Wenn ein Patient – aus welchen persönlichen Gründen auch immer – die angeratene Behandlung verweigert, hinterlässt er den Arzt frustriert und aufgrund der möglichen Folgen vor allem verunsichert. Wie sichern Sie sich rechtlich ab? Entscheiden Sie selbst anhand von drei Fällen.

Fall 1: Einsichtiger, alter Patient
Die 82-jährige Patientin Frau L. wird von ihrer Nachbarin in Ihre Praxis gebracht. Sie berichtet über anhaltende Müdigkeit, häufiges Wasserlassen, starken Durst. Heute früh sei ihr dann plötzlich ganz schwindlig geworden, so dass ihre Nachbarin, die zufällig zugegen war, sie zu einem Arztbesuch gedrängt habe. Sie selbst habe diesen Termin eigentlich gar nicht wahrnehmen wollen: "Es kommt sowieso alles, wie es kommen soll." Nach eingehender Anamnese teilen Sie Frau L. mit, dass alle Anzeichen auf einen Typ-2-Diabetes hindeuten, klären sie über die Erkrankung selbst und mögliche Folgeerkrankungen bei Nichtbehandlung auf und erklären ihr die notwendigen Behandlungsschritte. Zunächst möchten Sie die Vermutung aber noch mit einem Blutzuckertest bestätigen. Frau L. berichtet, sie habe mit dieser Diagnose gerechnet, sie lehne aber sowohl den Test als auch alle weiteren Behandlungsschritte entschlossen ab, mit der Begründung, sie sei alt genug, sie habe ihr Leben gelebt und möchte sich die Behandlung und vor allem eine Lebensstiländerung ersparen. Sie habe weder Verwandte noch Freunde und sehe keinen Grund, ihr Leben unnötig zu verlängern. Sie kennen die Patientin schon lang, sie ist im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und wirkt in ihrem Auftreten nach der vermuteten Diagnose ruhig, sicher, selbstbewusst und reflektiert. Können Sie ihren Wunsch respektieren, auch mit dem Wissen, dass eine Unterlassung der Behandlung weitere Konsequenzen haben wird?

Fall 2: Behandlungsverweigerung aus religiösen Gründen
Sie werden als Notarzt zu einem Autounfall bestellt. Nach der Erstversorgung wird der Patient in das nächstgelegene Krankenhaus überwiesen. Er ist zwar ansprechbar und bei vollem Bewusstsein, muss aber aufgrund innerer Verletzungen einer Operation unterzogen werden. Da es hierbei zu starken Blutungen kommen kann, wird er über die Möglichkeit einer Bluttransfusion aufgeklärt. Der Patient macht deutlich, dass er den Einsatz von Fremdblut aufgrund seiner religiösen Ansicht strikt ablehnt. Muss sich der operierende Arzt im Falle einer Komplikation während des Eingriffs hieran halten?

Fall 3: Geistig verwirrter Patient, alkoholabhängig
Sie erscheinen zum Hausbesuch bei dem 69-jährigen, alleinstehenden und seit einigen Jahren alkoholabhängigen Herrn M. Sie finden ihn stark alkoholisiert und fiebrig mit einer großen Platzwunde am Kopf (offensichtlich von einem Sturz) in seiner Wohnung vor. Aufgrund der stark blutenden Wunde und des Fiebers kündigen Sie dem Patienten an, ihn mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus einzuweisen. Dies lehnt Herr M. vehement ab und ist direkt so aufgebracht, dass er auch eine Versorgung der Wunde nicht mehr zulässt. Gehen Sie der Aufforderung nach und riskieren eine Verschlechterung des Zustands?

Die Rechtslage

Jeder einsichtsfähige Patient hat das Recht, selbstbestimmt eine ärztlich angeratene Behandlung zu verweigern, auch wenn das bedeutet, dass er damit seinen Tod in Kauf nimmt [1]. Die Gründe, die er hierfür nennt, brauchen für den Arzt nicht nachvollziehbar zu sein. Ist der Arzt sich der Einsichtsfähigkeit des Patienten sicher, muss er den Wunsch respektieren. Führt er dennoch einen Eingriff gegen den Willen des Patienten durch, kann dies als Körperverletzung angesehen werden, selbst dann, wenn es sich nur um eine Injektion, eine Blutzuckermessung oder Wundnaht handelt. Allerdings besteht in manchen Fällen die begründete Angst des Arztes, bei schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen vom Patienten oder dessen Angehörigen am Ende doch noch der unterlassenen Hilfeleistung beschuldigt zu werden. Um sich hiervor zu schützen und um sicherzustellen, dass der Patient eine aufgeklärte und bewusste Entscheidung trifft, ist der Arzt verpflichtet, den Patienten genauestens über die Notwendigkeit der Behandlung und die Tragweite seiner Entscheidung zu unterrichten [1]. Er muss sicherstellen, dass sich der Patient der medizinischen Konsequenzen vollkommen bewusst ist. Dies sollte der Arzt unbedingt sorgfältig dokumentieren und im besten Fall sogar von dem Patienten unterzeichnen lassen. Ein Nebeneffekt einer solchen Unterzeichnung ist, dass sich der Patient hierdurch oft noch einmal der Bedeutung der Entscheidung bewusst wird [1]. Im klinischen Bereich, in welchem sich das Problem häufiger stellt, kommt meist eine offizielle Verweigerungserklärung zum Einsatz. Eine solche standardisierte Erklärung kann natürlich auch in Arztpraxen verwendet werden.

Auflösung der Fälle

Im Fall der Patientin Frau L., bei der eine absichernde Diagnose durch einen Blutzuckertest sowie die anschließende Behandlung des Diabetes notwendig wäre, erhalten Sie den Eindruck, dass die Dame völlig einsichtsfähig ist und die Tragweite ihrer Entscheidung ganz bewusst und aufgeklärt einsehen kann. Sie hat selbstverständlich das Recht, die Behandlung zu verweigern. Auch den Blutzuckertest dürfen Sie nicht gegen ihren Willen durchführen, dies könnte bereits als Körperverletzung angesehen werden.

Auch im Falle des verunfallten Patienten, der eine Bluttransfusion aus religiösen Gründen ablehnt, kann man davon ausgehen, dass er diese Entscheidung reflektiert und bewusst getroffen hat. Der operierende Arzt darf im Zuge der OP kein Fremdblut einsetzen, auch wenn dies den Patienten in Lebensgefahr bringt [1].

Beim dritten Beispiel des alkoholisierten Herrn M. liegt ein schwieriger Grenzfall vor. Man spricht hier von einem eingeschränkt einwilligungsfähigen Patienten. Er ist alkoholisiert und aufgrund des Sturzes und des Fiebers desorientiert und verwirrt. Sie können nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass er die Situation und die Dringlichkeit einer Behandlung realistisch einschätzt und einsichtsfähig ist. Der Arzt hat in diesen Fällen einen gewissen Beurteilungsspielraum. Entscheiden Sie sich, dem Willen des Patienten nachzukommen, und unterlassen eine weitere Behandlung, sollten Sie sich nicht allein auf die Unterzeichnung einer Verweigerungserklärung verlassen. So heißt es in § 105 BGB (Nichtigkeit der Willenserklärung): "Nichtig ist eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird." In diesem Sinne ging ein Fall vor Gericht, bei dem ein stark fiebernder Patient eine Krankenhauseinweisung mit einer unterzeichneten Verweigerungserklärung ablehnte. Da hierdurch die korrekte Diagnose und die entsprechende Behandlung unterblieben, erlitt der Patient eine dauerhafte einseitige Lähmung. Das Gericht bewertete die Unterschrift auf der Verweigerungserklärung als ungültig, da der Patient aufgrund des Fiebers zum Zeitpunkt der Unterzeichnung verwirrt und desorientiert war. Die Ärztin hätte durch genaue Dokumentation beweisen müssen, dass dem Patienten die Tragweite der Entscheidung bewusst war.

Vice versa: Darf der Arzt die Behandlung eines Patienten ablehnen?
Und wie schaut es aus der anderen Perspektive aus? Unter welchen Bedingungen darf der Arzt die Behandlung eines Patienten ablehnen? Hierzu erklärt die KV Thüringen Folgendes: "Grundsätzlich hat jeder Vertragsarzt die Pflicht, einen GKV-Versicherten zu behandeln. Allerdings ist er berechtigt, in begründeten Fällen die Behandlung eines GKV-Versicherten abzulehnen und die Krankenkasse unter Mitteilung der Gründe hierüber zu informieren (vgl. § 13 Abs. 7 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ärzte)). Dies kann z. B. der Fall sein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstört ist oder wenn der Arzt derart überlastet ist, dass eine qualitätsgerechte Behandlung des Patienten nicht mehr gewährleistet werden kann.

Die Ablehnung einer Behandlung wegen Überlastung des Arztes gilt jedoch nicht für Notfälle. Allerdings kann eine Ablehnung unbeschadet der Hilfeleistungspflicht in Notfällen darin bestehen, dass der Vertragsarzt bei einer Übernahme der Behandlung die Grenzen seines Fachgebietes überschreiten müsste.

Ein Ablehnungsgrund ist jedoch nicht die Auffassung des Arztes, dass er für die Behandlung keine angemessene Vergütung erhält.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass in begründeten Fällen – außer bei Notfällen – die Behandlung abgelehnt werden kann."


Literatur:
1. Große Feldhaus S (2019): Behandlungsverweigerung. In: Große Feldhaus S, Große Feldhaus J (Hrsg.) Arzt und Recht bei Fehlern und Irrtümern – Für Praxis, Klinik und Begutachtung. München: Urban & Fischer in Elsevier, S. 92–95


Autorin:
Yvonne Schönfelder


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (7) Seite 67-69