Schlafstörungen und Übergewicht bedingen sich gegenseitig und begünstigen zahlreiche kardiovaskuläre, metabolische oder pneumologische Begleiterkrankungen. Gerade im Hinblick auf die Therapie von Adipositas und Schlafapnoe stellt sich die Frage nach "Henne und Ei" – macht Übergewicht müde oder wird der Müde dick? Die folgende Übersicht versucht ein paar Antworten darauf zu geben.

Weltweit sind über 600 Millionen Menschen von Adipositas betroffen [8]. Allein in Deutschland geht man von einer Prävalenz der Adipositas (BMI größer 30 kg/m2) von 18 % der erwachsenen Bevölkerung aus [12].

Neben dem Gewicht leiden die Patienten unter zahlreichen Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes, der arteriellen Hypertonie und Fettlebererkrankungen, um nur einige zu nennen. Zunehmend in den Fokus rücken nächtliche Atmungsstörungen, welche auch mit der Adipositas assoziiert sind.

Die Prävalenz der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) in der Gesamtbevölkerung liegt je nach Studie bei 7 bis 14 % bei Männern bzw. 2 bei 7 % bei Frauen [15]. Risikofaktoren für die Entwicklung einer obstruktiven Schlafapnoe sind ein höheres Lebensalter, männliches Geschlecht, die Anatomie der oberen Atemwege sowie Übergewicht und der dadurch zunehmende Halsumfang. Gerade bei Adipositaspatienten beobachtet man durch die Fetteinlagerungen im Hals- und vor allem im Pharynx- und Zungengrundbereich eine Einengung der oberen Atemwege – Aspekte, die eine obstruktive Schlafapnoe begünstigen [10]. Aber auch die Vermehrung des viszeralen Fettgewebes und die gesteigerte Leptin-Sekretion beim Adipösen beeinflussen die Entwicklung einer OSA [5].

Teufelskreis Schlafstörungen und Übergewicht

Schlaf und Ernährung stehen deutlich komplexer in Wechselwirkung, als der alleinige Einfluss des Gewichts als Risikofaktor für das Auftreten einer obstruktiven Schlafapnoe suggeriert. So konnte in zahlreichen Publikationen gezeigt werden, dass es offensichtlich einen inversen Zusammenhang zwischen Schlaf und Übergewicht gibt, d. h. Patienten mit wenig Schlaf haben ein deutlich erhöhtes Risiko, übergewichtig zu werden. Interessanterweise traf dies insbesondere auf Männer zu [14]. Auch ließ sich zeigen, dass eine schlechte Schlafqualität, wie sie insbesondere bei der OSA beobachtet werden kann, zu einer deutlichen Gewichtszunahme führt. Auch dies war bei Männern besonders ausgeprägt. Mitursächlich hierfür ist sicherlich das Phänomen, dass kurze Schlafphasen oder spätes Einschlafen über einen längeren Zeitraum bei den entsprechenden Patienten zu einer vermehrten Kalorien- und Fettzufuhr führen [9].

Die OSA ist auch eine relevante Komorbidität bei Erkrankungen aus dem kardiologischen, pneumologischen und neurologischen Formenkreis. So sind die Zusammenhänge zwischen obstruktiver Schlafapnoe und Erkrankungen wie der koronaren Herzerkrankung, der Herzinsuffizienz, aber auch von Herzrhythmusstörungen, wie Vorhofflimmern, belegt. Auch beim Typ-2-Diabetes ist die obstruktive Schlafapnoe als unabhängiger Risikofaktor etabliert [6].

Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist der Einfluss der OSA auf das perioperative Risiko. Bei operativen Eingriffen an OSA-Patienten wird eine erhöhte Komplikationsrate beobachtet. So treten häufiger Beatmungsprobleme und Herzrhythmusstörungen auf, was zu längeren Intensivverweildauern und insgesamt zu einer längeren Krankenhausverweildauer führt [13].

Besondere Aufmerksamkeit sollte, gerade im perioperativen Kontext, die Tatsache erhalten, dass OSA und Adipositas häufig gemeinsam auftreten. So zeigte eine aktuelle Untersuchung, an der fast 300 morbid-adipöse Patienten vor einer bariatrischen Operation teilnahmen, dass nur bei 13 % eine OSA bekannt war. In einer Routine-Polysomnographie ergab sich jedoch bei einem BMI >40 kg/m2 eine OSA-Prävalenz von 70 %, bei Patienten mit einem BMI >50 kg/m2 stieg dieser Wert sogar auf 80 % [11].

Gewichtsreduktion beeinflusst OSA (und umgekehrt?)

Die Therapie der OSA muss der multifaktoriellen Genese der Erkrankung Rechnung tragen. Grundlage einer Behandlung schlafbezogener Atmungsstörungen stellen schlafhygienische Maßnahmen wie regelmäßige Zubettgehzeit, Gewichtsreduktion und das Vermeiden von Alkohol bzw. sedierenden Medikamenten dar. Neben dem Goldstandard der CPAP-Beatmung sind jedoch häufig auch eine Unterkieferprotrusionsschiene, aber auch chirurgische Eingriffe oder die Implantation von Zungenschrittmachern indiziert, um einen Therapieeffekt zu erzielen [6].

Wenn Gewicht und obstruktive Schlafapnoe, wie skizziert, so eng verwoben sind, bleibt die Frage, inwieweit eine Gewichtsreduktion Einfluss auf die OSA nimmt und ob dies allein ausreichend sein könnte, um die OSA dauerhaft zu beeinflussen.

In einer prospektiv nicht randomisierten Untersuchung, an der 63 männliche OSA-Patienten unter CPAP-Therapie über ein Jahr teilnahmen, konnte gezeigt werden, dass eine neunwöchige hypokalorische Diät zu einer deutlichen Besserung der OSA führte. Eine Komplettremission konnte jedoch bei nur 10 % der Patienten verzeichnet werden. Unter einer Erhaltungsdiät kam es dann im Jahresverlauf zu einer moderaten Gewichtszunahme, aber auch zu einem neuerlichen Ansteigen des Apnoe-/Hypopnoe-Index (AHI) als Marker der Schwere der Schlafapnoe [4].

Bariatrische Op. bessert OSA

In einem systematischen Review zum Einfluss einer Gewichtsreduktion auf die obstruktive Schlafapnoe wurden adipositaschirurgische und konservative Therapien zur Gewichtsreduktion miteinander verglichen [1]. Erwartungsgemäß verloren die Teilnehmer in beiden Studien relevant Gewicht, wobei sich schon die Ausgangskohorten deutlich unterschieden. In den chirurgischen Studien konnten die Teilnehmer ihren BMI im Mittel von 55 kg/m2 auf 41 kg/m2 senken. Die Patienten der konservativen Studien waren schon zu Beginn deutlich leichter (BMI 38 kg/m2) und konnten ihren BMI unter Studienbedingungen auf 35 kg/m2 reduzieren. Trotz dieser nur geringen Gewichtsreduktion zeigte sich auch hier eine Besserung der OSA, wobei die Effekte in den operativen Studien deutlich stärker ausfielen.

Die deutliche Reduktion des AHI nach bariatrischen Operationen, als Marker einer Schlafapnoe, bestätigte sich auch in einer Metaanalyse, in der eine deutliche postoperative Reduktion des BMI von 55 kg/m2 auf 38 kg/m2 beobachtet wurde. Dieser Gewichtsverlust ging mit einer Reduktion des AHI um 71 % einher. Der AHI sank ausgehend von 55/h auf 16/h, was immer noch eine behandlungsbedürftige obstruktive Schlafapnoe darstellt. Nur 38 % erreichten einen AHI <5/h und somit eine Komplettremission [3].

Senkt besserer Schlaf das Gewicht?

Angesichts des offensichtlich engen Zusammenhangs zwischen Adipositas und Schlaf bleibt die Frage, ob eine Beeinflussung des Schlafs, z. B. durch CPAP im Rahmen der OSA-Behandlung, in der Lage ist, positiv auf das Gewicht der Patienten zu wirken, da die CPAP-Therapie sich ja positiv auf die Schlafqualität auswirkt. Tatsächlich wurde in einer Studie ein signifikanter Gewichtsverlust als Effekt einer CPAP-Therapie bei OSA beschrieben [7]. Eine aktuelle Metaanalyse, die 3.181 Teilnehmer umfasste, kam jedoch zum Ergebnis, dass bei einer Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe mit CPAP eher ein Anstieg des BMI und des Körpergewichts beobachtet werden. Die Autoren fordern deshalb, dass adipösen Patienten, die mittels CPAP therapiert werden, zusätzlich eine Gewichtsreduktion empfohlen werden sollte [2].

Adipositaschirurgie zeigt positive Effekte

Adipositas und OSA sind eng miteinander verwobene Krankheitsbilder, die einzeln, aber auch in Kombination mit anderen metabolischen und kardiovaskulären Erkrankungen in Zusammenhang stehen. Adipositas und OSA für sich genommen, aber insbesondere das gemeinsame Auftreten, stellen klare Behandlungsindikationen dar. Die Adipositaschirurgie hat sich auch im Hinblick auf die Effekte auf die OSA als zuverlässiges Behandlungskonzept gezeigt. Bei der OSA, wie auch schon beim Diabetes, ist die Adipositaschirurgie den konservativen Konzepten zur Gewichtsreduktion deutlich überlegen. Aber auch bei der obstruktiven Schlafapnoe zeigt sich, dass eine isolierte Fokussierung auf eine Gewichtsreduktion nur in seltenen Fällen eine Komplettremission der OSA bewirken kann.

In der Praxis sollten Patienten mit Adipositas (zumindest bei morbider Adipositas BMI>40 kg/m2) einer schlafmedizinischen Diagnostik zugeführt werden. Patienten mit einer OSA und gleichzeitiger Adipositas sollten über die Chancen einer Gewichtsreduktion (insbesondere eine adipositaschirurgische) aufgeklärt und in einem Adipositaszentrum vorgestellt werden. In gleicher Weise sollten aber auch OSA-Patienten nach einer relevanten Gewichtsreduktion angehalten werden, die dann gebesserte OSA engmaschig nachsorgen zu lassen, da eine Komplettremission wenig wahrscheinlich ist und selbst dann ein Wiederauftreten trotz stabilem Gewicht beschrieben wurde. Gerade vor dem Hintergrund, dass neuere Therapiekonzepte der OSA, wie etwa Neurostimulatoren, in der Regel bei relevanter Adipositas (BMI >35) kontraindiziert sind, können bariatrische Operationen eine sinnvolle Ergänzung sein, um betroffenen OSA-Patienten neue Therapieoptionen zu erschließen.


Literatur
1. Ashrafian H, Toma T, Rowland SP, Harling L, Tan A, Efthimiou E, Darzi A, Athanasiou T. (2015) Bariatric Surgery or Non-Surgical Weight Loss for Obstructive Sleep Apnoea? A Systematic Review and Comparison of Meta-analyses Obes Surg. 25(7):1239-50.
2. Drager LF, Brunoni AR, Jenner R, Lorenzi-Filho G, Benseñor IM, Lotufo PA. (2015) Effects of CPAP on body weight in patients with obstructive sleep apnoea: a meta-analysis of randomised trials. Thorax 70(3):258-64.
3. Greenburg DL, Lettieri CJ, Eliasson AH. (2009) Effects of surgical weight loss on measures of obstructive sleep apnea: a meta-analysis. Am J Med. 122(6):535-42.
4. Johansson K, Hemmingsson E, Harlid R, Trolle Lagerros Y, Granath F, Rössner S, Neovius M. (2011) Longer term effects of very low energy diet on obstructive sleep apnoea in cohort derived from randomised controlled trial: prospective observational follow-up study. BMJ. 1;342:d3017..
5. Lévy P, Kohler M, McNicholas WT, Barbé F, McEvoy RD, Somers VK, Lavie L, Pépin JL. (2015) Obstructive sleep apnoea syndrome. Nat Rev Dis Primers. 25;1:15015.
6. Light M, McCowen K, Malhotra A, Mesarwi OA. (2018) Sleep apnea, metabolic disease, and the cutting edge of therapy. Metabolism.84:94-98.
7. Loube DI, Loube AA, Erman MK.J (1997) Continuous positive airway pressure treatment results in weight less in obese and overweight patients with obstructive sleep apnea. Am Diet Assoc. 97(8):896-7.
8. NCD Risk Factor Collaboration (NCD-RisC). (2016) Trends in adult body-mass index in 200 countries from 1975 to 2014: a pooled analysis of 1698 population-based measurement studies with 19·2 million participants. Lancet. 387(10026):1377-1396.
9. Ogilvie RP, Patel SR. (2017) The epidemiology of sleep and obesity. Sleep Health. (5):383-388.
10. Pahkala R, Seppä J, Ikonen A, Smirnov G, Tuomilehto H. (2014) The impact of pharyngeal fat tissue on the pathogenesis of obstructive sleep apnea. Sleep Breath. 18(2):275-82.
11. Ravesloot MJ, van Maanen JP, Hilgevoord AA, van Wagensveld BA, de Vries N. (2012) Obstructive sleep apnea is underrecognized and underdiagnosed in patients undergoing bariatric surgery. Eur Arch Otorhinolaryngol. 269(7):1865-71.
12. Statistisches Bundesamt. (2017). Wirtschaft und Statistik (Juni 2014). Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
13. Tamisier R, Fabre F, O‘Donoghue F, Lévy P, Payen JF, Pépin JL. (2018) Anesthesia and sleep apnea. Sleep Med Rev. 40:79-92.
14. Watanabe M, Kikuchi H, Tanaka K, Takahashi M. (2010) Association of short sleep duration with weight gain and obesity at 1-year follow-up: a large-scale prospective study Sleep. 33(2):161-7.
15. Young T, Peppard PE, Gottlieb DJ (2002) Epidemiology of obstructive sleep apnea: a population health perspective. Am J Respir Crit Care Med 165: 1217–39



Autor:

Prof. Dr. med. Till Hasenberg

Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeralchirurgie und Koloproktologie, Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen; Leiter des Helios Adipositaszentrums West, Velbert, Bochum-Linden, Oberhausen, Wuppertal, Universität Witten/Herdecke
46045 Oberhausen

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (20) Seite 23-25