Ein neues Jahr beginnt und mit ihm die definitive Vollstreckung guter Vorsätze. Diese reuevollen Gelöbnisse nach opulenten Weihnachtsfeiertagen schreien förmlich nach Vollzug.

Besinnliche, frostglatte Waldwege füllen sich darob schon im nachtfeuchten Morgengrauen mit übergewichtigen Jogger:innen, die mit heiligem Ernst, leerem Magen, schweißumflorten Gesicht und dampfendem Oberkörper ihre jungfräulichen Laufschuhe vom Gabentisch zum Einsatz bringen. Immerhin hat uns das Coronavirus reichliche Steilvorlagen für nachhaltige Vorsätze geliefert. Durch die staatlich verordnete Häuslichkeit hat sich nämlich bei vielen Zeitgenossen der Körperäquator zu einer respektablen Kreisform ausgewachsen.

So hat uns die Epidemie einen weiteren Fehdehandschuh hingeworfen: "Sitzen ist das neue Rauchen". Die Wissenschaft kann belegen, dass ein auf der Sitzfläche erstarrtes Leben im direkten Vergleich sogar den Glimmstängel schlägt. Die einzige Überlebensstrategie heißt Bewegung, was ja nicht bloß beim Abbau der wenig charmanten Fettpolster hilfreich ist. Einer meiner langjährigen, schon über 70-jährigen Patienten, zäh, sportlich, ein ambitionierter Schwarzgurt-Karateka und Tennisspieler, hatte schon seit Jahren qualvolle Schmerzen in beiden Kniegelenken, Sport war fast unmöglich geworden. Mehrfach rieten ihm Orthopäden zur operativen Korrektur der Kampfsport-geschädigten Gelenke, bis der Corona-Lockdown die Op.- und Hallentüren zuschlug. Und siehe da: Karate und Tennis fielen aus, operative Eingriffe wurden storniert. In dieser Not empfahl ich ihm das bislang verschmähte Heimfahrrad, mit dem er seine verhärteten Sportlergelenke monatelang kräftigte und mobilisierte. Das Resultat: Die Bandagen flogen in die Ecke und er kann wieder laufen wie ein Wiesel, dem Fahrrad sei Dank.

Weil dieses Fortbewegungsgerät gerade in der Distanzierungsphase der Coronapandemie ideal zum Kampf gegen Übergewicht und Gelenkbeschwerden ist, hat die Vélomanie fast schon seuchenartige Züge angenommen. Selbst ausgebuffte Fahrradmuffel wurden in den Sattel gehoben und konnten sich mit dem Gedanken befreunden, den hochtechnisierten Drahtesel jetzt öfter zu reiten. Ein bisschen Spielzeug muss eben sein und so wurde das Fahrrad zum kultig-sinnlichen Hightechgerät, auf Wunsch auch aus regenerativem Holz. Die eisenharten Pedalritterfundis fahren natürlich mit dem Bio-Bike, also mit Muskelkraft und ohne elektrischen Support. "Waden statt Laden" heißt da die Alternative. Uns Normalos lässt das kalt, denn Hauptsache, die Bewegung stimmt, und das am besten sofort, denn später ist jetzt und nicht morgen!


Dies meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (1) Seite 65