Bei dem Thema Diabetes und Schwangerschaft hat man zweierlei zu unterscheiden: Zum einen geht es um schwangere Typ-1-Patientinnen, die einer besonders intensiven Behandlung bedürfen. Zum anderen gibt es noch den Gestationsdiabetes, der durch die Schwangerschaft hervorgerufen wird.

In Deutschland hat ungefähr jede hundertste Schwangere einen manifesten Diabetes, im Jahre 2014 waren es 6.400 von fast 700.000 Schwangeren. Wichtig ist, dass Patientinnen im gebärfähigen Alter über die möglichen Risiken einer Schwangerschaft aufgeklärt werden. Nur selten ist ein Schwangerschaftsabbruch erforderlich, etwa wenn massive, ausgedehnte Angiopathien, vor allem Nierenschäden, bei Typ-1-Patientinnen vorliegen.

Frauen mit Kinderwunsch sollen Informationen erhalten, wie sie mit gesundem Lebensstil und guter Stoffwechselführung das Fehlbildungsrisiko bei den Kindern reduzieren können. Leider werden solche präkonzeptionellen Beratungen noch immer viel zu wenig durchgeführt. Dabei ist es nach Fruhmann so, dass Frauen mit Typ-1-Diabetes, die gut eingestellt schwanger wurden, ein deutlich geringeres Risiko haben, Kinder mit Fehlbildungen zu gebären. Trotzdem ist festzustellen, dass die Betroffenen im Vergleich zu Nichtdiabetikerinnen immerhin ein dreifach erhöhtes Risiko für schwere Fehlbildungen beim Kind haben. Vor allem stehen hier neurale Defekte und kardiale Schäden sowie Schäden an den herznahen Gefäßen und komplexe Fehlbildungssymptome im Vordergrund.

Hyperglykämien vermeiden!

Der HbA1c-Wert sollte zu Schwangerschaftsbeginn möglichst normal sein, besser noch vor der Konzeption (s. o.). Auch sind Hypoglykämien während der Schwangerschaft zu reduzieren, wobei solche Unterzuckerungen allerdings nicht selten den Preis für die gewünschte scharfe Stoffwechselführung ausmachen.

Die größte Gefahr droht aber durch ausgeprägte Hyperglykämien, insbesondere bei gleichzeitiger Ketoazidose. Vom zweiten Trimenon an besteht in der Regel ein Zustand erheblicher Insulinunempfindlichkeit mit einem erhöhten Ketoazidoserisiko. Leider passieren ja die Ketonkörper die Plazenta und können zu einer fötalen Übersäuerung mit hohem Komplikationsrisiko führen, womöglich bis zum Fruchttod. Für die Therapie hat zu gelten, dass Humaninsuline die Medikamente der ersten Wahl sind, aber auch Insulinanaloga können verwendet bzw. beibehalten werden.

Orale Antidiabetika sind auf alle Fälle zu vermeiden. Besonderes Augenmerk ist vor allem auch auf den Blutdruck zu richten, wobei Alpha-Methyldopa das Antihypertonikum der Wahl ist.

Auf kindliche Hypoglykämien achten!

Das Präeklampsierisiko lässt sich durch eine Behandlung mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) etwas vermindern. Bei fortgeschrittener Nephropathie sollte man von einer Schwangerschaft abraten, obwohl die Erfahrung gezeigt hat, dass die Betroffenen oft doch noch ein gesundes Kind gebären können. Erneut sei betont, dass Neugeborene von Müttern mit Diabetes ein erhöhtes Krankheitsrisiko aufweisen.

Vor allem die schweren Hyperglykämien sind, wie gesagt, besonders zu vermeiden. Bei der Mutter ist zu beachten, dass nach der Entbindung und dem Abstoßen der Plazenta mit dem diabetogenen laktogenen Hormon die Insulindosis reduziert werden muss, da sonst massive Hypoglykämien auftreten können. Die Neugeborenen mit Hypoglykämien sind strikt zu behandeln, um ihre Gehirnfunktionen in der gewünschten Weise aufrechtzuerhalten. Selbst einzelne relativ milde Hypoglykämien könnten nachteilige Folgen haben.

Für Kinder von Müttern mit Diabetes ist deswegen nach der Geburt ein regelmäßiges Hypoglykämiescreening anzuraten. Man darf sagen, dass die Fortschritte im Hinblick auf eine Schwangerschaft mit Diabetes erfreulicherweise erheblich sind. Während noch in den 1950er- und 1960er-Jahren 25 bis 30 % der Kinder diabetischer Mütter vor, während oder nach der Entbindung verstarben, ist dieser Prozentsatz jetzt auf 2 bis 4 % zurückgegangen. Bei der Ernährung haben Studien gezeigt, dass eine sehr kohlenhydratreiche Kost besonders günstig ist.

Gestationsdiabetes

Während wir jetzt die Schwangerschaften bei bekanntem Diabetes betrachtet haben, ist zu bedenken, dass es eben auch den Gestationsdiabetes gibt, bei dem durch die Schwangerschaft bei den bis dato Nichtdiabetikerinnen eine diabetische Stoffwechselsituation hervorgerufen wird. Man darf diese Schwangerschaftskomplikation nicht unterschätzen, und zwar wegen der Nachteile für Mutter und Kind.

Der Gestationsdiabetes ist eine Art Provokationstest, der die Frauen veranlassen soll, nach der Entbindung, wenn die Stoffwechselsituation sich wieder zu normalisieren scheint, dennoch streng darauf zu achten, dass möglichst kein Übergewicht oder keine Adipositas auftritt. Es hat sich ja gezeigt, dass 50 % der Gestationsdiabetikerinnen im Laufe ihres Lebens dann doch noch einen Typ-2-Diabetes entwickeln. Der Gestationsdiabetes ist eine der häufigsten Schwangerschaftskomplikationen überhaupt. Wichtig ist, dass bei der Gestationsdiabetikerin ein gesteigertes Präeklampsierisiko besteht, gekennzeichnet durch Hypertonie und Proteinurie. Dies erhöht die Gefahr für eine Frühgeburt. Bei den Kindern löst die erhöhte Zuckerzufuhr über die Nabelschnur einen Hyperinsulinismus und damit auch einen Wachstumsschub aus. Das ist nicht unbedenklich, da Kinder mit Makrosomie bei vaginaler Geburt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Schulterschädigung haben.

Wie bei den Typ-1-Diabetikerinnen mit Schwangerschaft neigen auch die Kinder von Gestationsdiabetikerinnen nach der Geburt zu Hypoglykämien.

Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, dass alle Schwangeren in Deutschland in der Frühgravidität auf einen Gestationsdiabetes untersucht werden. Dies gilt insbesondere für Frauen über 30 Jahre und mit erhöhten präkonzeptionellen Blutzuckerwerten. Auch Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom tragen ein erhöhtes Risiko für einen Gestationsdiabetes. Typisches Merkmal ist u. a. das Auftreten eines Hirsutismus – d. h. das Wachstum von Haaren an Stellen, die bisher unbehaart geblieben waren. Im Gegensatz dazu ist mit Hypertrichose ein verstärktes Haarwachstum an sowieso behaarten Stellen gemeint.

Der orale Glukosetoleranztest sollte in der 24. bis 28. Woche durchgeführt werden, da erst zu diesem Zeitpunkt die Verschlechterung der Stoffwechselsituation durch das diabetogene laktogene Plazentahormon zu beobachten ist. Einen Vortest mit 50 g Glukose, wie er zum Teil empfohlen wird, lehnen wir ab und empfehlen, gleich einen oralen Glukosetoleranztest in der üblichen Weise mit 75 g Glukose durchzuführen. Nach der Diagnose ist die Diabetikerin im positiven Falle zu Blutzucker- oder Gewebezuckerselbstkontrollen anzuhalten. Außerdem hat eine Ernährungsberatung stattzufinden.

Mehrere halbstündige Spaziergänge pro Woche sind angezeigt, da sie die Stoffwechselsituation deutlich verbessern. Natürlich soll man das Körpergewicht regelmäßig kontrollieren und starke Gewichtszunahmen vermeiden. In den Leitlinien zum Gestationsdiabetes wird empfohlen, dass in den ersten zwei Wochen vier Messungen pro Tag (einmal nüchtern und dreimal postprandial) durchgeführt werden. Wenn diese Werte in zwei Wochen im Zielbereich (nüchtern weniger als 95 mg/dl, eine Stunde postprandial weniger als 140 mg/dl, zwei Stunden postprandial weniger als 120 mg/dl) liegen, kann auf eine einzige tägliche Messung umgestellt werden. Natürlich soll der Gynäkologe regelmäßig Ultraschallkontrollen durchführen, um eine Makrosomie rechtzeitig zu erkennen.

Wenn die diätetischen Maßnahmen und die Bewegungstherapie nicht ausreichen, ist eine Insulintherapie mit Humaninsulin oder Insulinanaloga angezeigt.

Unter der Insulintherapie sollte der Blutzucker zunächst immerhin sechsmal täglich gemessen werden. Wenn die Geburtswehen einsetzen, ist das Insulin sofort abzusetzen, da sonst mit dem Wegfall des laktogenen Schwangerschaftshormons der Plazenta entsprechend schwere Hypoglykämien drohen können (s. o.).

Bei der Nachsorge sollte nach zwei bis drei Monaten nach der Entbindung ein 75-g-OGTT durchgeführt werden. Es wird empfohlen, dass man dies alle ein bis drei Jahre wiederholt. Immer wieder ist darauf hinzuweisen, dass der Gestationsdiabetes eben auch eine Art Vorsorgetest darstellt und dass – wie gesagt – die Hälfte aller Gestationsdiabetikerinnen nach anfänglicher Normalisierung der Stoffwechselwerte im Laufe des Lebens einen Typ-2-Diabetes entwickelt.

Hier bietet sich als hervorragende Möglichkeit an, durch ernährungs- und bewegungstherapeutische Maßnahmen das Körpergewicht zu reduzieren und die körperliche Aktivität zu steigern.



Autor:

© Kirchheim
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert

Forschergruppe Diabetes e.V.
82152 Krailling

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (9) Seite 24-26