In diesem Beitrag soll es zwar um Qualitätsmanagement (QM) gehen, allerdings mehr um Qualität als um Management. Also um etwas Handfestes und vor allem auch um etwas Praktikables. Wie QM sinnvoll umgesetzt werden kann, wird an zwei eingängigen Beispielen demonstriert.

Den Vorreiter für diese Art von "Qualitätsmanagement für die Hausarztpraxis" finden wir in den Niederlanden. Vor über 20 Jahren begann man dort mit etwas Einmaligem: Während einer Praxisvisitation – durchgeführt von peers, das sind gleichrangige Kolleginnen und Kollegen (im Folgenden wird aus Gründen der Leserlichkeit nur die maskuline Form verwendet) – wird zunächst eine nachvollziehbare Ist-Analyse der Praxis erhoben: Wie ist sie ausgestattet? Wie steht es um die Teamatmosphäre? Wie ist der Blick auf die Praxis aus Sicht der Patienten? Wie gut sind die Abläufe geregelt? Die Ergebnisse dieser Erhebung werden der Praxis vertraulich zurückgemeldet (s. Abb. 1).

Es liegt nun an dem Praxisteam, die Erkenntnisse entweder zu ignorieren oder etwas daraus zu machen. Und siehe da, wir hätten erreicht, was sich manche von uns Hausärzten wünschen: reflektierende Praktiker. Das gesamte Team denkt darüber nach, was es warum getan hat. Oder eben auch unterlassen hat. So haben sich Teams beispielsweise darüber Gedanken gemacht, wie sie mit dem Thema "Datenschutz" umgehen sollen. Doch darüber erst später mehr. Betrachten wir zunächst einmal, ob diese Innovation auch im deutschen Gesundheitswesen ankam.

Beispiel 1: Die Teambesprechung
Eine Praxis wird kaum eine gute Versorgung leisten können, wenn nicht das gesamte Team mit den Zielen und den Wegen dorthin übereinstimmt. Für alle Beiträge sollte die "ä-Regel" gelten: Nicht ärgern, ändern! Das heißt, dass für ein aufgeworfenes Problem auch gleichzeitig von derselben Person zumindest eine Lösungsmöglichkeit vorgeschlagen werden sollte. Ob diese dann auch gewählt wird oder ob sich während der Diskussion ungeahnte Perspektiven mit entsprechenden Zielvereinbarungen eröffnen, das entscheidet das Praxisteam ganz allein. Hört sich einfach an, dieses transaktionale Führungsprinzip. Meist bedarf es jedoch der Geduld und einer Portion Zurückhaltung der Führungskräfte, damit sich alle Teammitglieder mit ihren persönlichen Fähigkeiten aktiv einbringen. Doch wenn der Wagen einmal rollt, dann ist er kaum aufzuhalten. Auch schwere Brocken können ihn nicht aus der Bahn werfen.

Für die Teambesprechungen bedarf es nicht viel. Es genügt das "Sixpack" STUVWZ:
  • Störungsprophylaxe betreiben. Das gilt sowohl für das Gesehenwerden als auch für die telefonische Erreichbarkeit. Nur wenn sich alle (!) ungestört den Themen widmen können, kann die Teambesprechung erfolgreich verlaufen. Besprechen Sie den Anrufbeantworter der Praxis mit einer verständlichen Ansage, welche Rufnummer in einem dringenden Fall gewählt werden soll. Ihr Mobilfunkgerät wird erfahrungsgemäß nur sehr selten klingeln.
  • Team-Moderator (Zeitwächter) benennen. Einer hält das Heft in der Hand und achtet darauf, dass das Programm abgearbeitet wird. Dies kann der Verantwortliche für QM sein, doch auch ein abwechselndes Moderieren ist vorstellbar.
  • Unterlagen für ein kurzes Ergebnisprotokoll. Die vereinbarten Konsequenzen sollten festgehalten werden; idealerweise im To-do-Modus: Was soll getan werden? Wer übernimmt die Aufgabe und bis wann? Das kann entweder auf einem Blatt Papier oder in einem EDV-Dokument erfolgen. Sinnvoll ist die wiederholte Rückschau auf die gestellten Aufgaben und ggf. die Analyse, warum vereinbarte Maßnahmen nicht umgesetzt wurden. Schließlich heißt es "to do" und nicht "tu Du".
  • Visualisierung mittels Flipchart, Wandtafel oder Beamer ist äußerst hilfreich. Die transparente Darstellung des Besprochenen steigert die Aufmerksamkeit der Teilnehmer. Außerdem beugt sie Missverständnissen vor.
  • Wasser, Kaffee, Tee, Kuchen, Eis etc. vorbereiten. Der Spaß soll auch beim QM nicht zu kurz kommen. Bewährt hat sich der selbst gebackene Kuchen anlässlich eines vergangenen Geburtstages.
  • Zeit(dauer), Ort und Themen festlegen. Der Rahmen für die Besprechung muss klar geregelt sein. Auf einem vorbereiteten Bogen (bevorzugt in der EDV) sollen bereits tätigkeitsbegleitend in den Tagen und Wochen zuvor Themen, ggf. mit einer kurzen Erläuterung, eingetragen werden. Bei einer großen Themenliste kann über farbliche Markierungen eine Priorisierung vorgenommen werden. Dieses Dokument kann gleichzeitig als Protokollvorlage dienen. Darüber hinaus kann es sich zur Regel gemacht werden, mindestens ein dokumentiertes "kritisches Ereignis" zu diskutieren.

Um die Jahrtausendwende befand sich die deutsche Hausarztmedizin in einer Identitätskrise. Dazu beigetragen hatten ein nachlassender Einfluss in der Selbstverwaltung sowie zunehmende Nachwuchsprobleme. Mit Hilfe von Verträgen über eine "Hausarztzentrierte Versorgung" sollte daraufhin nachgewiesen werden, wie leistungsfähig eine gute primärmedizinische Versorgung für die Bürgerinnen und Bürger sein kann. Mit diesem Konzept wollte man auch und gerade die Attraktivität für die Allgemeinmedizin steigern. Die Inhalte bestanden u. a. in einer strukturierten Fortbildung und in der Anwendung von QM-Systemen. Eines dieser QM-Systeme orientiert sich an dem oben beschriebenen Vorbild aus den Niederlanden. Es handelt sich um das "Europäische Praxisassessment" (EPA). Seit dieser Zeit haben zahlreiche Praxen diesen selbstbestimmten Kreislauf des Lernens vollzogen, ein Großteil davon bereits mehrmals. Die wiederholte Anwendung des Assessments entspricht auch ganz dem theoretischen Konstrukt: Erstens verändert sich die Welt um uns herum ständig und zweitens zeichnet es gute Professionen aus, dass sie sich stetig weiterentwickeln (Continuing Professional Development). Auf diese Weise können nach und nach immer mehr "lernende Praxen" entstehen. Das Fach Allgemeinmedizin kann zeigen, was es kann. Die Patienten erfahren die notwendige Zuwendung. Die Wertschätzung in der akademischen und in der politischen Gesellschaft würde zunehmen. So könnte es sein.

Beispiel 2: Datenschutz
Denkt jemand im Ernst, dass eine hundertprozentige Geheimhaltung in einer Hausarztpraxis mit "normal good care" erreichbar wäre? Doch statt sich auf die Basics zu konzentrieren und das Praxisteam für Diskretion und Schweigepflicht zu sensibilisieren, wird die Quadratur des Kreises verlangt.

Was spricht jedoch dagegen, auf freiwilliger Basis auch bei weniger als zehn Mitarbeiterinnen eine praxisinterne Datenschutzbeauftragte zu bestellen? Deren Kontaktdaten sind bekanntzugeben – das kann auf der Website geschehen – und der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. Beachtet werden muss der Kündigungsschutz für ein weiteres Jahr nach Ende der Bestellung. Ihre Aufgabe ist es dann, nach und nach kurze Anleitungen für Vorgänge zu erstellen, bei denen mit personenbezogenen Daten gearbeitet wird. Es gilt das Ausfüllen der Spalten:
  • Warum werden Daten erhoben?
  • Wer ist betroffen?
  • Um welche Daten handelt es sich?
  • Welche Dritte erhalten die Daten?
  • Wo werden die Daten wie lange gespeichert?

In unregelmäßigen Abständen können bei den Teambesprechungen "Datenschutz-Folgeabschätzungen" vorgenommen werden. Im heiklen T&T-Bereich (Tresen und Telefon) lässt es sich z. B. gut simulieren, welche kleinen oder großen Veränderungen vorgenommen werden können, um die Diskretion zu verbessern.

In den schriftlichen Einwilligungserklärungen der Patienten sollten sowohl die Erhebung von Behandlungsdaten als auch deren Übermittlung an andere Ärzte (gilt auch für nicht-pseudonymisierte Laborüberweisungen), ggf. die Abrechnung über privatärztliche Verrechnungsstellen sowie evtl. Recall-Verfahren erwähnt werden. Auch ein Hinweis auf die Möglichkeit zum Widerruf muss enthalten sein.

Patienten haben seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes 2013 das Recht, auch die subjektiven Aufzeichnungen in ihrer Kartei einzusehen, es sei denn, ihr Gesundheitszustand würde dadurch negativ beeinträchtigt oder Rechte Dritter wären berührt. Die Auskunft oder Einsicht ist unentgeltlich zu leisten, für Kopien dürfen Gebühren erhoben werden.

Jeder Verstoß gegen den Datenschutz ist innerhalb von 72 Stunden an die zuständige Landesstelle zu melden.

Auch wenn es nicht verlangt wird: Eine jährliche Erinnerung des Personals an die schriftlich zu dokumentierende Verschwiegenheitserklärung kann die Aufmerksamkeit auf diesen wichtigen Aspekt der hausärztlichen Tätigkeit lenken.

Es mag viele Gründe geben, warum diese erfreuliche Bewegung ins Stocken geraten ist. Einer scheint eine besondere Bedeutung zu haben: Zu wenig Ärzte haben erkannt, dass eine selbstbewusste und selbstbestimmte Haltung beim QM davor schützt, unangemessen bevormundet und reguliert zu werden. "Leiterbeauftragte" und "Trinkwasser-Verordnung" sind nur zwei Beispiele aus einer ganzen Reihe von Fehlentwicklungen. Verkannt wurde auch, dass QM eben kein Anhängsel des hausärztlichen Kerngeschäfts darstellt. Im Gegenteil, eine gute Patientenversorgung (Qualität) ist nur mit einem guten QM zu haben. Nicht von ungefähr wird in der QM-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses an zentraler Stelle gefordert, dass Praxen sich an "fachlichen Standards" zu orientieren haben. Beim QM geht es eben immer auch um die Inhalte der Patientenversorgung. Ansonsten verkümmerte ein QM zu einem reinen Papiertiger oder – noch schlimmer – zu einem Bürokratiemonster.

Die angesprochene QM-Richtlinie wurde gut zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung, welche 2005 stattfand, überarbeitet. Sie bietet mit ihrem umfassenden Katalog an Methoden und Instrumenten einen hervorragenden Überblick über die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement, die Vertragsärzte zu erfüllen haben. So weit, so gut. Tatsächlich? Betrachtet man die Situation unvoreingenommen, dann ließe sich leicht feststellen, dass wir von einer flächendeckenden Implementierung noch Lichtjahre entfernt sind.

Anerkennen – Anregen – Anleiten

Ganz gleich, ob man einen ehemaligen Bundespräsidenten zitiert – "Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem" – oder einen deutschen Dramatiker – "The proof of the pudding is in the eating" – wir enden bei der Erkenntnis: Ja, wir haben eine ausgeprägte "performance gap", eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. An wem liegt es? Wie bereits gesagt, gehen die Anforderungen an die Hausarztpraxen mitunter weit über das hinaus, was wissenschaftlich zu begründen wäre. Wen wundert´s, wenn die Lücke zwischen den Vorgaben und dem, was im Alltag passiert, eher größer statt kleiner wird?

Wie gewährleiste ich Diskretion?
  • Spezielles Passwort,
  • mind. jährlich ändern
  • Monitore so aufstellen, dass sie für Unbefugte kaum einzusehen sind
  • Bildschirmschoner dort aktivieren, wo sich Unbefugte unbeaufsichtigt aufhalten
  • Faxnummern abspeichern
  • Formulare nur verdeckt ablegen (Rückseite nach oben)
  • Ein Mithören in Vorwartezonen bedenken
  • Aktenschränke (abends) abschließen
  • Untersuchungsergebnisse durch die MFA ggf. nur schriftlich oder telefonisch mitteilen lassen

Was kann abhelfen? In der Pädagogik kennt man das Zieldreieck: Anerkennen – Anregen – Anleiten. Warum gestalten wir das "Anleiten" nicht so, dass es umsetzbar wird, dass es akzeptiert wird, dass es in seinem Nutzen erkannt wird? In diesem Sinne sind die Ausführungen der beiden konkreten Praxisbeispiele dieses Beitrags zu betrachten, in denen demonstriert werden soll, wie QM-Anforderungen realisiert werden können. Sie sind das Ergebnis jahrelanger Recherche, eines ständigen Ausprobierens im Praxisalltag und eines fruchtbaren Dialogs mit den Anwendern eines guten QM. Denen sei herzlich gedankt.

Ein letzter Rat: Rechnen Sie beim Monitoren von versorgungsrelevanten Leistungen auch mit Rückschlägen, weil z. B.die Empfehlungen patientenseitig nicht oder nur halbherzig umgesetzt werden. Das ist nicht ungewöhnlich. Änderungsabsichten benötigen meist einen langen Atem. Gleichwohl gilt hier wie insgesamt beim QM: "Make good things better!"



Autor:

Dr. med. Armin Mainz

Facharzt für Innere Medizin,
Notfallmedizin,
Umweltmedizin,
Ärztliches Qualitätsmanagement
34497 Korbach

Interessenkonflikte: Dr. Armin Mainz arbeitet als hausärztlicher Internist in einer hausärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft. Er erhält Honorare für Praxis-Visitationen im Rahmen des Europäischen Praxisassessments (EPA) und arbeitet ehrenamtlich im Vorstand des Vereins "Stiftung Praxissiegel e. V.".


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (1) Seite 76-78