Tumorpatienten und chronische Schmerzpatienten – z. B. mit postherpetischer Neuralgie, Lumbalgie, neuropathischen oder Phantomschmerzen – vor Durchbruchschmerzen ist niemand gefeit. Umso wichtiger ist eine korrekte Schmerzanamnese und daraus resultierende – patientenfreundliche – Anwendung verschiedenster Therapieoptionen in der hausärztlichen Praxis.

Durchbruchschmerzen können bei verschiedensten chronischen Schmerzsyndromen auftreten, benignen oder malignen Ursprungs. Es handelt sich dabei um Schmerzsensationen, welche sich entweder spontan oder getriggert einstellen. Triggerfaktoren können unter anderem etwa willkürliche oder unwillkürliche Bewegung, psychische oder physische Belastung oder das Ende des Dosierintervalls sein. Diese plötzlich auftretenden Schmerzsensationen durchbrechen aufgrund ihrer Intensität den ansonsten suffizient behandelten Basisschmerz. Die Schmerzstärke wird mit stark bis sehr stark beschrieben.

Zumeist dauert der Durchbruchschmerz ca. 30 Minuten an; das Schmerzmaximum tritt im Durchschnitt nach drei bis fünf Minuten auf. Über den Tag verteilt berichten die Patienten von meist vier Durchbruchschmerzepisoden.

Der Basisschmerz besteht unbehandelt mehr als 12 Stunden pro Tag und wird mit retardierten Schmerzmedikamenten behandelt. Dieser gilt als suffizient behandelt, wenn die Schmerzstärke für mindestens zwölf Stunden pro Tag als mild angegeben wird.

Schmerzanamnese und Diagnostik

Eine ausführliche Schmerzanamnese (Schmerzqualität, Schmerzlokalisation, Schmerzintensität, Schmerztrigger usw.) sowie eine gründliche klinische Untersuchung sind Voraussetzung für eine suffiziente Schmerztherapie. Die Diagnostik umfasst ebenso bildgebende Verfahren, um gegebenenfalls durch kausale Therapieoptionen oder invasive Schmerztherapie eine Linderung der Beschwerden bewirken zu können.

Behandlungsoptionen von Durchbruchschmerzen

Voraussetzung für eine erfolgreiche und individuelle Therapie von Durchbruchschmerzen ist eine suffiziente Basisschmerztherapie. Eine alleinige Erhöhung der Basismedikation zur Coupierung der Schmerzspitzen ist aufgrund der möglichen unerwünschten Wirkungen nicht zielführend. Außerdem müssen mögliche Einnahmeformen sowie die jeweilige Betreuungssituation berücksichtigt werden.

Die aus der Schmerzanamnese hervorgegangene Kenntnis über die Schmerzqualität gibt Aufschluss über die Wahl des Analgetikums. So können Kombinationen von zwei verschiedenen Wirkstoffen sich als durchaus sinnvoll erweisen.

1. Nicht-Opioide

Die NSAR (Hauptwirkstoffklasse der Nicht-Opioide) eignen sich nur bedingt zur Behandlung von Durchbruchschmerzen. Der Wirkeintritt erfolgt frühestens nach 30 Minuten und die Wirkdauer beträgt mehrere Stunden. Aufgrund ihres antiinflammatorischen Wirkprofils haben sie jedoch bei bestimmten Schmerzformen einen guten schmerzstillenden Effekt und beeinflussen somit die Durchbruchschmerzen positiv. Die Dosis ist aufgrund der relativ hohen Toxizität (v. a. renal und kardiovaskulär) jedoch begrenzt.

Metamizol und Paracetamol sind v. a. bei viszeralen, krampfartigen Schmerzen indiziert. Es muss jedoch aufgrund der Wirkdauer (vier bis sechs Stunden) auf eine mindestens viermal tägliche Verabreichung geachtet werden.

2. Opioide

In retardierter Form werden sie zur Behandlung der Basisschmerzen verwendet, in unretardierter Form als Rescue-Medikation. Bei leicht vorhersehbaren Durchbruchschmerzen sollte die Rescue-Medikation entsprechend früh eingenommen werden.

Orales unretardiertes Hydromorphon und Oxycodon eignen sich sehr gut als Rescue-Medikation. Andere Applikationswege sind intravenös oder subkutan. Morphin i. v. wirkt nach ca. 10 bis 15 Minuten, subkutan etwas langsamer. Hydromorphon ist aufgrund seines Wirkprofils auch bei höhergradiger Niereninsuffizienz einsetzbar. Diese Medikamente sollten bei Beginn des Durchbruchschmerzes so rasch wie möglich verabreicht werden.

Bei entsprechender Versorgung des Patienten (z. B. 24-h-Pflege, mobiles Palliativ-Team, Angehörige usw.) können auch im häuslichen Bereich i.v.- oder s.c.-Gaben erfolgen. Buprenorphin als Sublingualtablette gilt ebenso als Rescue-Medikament. Es ist jedoch der verzögerte Wirkeintritt von etwa 30 Minuten und die lange Wirkdauer von vier bis sechs Stunden zu beachten.

Fentanyl scheint aufgrund seiner Pharmakokinetik (schneller Wirkeintritt; kurze Halbwertszeit; bildet keine aktiven Metaboliten, verursacht keine Enzyminduktion in der Leber) besser zur Behandlung von Durchbruchschmerzen geeignet zu sein. Bei plötzlich auftretenden Durchbruchschmerzen wirkt Fentanyl sehr rasch und kumuliert nicht. In der letzten Zeit haben sich verschiedene Applikationsformen (oral-transmukosal; buccal; intranasal; sublingual) etabliert und als gute Rescue-Medikation erwiesen (vgl. Tabelle). Die Dosierung von Fentanyl ist unabhängig von der Basismedikation und muss individuell titriert werden. Oral-transmukosales Fentanyl ähnelt einem Lutscher, wobei der Wirkstoff in eine Zuckermatrix eingebettet ist. Die Wirkung tritt nach gut fünf Minuten ein. Einschränkende Faktoren für die Anwendung sind Mundtrockenheit, Entzündungen im Mund-Rachen-Raum oder Übelkeit.

Einen noch schnelleren Wirkeintritt erreicht man mit der Fentanyl-Buccaltablette, da diese zu einer höheren Plasmakonzentration führt. Die Buccaltablette wird in die obere Wangentasche über einen der Backenzähne gelegt; die Wirkstoffresorption wird durch das in der Tablette enthaltene Kohlendioxid unterstützt.

Transnasales Fentanyl eignet sich vor allem für Patienten, welche oral-transmukosal oder buccal Fentanyl aus oben genannten Gründen nicht anwenden können. Transnasales Fentanyl besitzt eine sehr hohe Bioverfügbarkeit. Eine deutliche Schmerzreduktion konnte bereits nach zehn Minuten gezeigt werden.

3. Co-Analgetika

Sie dienen der Verstärkung der Wirkung der Schmerzmittel und/oder zur Therapie unerwünschter Wirkungen. Bei entsprechender Indikation kann durch Anwendung der Co-Analgetika die Dosis der Basismedikation und das Auftreten der Durchbruchschmerzepisoden reduziert werden.

Bei neuropathischen Schmerzsyndromen haben sich Antidepressiva wie Amitriptylin oder Antiepileptika wie Gabapentin oder Pregabalin bewährt.

Auch Kortikoide kommen als Co-Analgetika zur Anwendung. Sie werden aufgrund ihrer entzündungshemmenden, abschwellenden und antiemetischen Wirkung z. B. bei Leberkapselschmerzen oder Knochenschmerzen angewendet. Bisphosphonate können ebenso unterstützend bei ossärer Metastasierung eingesetzt werden.

4. Nicht-pharmakologische Maßnahmen

Viele Patienten berichten, dass nicht-pharmakologische Maßnahmen, wie z. B. Akupunktur, TENS-Gerät-Anwendungen, Physiotherapie und Psychotherapie, die Schmerzsituation deutlich verbessern.


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Autoren:

Dr. med. Tanja Hohenwarter, Klagenfurt

Abt. für Anästhesie und Intensivmedizin
Klinikum Klagenfurt
A-9020 Klagenfurt

Co-Autoren: Stefan Neuwersch, Rudolf Likar

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (16) Seite 21-24