Heutzutage bietet die Therapie des Typ-2-Diabetes eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Je nach Stoffwechselsituation kann eine diätetische Behandlung ausreichend sein oder es kommen orale Antidiabetika, Insulin oder auch eine Kombination aus beiden Wirkstoffgruppen zum Einsatz.

Nestor der deutschen Diabetologie
Wer kennt ihn nicht? Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert ist seit über 50 Jahren auf dem Gebiet der Diabetologie aktiv. Auch heute noch hält der ehemalige Chefarzt der 3. Medizinischen Klinik des Krankenhauses München-Schwabing Vorträge und leistet Aufklärungsarbeit. Prof. Mehnert möchte Diabetesforschung so vermitteln, dass sie auch für den niedergelassenen Allgemeinarzt umsetzbar ist. In diesem Sinne sind auch "Mehnerts Diabetes-Tipps" verfasst, die als Serie im Allgemeinarzt erscheinen und hoffentlich dazu beitragen, dass Sie Ihre Diabetes-Patienten besser betreuen können.

Die wichtigste Therapie, und allen Diabetesformen gemeinsam, ist die Ernährungs- und Bewegungstherapie, auch als diätetische Behandlung bezeichnet. Gerade beim Typ-2-Diabetes gelingt es ja oft, allein mit diesen Maßnahmen zum Ziel zu kommen. Für die Ernährung gibt es drei Vorgaben, die im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen unumstritten sind:

  1. Kaloriengerechte Kost, für die 85 % übergewichtigen oder adipösen Typ-2-Patienten heißt das, weniger Kalorien zuzuführen, als zu verbrauchen.
  2. Ballaststoffreiche Ernährung, die bei den Kohlenhydraten ins Gewicht fällt und mit Gemüse, Salat, Vollkornbrot u. a. abgedeckt werden kann.
  3. Absoluter Rauchverzicht.

So sehr wir heutzutage die Diabetiker bei der Diätberatung nicht mit Verboten überschütten, so konsequent muss man sein mit dem Verbot des Rauchens, das für alle Diabetiker (im Übrigen eigentlich auch für Nichtdiabetiker) nicht nur wegen der allgemeinen Karzinomgefahr, sondern auch vor allem wegen der kardiovaskulären Schäden zu gelten hat. Viele kleine Mahlzeiten gibt man bei Typ-2-Patienten nicht mehr, da sonst die Einzelmahlzeiten "Spatzenportionen" ähneln und immer nur neuen Appetit bei der Nahrungszufuhr hervorrufen würden.

Die Bewegungstherapie wird meist unterschätzt. Hier kann ein dosierter Morgensport und ein schneller Spaziergang, der mindestens drei- bis viermal pro Woche stattfinden sollte, von Bedeutung sein. Mit Joggen sollen Diabetiker erst dann anfangen, wenn der Arzt ihnen bestätigt, dass in kardiovaskulärer Hinsicht keine Bedenken bestehen. Die Zuckerzufuhr soll auf 10 % der Gesamtkalorien (also nur 40 – 60 g täglich) beschränkt und wegen einer raschen Resorption mit der Konsequenz von unerwünschten postprandialen Hyperglykämien in Getränken ganz verboten werden. Die kalorienfreien, unschädlichen Süßstoffe sind hingegen erlaubt.

Sulfonylharnstoffe sind out

Wenn Ernährungs- und Bewegungstherapie nicht ausreichen, wird man unter Beibehaltung dieser diätetischen Richtlinien zu den oralen Antidiabetika greifen. Hier ist anzumerken, dass die Sulfonylharnstoffe quasi als Auslaufmodelle zu betrachten sind, da sie infolge ihrer ständigen Anregung der Insulinsekretion zu schweren, ja mitunter tödlichen Hypoglykämien führen können (vor allem Glibenclamid). Außerdem ist die Sturzgefahr bei solcherart behandelten älteren Patienten um 50 % höher als bei anderweitig therapierten Diabetikern. Dabei ist zu bedenken, dass 5,5 % sogar stationär behandelt und evtl. operiert werden müssen. Dies erhöht natürlich die Kosten, was bei der Kostendiskussion der angeblich so günstigen Sulfonylharnstoffe oft nicht bedacht wird. Und schließlich sollte man im Auge behalten, dass die kardiovaskulären Schäden offenbar unter Sulfonylharnstoffen stärker ausgeprägt sind als bei den ohne bzw. mit Metformin behandelten Patienten. Letztere hatten in einer Studie sogar eine geringfügige, aber nicht signifikante Besserung der Überlebensdauer gegenüber Nichtdiabetikern, die also keine Antidiabetika erhielten, aufzuweisen. Mit Sulfonylharnstoffen behandelte Patienten hingegen hatten eine doppelt so hohe Mortalität im Vergleich zu den Nichtdiabetikern.

Metformin und Gliptine

Als erstes orales Antidiabetikum sollte, wenn keine Kontraindikationen es verbieten (GFR unter 30, Röntgenkontrastmittel-Untersuchungen, exsikkotische Zustände zum Beispiel bei gastrointestinalen Infekten), Metformin gegeben werden. Metformin wirkt über die Bremsung der hepatischen Glukoneogenese blutzuckersenkend, es vermindert die Triglyzeride, es wirkt appetitmindernd, gewichtsreduzierend und womöglich sogar antikarzinogen und interessanterweise auch anregend auf die körpereigene Inkretin (GLP1)-Sekretion.

Dadurch wird Metformin auch zum idealen Kombinationspartner mit Gliptinen (DPP4-Hemmer), da es das gewünschte GLP1 zur Ausschüttung bringt und dieses Inkretin gleichsam auf dem "Tablett" den Gliptinen zur Verfügung stellt. Diese senken nunmehr den Blutzucker, ohne dass man Hypoglykämien befürchten müsste, wobei dann der GLP1-Abbau inhibiert und verzögert wird. Denn es ist ja zu bedenken, dass dieses Inkretin ohne die Gliptingabe nur wenige Minuten seinen hervorragend wirksamen Effekt auf die Blutzuckersenkung – wie gesagt, ohne Hypoglykämien – bewirken würde. Gliptine haben keine Nebenwirkungen aufzuweisen, sind allerdings in ihrer Wirkung ebenso wie die Sulfonylharnstoffe auf eine noch funktionierende, körpereigene Insulinsekretion angewiesen.

SGLT2-Hemmer

Schließlich gibt es noch die Gliflozine (SGLT2-Rezeptorenhemmer), die über eine Glukosurie blutzuckersenkend wirken, gleichzeitig eine Natriurese hervorrufen und zur anhaltenden Gewichtsabnahme (ohne "Jo-Jo-Effekt") führen. Wichtig ist, dass die Gewichtsabnahme auf das Konto des schädlichen viszeralen Fettgewebes und nicht etwa der Muskulatur geht. Am bedeutsamsten sind aber wohl die Befunde, wie sie in der EMPA-REG Outcome®-Studie gezeigt wurden, die sehr günstige Effekte auf die kardiovaskuläre Situation zeigten. Im Vergleich zu Patienten, die kein Empagliflozin erhielten, senkte dieses bei Patienten, die damit behandelt wurden, die kardiovaskuläre Mortalität um 38 %, die Gesamtmortalität um 32 %, die Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz und die Mikroangiopathiequote um 35 %. Diese Effekte wurden bei kardiovaskulär vorgeschädigten Patienten beschrieben, so dass der G-BA für diese Patientengruppe den Gliflozinen einen "beträchtlichen Zusatznutzen" bescheinigte. Nebenwirkungen sind in erster Linie die bei Frauen in bis zu 10 % auftretenden, gut therapierbaren Genitalmykosen sowie die sehr seltenen, merkwürdigerweise gelegentlich auch euglykämischen Ketosen.

Acarbose und Glitazone

Von den übrigen Antidiabetika wird im Allgemeinen Abstand genommen: Acarbose wirkt über die Hemmung der Alpha-Glucosidase im Darm blutzuckersenkend und kann insbesondere bei postprandialen Blutzuckererhöhungen erfolgreich eingesetzt werden. Nachteilig sind die gastrointestinalen Nebenwirkungen (Blähungen!), die vor allem bei zu schneller Dosissteigerung mit einer zu hohen Anfangsdosis auftreten können. Sonst gibt es für diese oft unterschätzte Substanz keine Kontraindikation. Die letzte Gruppe der oralen Antidiabetika sind die Glitazone, wobei Pioglitazon hervorragend gegen die Insulinresistenz und auch gegen die Fettleber wirksam ist. Leider ersetzen die gesetzlichen Krankenkassen die Glitazon-Verabreichung nicht.

GLP1-Rezeptor-Agonisten

Die Aufzählung der Antidiabetika wäre unvollständig, wenn man nicht die ausgezeichneten GLP1-Rezeptor-Agonisten erwähnen würde, die allerdings injiziert werden müssen und die neben der insulinotropen Blutzuckersenkung (ohne Hypoglykämien) stark appetit- und vor allem gewichtsmindernd sind. Diese Substanzen (Exenatid, Liraglutid, Semaglutid) sind auch mit Insulin gut kombinierbar: "incretin supported insulin therapy" bzw. insulin supported incretin therapy, auch als ISI bezeichnet.

Insulin

Insulin kommt dann in Betracht, wenn mit all diesen Antidiabetika und der diätetischen Behandlung keine ausreichende Einstellung erzielt werden konnte. In der Regel wird man mit einer sog. BOT (basal unterstützte orale Therapie) beginnen, wobei man die ja noch immer etwas wirksamen oralen Antidiabetika beibehält und nun mit einer niedrigen Dosis eines Basalinsulins (am besten Glargin U 300) beginnt. Reicht nach einer Weile auch diese Medikation nicht aus, kann man – als BOT plus bezeichnet – vor einer Hauptmahlzeit (meistens zusätzlich mittags) etwas kurzwirkendes Insulin Analogon (Lispro, Aspart oder das am schnellsten wirksame Glulisin) geben. Wenn auch das alles nicht ausreicht, kommt auch bei Typ-2-Langzeitdiabetikern eine Art intensivierte Therapie in Betracht.

Abschließend sei noch die Frage erörtert, ob die Kombination aus Metformin, Gliptinen und Gliflozinen als Tripletherapie oder eine frühzeitige Insulintherapie angezeigt ist. Hier muss man von Fall zu Fall entscheiden und nur, wenn die Einstellung mit der Tripletherapie nicht ausreicht, auf Insulin (BOT, siehe oben) übergehen.

Alles in allem lässt sich also sagen, dass sich für die moderne Behandlung des Typ-2-Diabetes viele neue Optionen eröffnet haben, die es zum Wohle der Patienten zu nutzen gilt.



Autor:

© Kirchheim
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert

Forschergruppe Diabetes e.V.
82152 Krailling

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (1) Seite 37-39