Mit dieser Ausgabe führen wir die Artikelserie zu verbreiteten Rechtsirrtümern in der Arztpraxis fort. Der Fachanwalt für Medizinrecht Björn Stäwen LL. M., Lehrbeauftragter der Universität Münster, beleuchtet die mitunter teuren Stolperfallen und gibt Hinweise zu deren Vermeidung. In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit Fallstricken im Mietrecht. Denn wer nicht gerade Eigentümer der Immobilie ist, in der sich die eigene Praxis befindet, wird immer wieder mit mietrechtlichen Fragestellungen in Kontakt kommen, vielfach aber gar nicht ahnen, welche Probleme – ggf. erst nach Jahren – auftreten können.

Umstrukturierungen zulassen, Blockaden verhindern

Häufig wird eine Praxis zunächst als Einzelpraxis betrieben. Später kann sich dann der Wunsch entwickeln, einen Partner zwecks Gründung einer Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft aufzunehmen. Mancher fällt dann aus allen Wolken, wenn er feststellt, dass der Vermieter ihm bei diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machen kann, wenn dieser Fall nicht im Mietvertrag geregelt ist (was bei Standard-Verträgen nicht der Fall ist). Denn grundsätzlich kann der Vermieter frei entscheiden, ob er einen weiteren Mieter mit aufnehmen möchte. Und auch bei einer Gestaltung, bei der nur einer der Partner als Mieter auftritt, bleibt die Entscheidung beim Vermieter, ob weiteren Partnern die Räumlichkeiten zur (Mit-)Nutzung überlassen werden dürfen. Aus diesem Grund sollte also bereits bei Abschluss des Mietvertrages eine Regelung aufgenommen werden, welche den Mieter dazu berechtigt, einen oder mehrere Partner in die Praxisräume aufzunehmen. Idealerweise sollte in dem Vertrag auch eine Regelung zum Austritt von ausscheidenden Partnern aus der Gemeinschaftspraxis/Praxisgemeinschaft enthalten sein, um die Nachhaftung für diese zu begrenzen. Auch eine sogenannte Nachfolgerklausel sollte sich in Ihrem Mietvertrag finden – nur so können Sie sich darauf verlassen, Ihre Praxis bei Abgabe unabhängig vom Vermieter veräußern zu können. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, um etwaige Rest-Festlaufzeiten an den Nachfolger übertragen und den mit dem Standortvorteil verbundenen ideellen Wert voll realisieren zu können. Nur so kann letztlich ein angemessener Kaufpreis für die Praxis erzielt werden.

Umstrukturierung: Fallstricke vermeiden
  • Ein Praxismietvertrag sollte immer Regelungen zu Nachfolge und Erweiterung enthalten.
  • Sollte Ihr Praxismietvertrag derartige Regelungen nicht enthalten, empfiehlt es sich, frühzeitig – ggf. im Zusammenhang mit einer Vertragsverlängerung – mit Ihrem Vermieter ergänzende Regelungen zu vereinbaren, bevor Sie bei bevorstehender Abgabe oder Erweiterung in Nöte geraten.

Für Berufsunfähigkeit vorsorgen, Erben schützen

Schicksalsschläge wie Tod oder Berufsunfähigkeit kommen immer ungelegen – oft aber auch unerwartet. Damit der berufsunfähige Arzt oder dessen Erben in dieser schwierigen Situation nicht auch noch bei der dann erforderlichen Verwertung der Praxis eine böse Überraschung erleben, sollte der Praxismietvertrag für diesen Fall spezielle Regelungen vorsehen. Ist keine spezielle Regelung getroffen, gilt § 580 BGB. Danach steht es nach dem Tod des Mieters sowohl dem Erben als auch dem Vermieter zu, den Mietvertrag (trotz Festlaufzeit) außerordentlich zu kündigen. Macht der Vermieter von diesem Recht Gebrauch, kann die Veräußerung der Praxis faktisch unmöglich gemacht werden. Die Regelung des § 580 BGB sollte im Mietvertrag daher ausdrücklich ausgeschlossen werden. Stattdessen sollte ein einseitiges Sonderkündigungsrecht lediglich für den Mieter bzw. seine Erben bei Tod oder Berufsunfähigkeit vereinbart werden, damit eine Festlaufzeit möglichst abgekürzt werden kann, falls eine Veräußerung der Praxis nicht gelingen sollte. Kombiniert werden sollte diese Regelung mit der oben schon vorgestellten Nachfolgeklausel. Wichtig ist dabei, dass der Fall der Berufsunfähigkeit im Vertrag näher definiert wird, um Streit hierüber vorzubeugen. Die Kriterien der Versorgungswerke unterscheiden sich deutlich von den Normativbedingungen der Privaten Berufsunfähigkeitsversicherer.

Berufsunfähigkeit: Fallstricke vermeiden
  • Schließen Sie die Anwendbarkeit des § 580 BGB in Ihrem Mietvertrag ausdrücklich aus. Vereinbaren Sie stattdessen ein einseitiges Sonderkündigungsrecht im Falle von Tod oder Berufsunfähigkeit, um einer Kündigung durch den Vermieter zu entgehen.
  • Legen Sie genau fest, was unter Berufsunfähigkeit zu verstehen ist, und orientieren Sie sich dabei idealerweise an den Normativbedingungen der Privaten Berufsunfähigkeitsversicherer.

Immer gut in Form bleiben: Formvorschriften

Bei den Formvorschriften eines Mietvertrages wird in der Praxis häufig geschludert – zum Teil mit gravierenden Folgen. Denn schon ein kleiner Formfehler kann im Mietrecht dazu führen, dass der Vermieter den Mietvertrag mit gesetzlicher Frist kündigen kann, auch wenn eigentlich eine jahrzehntelange Festlaufzeit vereinbart worden ist. Gerade in angespannten Mietverhältnissen haben sich Vermieter auf diese Weise schon häufig "anstrengender" Mieter entledigt. Neben dem generellen Erfordernis, dass der Vertrag schriftlich (das heißt mit eigenhändiger Unterschrift) zu fassen ist, ist besonders darauf zu achten, dass sämtliche Anhänge und Nachträge fest mit dem Mietvertrag verbunden werden (z. B. durch Leimbindung). Sofern eine Partei sich – etwa durch eine Hausverwaltung – vertreten lässt, ist eine Originalvollmacht als Anlage beizufügen. Ein Formfehler kann sich in bestimmten Situationen natürlich auch zugunsten des Mieters auswirken, beispielsweise wenn das Mietverhältnis vorzeitig beendet werden oder andersrum eine fehlerbehaftete Kündigung zurückgewiesen werden soll. Da eine Zurückweisung einer Kündigung nur innerhalb eines äußerst kurzen Zeitfensters möglich ist, sollte bei jeder ungelegenen Kündigung schnell anwaltlicher Rat eingeholt werden.

Formfehler: Fallstricke vermeiden
  • Beachten Sie die strengen Formerfordernisse bei langfristigen Mietverträgen, um sich vor Kündigung zu schützen. Nutzen Sie bei Formfehlern die Möglichkeit, die erforderliche Form im Zuge von Vertragsanpassungen zu korrigieren.
  • Holen Sie bei einer unerwünschten Kündigung umgehend anwaltlichen Rat ein, um etwaige Zurückweisungsmöglichkeiten nicht zu verpassen.

Rückbau ohne Bau?

Für Praxisnachfolger, die eine bereits eingerichtete Praxis übernehmen, ist die sogenannte Rückbaupflicht von besonderer Relevanz. Wenn Rückbaupflichten des Vormieters übernommen worden sind, müssen bei Beendigung des Mietverhältnisses mitunter auch solche baulichen Änderungen auf Mieterkosten zurückgebaut werden, die vor vielen Jahren vom Vormieter vorgenommen worden sind. Um dies zu vermeiden, sollte vor Kauf einer Praxis der Mietvertrag auch in dieser Hinsicht gründlich geprüft werden, derartige eventuell bestehende Verpflichtungen genau definiert und ihr Umfang abgeklärt werden. Im besten Fall werden Rückbaupflichten für bereits erfolgte Umbauten gänzlich ausgenommen.

Rückbaupflichten: Fallstricke vermeiden
  • Vor Kauf einer Praxis sollte ein genauer Blick in den Mietvertrag geworfen werden, um etwaige Rückbaupflichten einzugrenzen.

Was passiert mit der Praxis bei Immobilienverkauf?

Will der Vermieter seine Immobilie veräußern, fragen sich die Mieter, was mit ihren Mietverträgen passiert. Hier hat der Gesetzgeber glücklicherweise vorgesorgt: "Kauf bricht nicht Miete" – so die ungewöhnlich plakative Überschrift von § 566 BGB. Alle Mietverhältnisse gehen mit sämtlichen Vereinbarungen unverändert auf den neuen Eigentümer über; dieser kann aus Anlass der Übernahme weder die Miete erhöhen noch vorzeitige Kündigungen aussprechen. Dennoch ist Vorsicht geboten – nicht selten überprüfen gerade profitorientierte Immobilienerwerber die langfristigen Verträge auf etwaige Formfehler wie oben beschrieben, um ggf. vorzeitig kündigen zu können.

Immobilienverkauf: Fallstricke vermeiden
  • Lassen Sie sich als Mieter bei Veräußerung der Immobilie nicht beirren – Sie behalten Ihre Mieterrechte in vollem Umfang.

Vorkauf oder Leerlauf?

Wer bei Anmietung von Praxisräumen erwägt, diese später vielleicht einmal zu Eigentum zu erwerben, mag geneigt sein, ein sogenanntes Vorkaufsrecht in den Mietvertrag aufzunehmen. Doch Vorsicht: Ein Vorkaufsrecht, das sich auf eine Immobilie bezieht, ist wie alle Grundstücksgeschäfte zwingend notariell zu beurkunden, damit es wirksam ist. Da Mietverträge aber in aller Regel nicht notariell beurkundet werden, sind diese Regelungen dann schlichtweg unwirksam. Schlimmer noch: Nimmt das unwirksame Vorkaufsrecht eine zentrale Rolle in der Gesamtvereinbarung ein, kann der Formfehler sogar den gesamten Mietvertrag "infizieren", was wiederum zu den oben schon beschriebenen Folgen führen kann. Sollte also ein ernsthaftes Interesse daran bestehen, sich bereits im Vorhinein eine Kaufoption zu sichern, müssen die zusätzlichen Kosten einer notariellen Beurkundung in Kauf genommen werden. Ansonsten gilt: Kein Vorkaufsrecht ist besser als ein unwirksames Vorkaufsrecht.

Vorkaufsrecht: Fallstricke vermeiden
  • Ein Vorkaufsrecht im Mietvertrag ist nur wirksam, wenn es notariell beurkundet ist.
  • Ohne notarielle Beurkundung sollte auf das Vorkaufsrecht insgesamt verzichtet werden.


In der nächsten Ausgabe erfahren Sie im dritten Teil dieser Serie, welche Stolperfallen bei der Praxisabgabe und -übernahme zu beachten sind.



Autor:

© Björn Stäwen
Björn Stäwen, LL. M.

Fachanwalt für Medizinrecht, kwm rechtsanwälte – Kanzlei für Wirtschaft und Medizin PartG mbB; Lehrbeauftragter der Universität Münster im Masterstudiengang Medizinrecht für den Bereich Vertragsarztrecht



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (13) Seite 65-67