Das Metabolische Syndrom umfasst die Erkrankungen Typ-2-Diabetes, arterielle Hypertonie, Dyslipidämie und viszerale Fettverteilungsstörung. Früher als „Wohlstandssyndrom“ belächelt ist es heute entlarvt als Hauptverursacher für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Die Behandlung kardiovaskulärer Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen etc. verursacht hierbei 90 % der direkten Kosten. Durch gute Einstellung des Blutzuckers, des Blutdrucks und der Lipide kann das kardiovaskuläre Risiko gesenkt werden. Daher kommt dem Hausarzt hier eine sehr große Bedeutung zu. Der folgende Artikel soll dabei eine Hilfestellung bieten.

Aufgrund der dramatischen Veränderungen der Bewegungs- und Ernährungsgewohnheiten hat die Prävalenz für die Erkrankungen des Metabolischen Syndroms in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Umfragen in deutschen Hausarztpraxen haben ergeben, dass bei Typ-2-Diabetes der durchschnittliche BMI 30 beträgt und in über 60 % auch eine Fettstoffwechselstörung sowie ein arterieller Hypertonus vorliegen.

Multimodale Therapie gefragt

Das metabolisch-kardiale Kontinuum (Abb. 1) zeigt den direkten Zusammenhang zwischen viszeraler Fettverteilung, dadurch getriggerter Insulinresistenz, Stimulation des Renin-Angiotensin-Aldosteronsystems durch renale Kompression, Dyslipidämie und Typ-2-Diabetes. Aufgrund der Komplexität wird heute von vielen internationalen wie nationalen Fachgesellschaften eine multimodale Therapie empfohlen. Diese beinhaltet neben der Behandlung des Typ-2-Diabetes die Behandlung des arteriellen Hypertonus und der Dyslipidämie, wobei hier auf die Absenkung des LDL-Cholesterins geachtet werden sollte. Zusätzlich wird der Einsatz von ASS zur Verbesserung der Rheologie empfohlen. Durch eine konsequente Einstellung aller Risikofaktoren kann im Laufe der Zeit eine Risikoreduktion von 35 % erreicht werden, dies entspricht einer Number needed to treat von 3,5 (STENO-2). Im Folgenden sollen die Behandlungen der einzelnen Faktoren besprochen werden.

Ernährung und Bewegung

Gewohnheiten haben sich bei jedem Menschen über sein bisheriges Leben aufgebaut. Gerade hier spielen auch psychologische Aspekte wie Körperwahrnehmung, Ängste und Depression eine wichtige Rolle. Dies ist ein Grund dafür, dass alle bisherigen Ansätze keine signifikanten Veränderungen erbracht haben. Gerade Programme zur Gewichtsreduktion, welche mit großem Aufwand für Patienten, Ärzte und auch Kostenträger durchgeführt werden, zeigen einen dramatischen Widerspruch zwischen erwarteten und erreichten Zielen. Gleichzeitig bleibt häufig auch die Nachhaltigkeit hinter den Erwartungen zurück. Gerade Diätprogramme, die auf einer passageren Kalorienrestriktion und dem Verzicht auf einen Nahrungsbestandteil basieren, führen nach Beendigung derselben zu einem ausgeprägten Jo-Jo-Effekt. Ein Grund hierfür ist sicher auch die mit einer Kalorienrestriktion verbundene Reduktion des Kalorienbedarfs, welche langanhaltend ist.

Da aber Ernährung und Bewegung ca. 80 % der Therapie ausmachen, ist trotz dieser Problematik dieser Bereich von großer Wichtigkeit. Ernährungs- und Bewegungsprotokolle, welche einen Eindruck vom Alltagsleben des Patienten geben, können hier sehr hilfreich sein. Gerade Hausärzte, die ja oft eine langjährige, oft generationsübergreifende Bindung an ihre Patienten haben, können hier realistischere Daten erheben. Schrittzähler sind ebenfalls förderlich, um Bewegungsmangel darzustellen.

Bei Hypertonie ist Kochsalzrestriktion sehr wichtig, hier können erste Erfolge bereits durch "Verbannung" des Salzfässchens vom Tisch erzielt werden. Bei Typ-2-Diabetes spielt kalorienbilanzierte Ernährung mit ballaststoffreicher Kost und Meiden von "schnellen" Kohlenhydraten eine große Rolle. Durch Steigerung der Bewegung kann der Stoffwechsel angeregt und die Insulinresistenz deutlich verbessert werden. Um einen gewichtsreduzierenden Effekt zu bekommen und eine Verbesserung der kardiometabolischen Fitness zu erzielen, bedarf es etwa 30 Minuten Sport täglich oder ca. 10 000 Schritte am Tag. Diätetisch kann eine Dyslipidämie durch Reduktion der tierischen Fette in der Nahrung erreicht werden. Die teuerste Wurst, der billigste Käse, dreimal pro Woche Fleisch, dreimal Flussfisch und sonst Pflanzliches, sowie Bevorzugung von Pflanzenölen können das LDL-Cholesterin bis zu 20 % absenken. Darüber hinaus sollte ein Rauchverzicht empfohlen werden.

Behandlung des Hypertonus

Bei über 90 % der Patienten ist die Ursache des Hypertonus idiopathisch. Beim sekundären Hypertonus ist die Prävalenz des normokaliämischen Hyperaldosteronismus hoch. Aufgrund des deutlichen Überwiegens des primären Hypertonus hat die Therapie Vorrang vor der Diagnostik. Da Hypertoniker ein zweifach erhöhtes Risiko haben für kardiovaskuläre Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, sollte Medikamenten mit kardiovaskulärer Protektion der Vorrang eingeräumt werden.

Medikamentöse Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) hat sich hier auch aufgrund ihrer in Studien nachgewiesenen breiten Wirkung als Mittel erster Wahl durchgesetzt. In Deutschland sind in der Regel ACE-Hemmer Mittel erster Wahl, bei Unverträglichkeit können dann Sartane eingesetzt werden. Diese beiden Substanzen haben einen positiven Effekt auf den Glukosestoffwechsel sowie auf die bei arterieller Hypertonie häufig vorkommende Myokardhypertrophie, welche einen wichtigen Prädiktor für die kardiale Mortalität darstellt. Mit 25 % ist die hypertensive Nephropathie die zweithäufigste Nierenerkrankung. Hierbei ist das Auftreten einer Proteinurie eine entscheidende Determinante für die Mortalität. Diese Proteinurie kann durch Medikamente des RAAS ebenfalls positiv beeinflusst werden.

Wie in HOT und vielen anderen Untersuchungen nachgewiesen, müssen zur suffizienten Blutdruckeinstellung häufig zwei bis drei oder mehr Medikamente eingesetzt werden. Kalziumantagonisten vom Amlodipintyp sind stoffwechselneutral und haben einen großen kardioprotektiven Effekt. Bei Monotherapie führen sie häufig zu peripheren Ödemen, da sie nur eine Dilatation der präkapillären Gefäße bewirken. Allerdings kann diese Nebenwirkung durch gleichzeitige Gabe einen RAAS-Blockers deutlich abgeschwächt werden, da diese Substanzen prä- wie postkapilläre Gefäße erweitern. Aus diesem Grunde spielen sie eine immer wichtigere Rolle. Auch diese Substanzen haben einen nephroprotektiven Effekt und können die Progression der Albuminurie verzögern. Schleifendiuretika wie z. B. Hydrochlorothiazid coupieren die Kaliumretention bei RAAS-Blocker-Gabe und haben einen positiven Effekt auf die peripheren Ödeme.

Was ist der ideale Druck?

Die Frage nach dem "idealen" Blutdruck konnte in den letzten Jahren besser beantwortet werden. Heute sind die Empfehlungen aller großen Fachgesellschaften (EASD, ADA, DDG, BDI, DHL, DEGAM) konkordant. Da das Myokardinfarktrisiko ab RR-Werten unter 120 mmHg systolisch wieder steigt, sollten RR-Werte um 130/80 mmHg bei Vorliegen eines Typ-2-Diabetes, sonst unter 140/90 mmHg, bei Menschen über 80 Jahren unter 150/90 mmHg liegen (DHL 2013). Gerade bei älteren Menschen sollte der Blutdruck nicht zu straff eingestellt werden, da aufgrund der größeren Gefäßrigidität bei zu knappen Werten die zerebrale und Koronarienperfusion nicht ausreichend ist.

Ein großes Problem stellt die mit zunehmender Menge an Tabletten abnehmende Therapieadhärenz dar. Hier kann der Einsatz von Kombinationspräparaten (z. B. Tripletherapeutika) von entscheidendem Nutzen sein. Häufig kommt es dann zu deutlichen RR-Abfällen, so dass sich bei Umstellung eine Halbierung der Dosis lohnt.

Behandlung des Typ-2-Diabetes

Mit fast 8 Mio. Erkrankten in Deutschland ist der Typ-2-Diabetes eine der Volkserkrankungen. Diabetiker haben ein 3,5-fach erhöhtes Risiko gegenüber Nicht-Erkrankten für Herzinfarkt und Schlaganfall, beim Vorliegen einer KHK steigt das Risiko auf das 10-Fache.

Zur Mortalitätssenkung reicht eine alleinige Absenkung des HbA1c bei weitem nicht aus, wie z. B. in ACCORD gezeigt wurde, andere Morbiditätsfaktoren des Metabolischen Syndroms müssen mitbehandelt werden. Auch spielt hier das Gewicht, vor allem die viszerale Fettverteilung, aber auch die Hypoglykämie eine wichtige Rolle. Gerade bei älteren Patienten mehren sich die Hinweise einer rascheren Progredienz für Demenz bei häufigen Unterzuckerungen. Deshalb hat sich die Therapie, wie zuletzt im EASD/ADA-Positionspapier 2013 dargestellt, stark individualisiert.

Bei längerem Krankheitsverlauf, Wahrnehmungsstörung für Hypoglykämie, höherem Lebensalter werden BZ-Werte eher unter 200 mg %, HbA1c-Ziele unter 8 % und HypoVermeidung angestrebt, während die Ziele ansonsten straffer sind. Dennoch sollten Medikamente kritisch auf ihren kardiovaskulären Nutzen, ihr Hypoglykämie-Risiko und ihren anabolen Effekt geprüft werden. Dies spiegelt sich in der Diskussion der neueren Antidiabetika in den NVL deutlich wider.

Die DEGAM weist auf den noch nicht eindeutig erbrachten Zusatznutzen der neueren Substanzen (z. B. DPP-4-Hemmer, SGLT-2-Hemmer etc.) hin und favorisiert deshalb nach Schulung, Ernährungsberatung und bei fehlender Kontraindikation Metformin, dann die Gabe von Sulfonylharnstoffen (SU) oder Insulin. Von DDG und DGIM werden dagegen unter Bezug auf EASD und ADA Inkretinmimetika und SGLT-2-Inhibitoren gerade wegen ihres positiven Effektes auf das Gewicht, der fehlenden Hypoglykämie und des antihypertensiven Effektes als Add-on empfohlen. Auch mehren sich die Hinweise in Metaanalysen für negative kardiovaskuläre Effekte der SU. Neben der erhöhten Hypoglykämiegefahr und dem gewichtssteigernden Effekt von bis zu 5 kg in zehn Jahren sind die Pathomechanismen im Einzelnen noch nicht eindeutig geklärt.

Auch in Bezug auf den Einsatz von Insulin, welches nach SU-Gabe von der DEGAM empfohlen wird, zeichnet sich bei der DDG ein Paradigmenwechsel hin zur späteren Insulingabe ab. Begründet wird der späte Insulineinsatz mit einem häufigen Überangebot an Insulin bei Insulinresistenz, mit dem gewichtssteigernden Aspekt (bis zu 10 kg in 10 Jahren) und mit dem erhöhten Hypoglykämierisiko. Dies sollte immer mitberücksichtigt werden. Hierbei ist sicher eine BOT (Metformin mit z. B. Glargin), eine CT (Mischinsulin-Gabe) und der Einsatz von Analoginsulinen aufgrund des geringeren Effektes auf die Gewichtszunahme und der geringeren Hypoglykämiegefahr zu bevorzugen. Die Empfehlungen sind im Fluss und es bleiben die Ergebnisse großer Endpunktstudien abzuwarten.

Behandlung der Dyslipidämie

Die primäre Therapie einer Fettstoffwechselstörung wird ab einem Risiko von 10 % für Herzinfarkt oder Schlaganfall in den nächsten 10 Jahren empfohlen. Hierbei können Risikorechner wie z. B. PROCAM, Framingham etc. helfen. Ggf. kann die Bestimmung des Lipoprotein a ebenfalls als Determinante für familiäre Belastung mit Dyslipidämie eine Rolle spielen. Diabetiker haben ein 3,5-fach erhöhtes Risiko, deshalb haben sich hier LDL-Zielwerte von unter 100 mg/dl, bei zusätzlicher KHK mit Z. n. Myokardinfarkt unter 70 mg/dl durchgesetzt. Neben den oben beschriebenen diätetischen Maßnahmen sind die Mittel erster Wahl Statine, bei nicht ausreichender Therapie kann dann im Einzelfall der Einsatz von Ezetimib diskutiert werden. Fibrate konnten in ACCORD keinen eindeutigen Zusatznutzen nachweisen. Der Nutzen anderer Substanzen bleibt abzuwarten.

Metabolisches Syndrom: Therapieempfehlungen
Das Metabolische Syndrom ist die häufigste Stoffwechselstörung in Deutschland. Ernährung und Bewegung machen 80 % der Therapie aus und sollten deshalb einen adäquaten Raum in der Behandlung bekommen. Normotonie sollte mit RAAS-Blockern, ggf. unter Zugabe von Amlodipin und HCT erreicht werden. Beim Vorliegen einer Dyslipidämie sind die Zielwerte bei Diabetikern sehr streng, LDL unter 100 mg/dl, bei KHK unter 70 mg/dl. Bei der Behandlung des Diabetes mellitus sollte Substanzen mit gewichtsreduzierendem Effekt ohne Hypoglykämiegefahr der Vorrang gegeben werden. Diese Substanzen haben auch einen kardioprotektiven Effekt.



Autor:

Dr. med. Bernhard Landers, Mayen

Internist und Diabetologe
Diabeteszentrum Mayen
56727 Mayen

Interessenkonflikte: Der Autor hält regelmäßig Vorträge auf dem Gebiet Hypertonie, Diabetologie und Dyslipidämie. Er hat Unterstützung erhalten von Astra, BMS, Böhringer Ingelheim, Lilly, Sanofi Aventis, MSD, Novartis und Berlin-Chemie.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (19) Seite 14-18