Er gehört zu den ältesten Kulturpflanzen des Menschen: der Kümmel (Carum carvi). Bis heute hat er nichts von seiner Bedeutung als Gewürz und Heilpflanze verloren. Zur Arzneipflanze des Jahres 2016 wählte den Kümmel deshalb der "Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde" der Universität Würzburg.

Die Anwendung unseres einheimischen Kümmels (Carum carvi) setzte sich erst im Mittelalter durch. Hieronymus Bock (1498 bis 1554) lobt in seinem "Kreütterbuch" den "Wisskymmel" (Carum carvi) als nützliches Kraut, das überall beim Kochen, Backen und zur Herstellung von Medizinen verwandt würde. Doch der Kümmel konnte noch mehr! In vergangenen Zeiten war er ein wichtiges Mittel, um böse Geister abzuwehren. So streute der Bauer als Krankheitsprophylaxe Kümmel in den Schweinestall oder hängte ihn mit anderen Kräutern als Dämonenschutz an die Stalltür. Der Kümmel-Schnaps besaß in der Volksmedizin den Ruf eines bewährten Aphrodisiakums: "Einem lahmen Schimmel hilft ein guter Kümmel", hieß es damals im Volk. Bis ins 20. Jahrhundert galt das Gewürz als hilfreiches Mittel bei unzureichender Muttermilch (Laktagogum), das auch von Ärzten empfohlen wurde.

Der Kümmel gehört zu den Doldenblütlern (Apiaceae) und ist eine zweijährige Pflanze. Er wird bis zu 1 m hoch und ist an Wegrändern und auf Wiesen zu finden. Aus den kleinen weißen bis schwach rosa gefärbten Blüten entstehen kleine, braune, sichelförmige Früchte, die das ätherische Öl, das Kümmelöl (Oleum carvi), enthalten. Die Früchte enthalten 3 bis 7 % ätherisches Öl mit 50 bis 65 % Carvon und anderen Monoterpenen wie Limonen (bis zu 45 %). Kümmel wird heute in Kulturen in Deutschland, Polen, den Niederlanden und Ägypten angebaut.

Positiv-Monografie Carvi fructus (Kümmelfrüchte)

Als Wirkungen der Kümmelfrüchte bzw. des Kümmelöls nennt die Monografie: "Spasmolytisch und antimikrobiell" [1]. Neuere Untersuchungen bescheinigen dem Kümmelöl zusätzlich eine Förderung der Magensaftsekretion und der Durchblutung der Magenschleimhaut sowie appetitanregende und karminative Eigenschaften. Damit wird klar, warum der Kümmel auch bei Speisen hilft, die uns sonst schwer im Magen liegen. Er gilt generell als probates Hausmittel bei Verdauungsschwäche, Blähungen, Völlegefühl und krampfartigen Schmerzen im Magen-Darm-Trakt. Dabei wird der spasmolytische Effekt durch eine Hemmung der Kalziummobilisierung bzw. eine direkte Hemmung des Kalziumeinstromes in die Zellen der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Traktes verursacht.

Diese Indikationen bestätigt auch die Monografie für die Kümmelfrüchte: "Dyspeptische Beschwerden wie leichte, krampfartige Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, Blähungen und Völlegefühl"[1]. Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Gegenanzeigen sind bei dieser Heilpflanze nicht bekannt. Kümmelöl ist eines der stärksten Karminativa, stärker wirksam als Fenchel oder Anis. Kümmel-Monopräparate sind nicht im Handel, dafür aber Kombinationspräparate wie z. B. Carmenthin® Weichkapseln. Sie enthalten Kümmel- und Pfefferminzöl und werden bei Blähungen, Völlegefühl und Magen-Darm-Krämpfen eingesetzt. Für alle Altersgruppen gibt es Carum carvi Zäpfchen und Carum carvi Kinderzäpfchen WALA®. Ihre Inhaltsstoffe sind ein wässriger Kümmelauszug in Kombination mit weiteren anthroposophisch aufbereiteten Inhaltsstoffen. Sie werden bei Blähungen und Bauchkrämpfen angewandt.

Die Europäische Kooperative für die Therapie mit Arzneipflanzen (ESCOP) hat in einer eigenen Monografie Caraway Seed (Carvi fructus) die Anwendungen auf blähende Koliken bei Kindern und das Roemheld-Syndrom erweitert. Letzteres kann zu heftigen Brust- und Herzschmerzen bis zu Panikattacken führen, ausgelöst durch größere Gasansammlungen in Magen oder Darm, die das Zwerchfell hochtreiben, was eine Herzverlagerung auslöst.

Tipps zum Kümmel

Mundgeruch: Durch das Kauen von Kümmelfrüchten lässt sich unangenehmer Mundgeruch beseitigen.

Kochen: Menschen mit schwacher Verdauung, die zu Blähungen neigen, sollten bei schwer verdaulichen Speisen, wie Kraut- und Kohlgerichte, Gemüseeintöpfe, frisches Brot u. a., mit Kümmel würzen oder nach den Mahlzeiten Kümmeltee trinken.

Reizdarm-Syndrom: Es gibt Empfehlungen, Kümmel wegen seiner krampflösenden, blähungstreibenden und antimikrobiellen Eigenschaften auch zur Behandlung des Reizdarmes einzusetzen.

Belastender Meteorismus tritt auf, wenn die bei der Verdauung entstehenden Gase in Form von Gasschäumen im Darm vorliegen. Diese können weder über die Atemluft noch über den Darm ausgeschieden werden. Kümmelöl wirkt hier als Entschäumer und setzt die Oberflächenspannung des Magen- bzw. Darmsaftes herab. Die Gasblasen lösen sich auf und die Gase können so aus dem Körper entfernt werden. Ätherische Öle verdunsten relativ schnell! Deshalb weisen beide Monografien darauf hin, dass man die Kümmelfrüchte unmittelbar vor der Teezubereitung grob zerkleinern muss (Mörser, Pistill oder elektrische Schlagmühle), da das Kümmelöl sich in Sekreträumen innerhalb der Frucht befindet. Nur so kann es in das heiße Teewasser übergehen. Die ESCOP-Monografie gibt folgende altersgerechte Dosierungen für die Teezubereitung an:

  • Erwachsene und Kinder über 10 Jahre: 1 g (1/3 TL) bis 5 g (1 ½ TL) Kümmelfrüchte mit 150 ml kochendem Wasser übergießen und 10 bis 15 Minuten bedeckt ziehen lassen. Viermal täglich 1 Tasse warmen Tee zwischen den Mahlzeiten trinken.
  • Kinder von 4 bis 10 Jahre: 1 g (1/3 TL) bis 4 g (1 TL) Kümmelfrüchte auf 150 ml kochendes Wasser als Tee täglich.
  • Kinder von 1 bis 4 Jahre: 1 g (1/3 TL) bis 2 g (1/2 TL) Kümmelfrüchte auf 150 ml kochendes Wasser als Tee täglich oder 1 TL Tee ins Fläschchen geben.
  • Kinder bis zu 1 Jahr: 1 g (1/3 TL) Kümmelfrüchte auf 150 ml kochendes Wasser als Tee täglich oder 1 Teelöffel Tee ins Fläschchen geben.

Anwendung auf der Haut

Gegen Blähungen bei Säuglingen und Kleinkindern wird das Kümmelöl ausschließlich äußerlich und nur verdünnt eingesetzt. Eine bewährte Rezeptur lautet: Oleum carvi 1 g, Oleum olivarum ad 10,0 g. 5 bis 10 Tropfen dieser Rezeptur werden bei Blähungen mit kreisenden Bewegungen in die Bauchhaut des Säuglings bzw. des Kleinkinds eingerieben. Etwa 80 % der Säuglinge leiden in den ersten drei Lebensmonaten häufig unter Blähungen. Bei ca. 10 bis 15 Prozent der Kinder – besonders Jungen – können diese auch krampfartige, äußerst heftige Bauchschmerzen auslösen, die sog. Dreimonatskoliken. Hier sollte ebenfalls Kümmel als Tee und als Einreibung angewandt werden.


Literatur:
1) Monografie BGA/BfArM Carvi fructus, Bundesanzeiger 1.2.1990, Heftnummer 22a



Autor:

Ernst-Albert Meyer

Fachapotheker für Offizin-Pharmazie und Medizin-Journalist
31840 Hessisch Oldendorf

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (14) Seite 52-55