Ärzte sind nachvollziehbar schlechte Patienten, denn schließlich gibt es auf diesem Planeten nur einen Medicus, dem sie wirklich vertrauen. Und der ist im Augenblick durch Krankheit verhindert, weil er eben ein Mann ist.

Wie übelwollende, nach Anerkennung heischende, zeitgeistaffine Stimmen behaupten, sind Erkältungskrankheiten beim Mann kaum schlimmer als bei der Frau. Das sogenannte starke Geschlecht sei schlichtweg nur zimperlicher.

Als ich kürzlich selbst an einer Infektion der oberen Atemwege vom ICD-Typ J06.9G erkrankte, sprach meine Frau mit einem suspekten Flackern in den Augen von einer „schweren Männergrippe“ (Rhinopharyngitis variatio virilis), die mich wohl erwischt habe. Zu Recht, denn jetzt erlebte ich am eigenen Leib, wie scheußlich es Mann da geht. Den Gerüchten einer krankhaft gesteigerten, maskulinen Empfindlichkeit muss energisch widersprochen werden. Und die Wissenschaft gibt mir mit soliden Erkenntnissen Recht.

Das Problem beginnt schon damit, dass Männer für Viren und Bakterien anfälliger sind. Als Ursache kommen die unterschiedlichen Hormonhaushalte infrage. Natürlich gibt es viele Faktoren, die den Verlauf einer Erkältung beeinflussen, aber zu den größten gehören tatsächlich die Hormone Östrogen und Testosteron. Forscher der amerikanischen John Hopkins University in Baltimore haben herausgefunden, dass Frauen durch das weibliche Sexualhormon Östrogen vor Grippe geschützt werden. Das Hormon wirkt offenbar antiviral, indem es das Virus hindert, sich in den Nasenzellen zu vermehren. Damit ist der schlagartigen Virusausbreitung schon mal ein Riegel vorgeschoben, eine Option, die uns Männern nachvollziehbar verwehrt ist.

Außerdem konnten schon 2015 US-amerikanische Forscher in Philadelphia zeigen, dass das zweite X-Chromosom der Frauen bezüglich der Immunabwehr des Körpers genetisch besser ausgestattet ist als bei den Herren der Schöpfung. Und mit der Schöpfung ist auch schon die Frage nach der Ursache beantwortet.

Evolutionsbiologisch sind Frauen wahrscheinlich mit einem großen Östrogenfundus und einem stärkeren Immunsystem ausgestattet, um die Nachwuchspflege über Jahre nachhaltig zu sichern. Der Mann ist als Erzeuger und Jäger nach einer gewissen Zeit entbehrlich und kann im Unterschied zur Mutter leichter ersetzt werden.

Deshalb sind für uns Männer auch vermeintlich profane Erkältungen potenziell gefährlich, denen wir entschlossen entgegentreten müssen. So bleibt mir als archaisch geprägtem Mann gar keine andere Möglichkeit, als Speer und Bogen wegzulegen, meine Höhle aufzusuchen und meiner Genesung mit Kopfdampfbädern (Abbildung), Melisse-Ingwertee und einer fürsorglichen Pflege durch meine liebende Gemahlin gelassen entgegenzusehen. Schließlich möchte ich meine mühsam erworbenen Rentenansprüche durch ein finales Frühableben nicht unnötig gefährden.


Dies meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (5) Seite 83