

Reno Barth

Literatur
1. Tytgat GN et al.: New algorithm for the treatment of gastro-oesophageal reflux disease. Aliment Pharmacol Ther 2008; 27 (3): 249–256.
2. Vakil N et al.: The Montreal definition and classification of gastro-oesophageal reflux disease: a global evidence-based consensus. Am J Gastroenterol 2006; 101 (8): 1900–1920.
3. Ness-Jensen E et al.: Changes in prevalence, incidence and spontaneous loss of gastro-oesophageal reflux symptoms: a prospective population-based cohort study, the HUNT study. Gut 2012; 61 (10): 1390–1397.
4. Dent J et al.: Accuracy of the diagnosis of GORD by questionnaire, physicians and a trial of proton pump inhibitor treatment: the Diamond Study. Gut 2010; 59 (6): 714–721.
5. Heading R et al.: Discrepancies between upper GI symptoms described by those who have them and their identification by conventional medical terminology: a survey in four countries. Präsentiert im Rahmen der Sitzung «Symptoms in patients with functional gastrointestinal disorders», UEG Week 2014.
6. Raghunath AS et al.: Review article: the long-term use of proton-pump inhibitors. Aliment Pharmacol Ther 2005; 22 Suppl 1: 55–63.
7. Mainie I et al.: Acid and non-acid reflux in patients with persistent symptoms despite acid suppressive therapy: a multicentre study using combined ambulatory impedance-pH monitoring. Gut 2006; 55 (10): 1398–1402.
8. Boeckxstaens G et al.: Symptomatic reflux disease: the present, the past and the future. Gut 2014; 63 (7): 1185–1193.
9. Galmiche JP et al.: Treatment of GORD: Three decades of progress and disappointments. United European Gastroenterol J 2013; 1 (3): 140–150.
10. Joelsson B, Johnsson F: Heartburn – the acid test. Gut 1989; 30 (11): 1523–1525.
11. Savarino V et al.: Proton pump inhibitors in GORD An overview of their pharmacology, efficacy and safety. Pharmacol Res 2009; 59 (3): 135–153.
12. Kahrilas PJ et al.: Response of regurgitation to proton pump inhibitor therapy in clinical trials of gastro esophageal reflux disease. Am J Gastroenterol 2011; 106 (8): 1419–1425.
13. Richter JE et al.: Efficacy and safety of esomeprazole compared with omeprazole in GERD patients with erosive esophagitis: a randomized controlled trial. Am J Gastroenterol 2001; 96 (3): 656–665.
14. Scarpignato C: Poor effectiveness of proton pump inhibitors in non-erosive reflux disease: the truth in the end! Neurogastroenterol Motil 2012; 24 (8): 697–704.
15. Rohof WO et al.: Effect of azithromycin on acid reflux, hiatus hernia and proximal acid pocket in the postprandial period. Gut 2012; 61 (12): 1670–1677.
16. De Ruigh A et al.: Gaviscon Double Action Liquid (ant acid and alginate) is more effective than antacid in controlling post-prandial oesophageal acid exposure in GERD patients: a double-blind crossover study. Aliment Pharmacol Ther 2014; 40 (5): 531–537.

Quelle: Symposium "Therapy update: GORD" im Rahmen der 22. UEG Week, vom 18. bis 22. Oktober 2014 in Wien.

Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici, Dossier Gastroenterologie VII/2015


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (18) Seite 42-44