Auch in diesem Jahr wurden auf den großen Kongressen der amerikanischen (ADA) und der europäischen (EASD) Diabetesgesellschaften wieder interessante und weiterführende Studiendaten zu neuen und bestehenden Medikamenten und neuen Medizinprodukten vorgestellt:

Seit mehreren Jahren sind verschiedene Medikamente aus der Klasse der GLP-1-Analoga und der SGLT-2-Inhibitoren in Deutschland verfügbar. Neue Studienergebnisse, die auf den großen amerikanischen und europäischen Diabeteskongressen veröffentlicht wurden, lassen erwarten, dass diese Substanzen künftig einen deutlich höheren Stellenwert als bislang bei der Routineversorgung von Patienten mit Typ-2-Diabetes erlangen werden.

SGLT-2-Inhibitoren

Im Gegensatz zu Metformin und zu den Sulfonylharnstoffen, die im Wesentlichen nur zu einer Absenkung der Blutzuckerspiegel führen, haben GLP-1-Analoga und SGLT-2-Inhibitoren substanzielle Auswirkungen auf die zugrundeliegenden Ursachen, die zur manifesten Diabeteserkrankung und zur Diabetesprogression führen. Die SGLT-2-Inhibitoren führen durch Absenkung der Nierenschwelle für Glukose zu einem anhaltenden Kalorienverlust in einer Größenordnung von bis zu 500 kcal pro Tag. Dieser Kalorienverlust hilft substanziell bei einer geplanten Reduktion des Körpergewichts. In der Folge wurden in zahlreichen Studien mit unterschiedlichen SGLT-2-Inhibitoren eine Reduktion der Insulinresistenz, Verbesserung von Blutdruck und Fettstoffwechsel sowie Verbesserungen bei kardiovaskulären Endpunkten beobachtet.

Mit der Publikation der Declare-TIMI-Studie wurden nun auch für Dapagliflozin kardiovaskuläre Endpunktergebnisse im Vergleich zu Plazebo vorgestellt. An der Studie nahmen insgesamt 17.160 Typ-2-Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko teil, die im Mittel über vier Jahre behandelt wurden. Am Ende der Beobachtungsdauer zeigte sich in der Verumgruppe eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunkts (kardiovaskulärer Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz) um 17 % (p < 0,005). Von den wichtigen makrovaskulären Endpunkten (MACE) wurden 7 % weniger unter Dapagliflozin beobachtet (n.s.). Ein weiteres bedeutendes Ergebnis dieser Studie ist sicherlich, dass auch bei einem kombinierten renalen Endpunkt (Verschlechterung GFR um 40 %, Dialyseindikation & kardiovaskulärer Tod) signifikante Vorteile für Dapagliflozin gemessen wurden (-25 % unter Dapagliflozin im Vergleich zu Plazebo, p < 0,001) [1]. Bei den Nebenwirkungen zeigten sich nur bei den bereits bekannten Harnwegs- und Urogenitalinfektionen sowie bei den (geringen) Ketosefallzahlen signifikant erhöhte Inzidenzen unter Dapagliflozin, ansonsten war das Nebenwirkungsprofil unauffällig. Nach diesen Daten kann Dapagliflozin bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung nicht nur als unbedenklich, sondern sogar als progressionshemmend bei der Niereninsuffizienz angesehen werden.

GLP-1-Analoga

Wie die SGLT-2-Inhibitoren führen auch die GLP-1-Analoga häufig zur Gewichtsabnahme. Hier hilft ein Sättigungssignal am Hypothalamus bei der Verminderung der Nahrungsaufnahme, was ebenfalls mit einer Reduktion der viszeralen Adipositas und ihrer hormonellen Aktivität verbunden sein kann. Auf den großen Kongressen dieses Jahres wurden nun auch Ergebnisse für die Kombination beider Wirkmechanismen vorgestellt. In der Duration-8-Studie wurden Patienten über 52 Wochen mit Depot-Exenatide (EXE: 2 mg/Woche), Dapagliflozin (DAPA: 10 mg/Tag) oder einer Kombination (EXE+DAPA) aus beiden Medikamenten als Add-on zu einer vorbestehenden Metformintherapie (Met) behandelt. Nach sechs Monaten wurde in allen drei Gruppen eine Gewichtsabnahme beobachtet, die durch die Addition der Einzeleffekte (Met+DAPA: -2,0 kg, Met+EXE: -1,5 kg) in der Kombinationsgruppe am deutlichsten ausgeprägt war (EXE+DAPA+Met: -3,5 kg) [2].

Als interessante Alternative zu den s.c. applizierten GLP-1-Analoga darf Semaglutid angesehen werden. Bei diesem Medikament ist es gelungen, durch Zugabe eines Hilfsstoffs eine orale Bioverfügbarkeit zu erreichen, die es möglich macht, GLP-1 auch in Tablettenform zu verabreichen. Im Rahmen des umfangreichen Sustain-Studienprogramms wurde die Wirksamkeit und Sicherheit dieser neuen oralen GLP-1-Formulierung geprüft. Die auf den großen Kongressen vorgelegten Ergebnisse sind beeindruckend und lassen erwarten, dass Semaglutid nach seiner Zulassung zu den stärksten verfügbaren oralen Antidiabetika gehören dürfte [3].

Bereits jetzt haben die europäische und die amerikanische Diabetesgesellschaft in einem Konsensusstatement auf die neue Datenlage reagiert. GLP-1-Analoga werden mittlerweile als erste injizierbare Therapieoption dem Insulin in der neuen Guideline vorgezogen. Des Weiteren wird bei einem Scheitern von Lebensstilmaßnahmen die frühe Gabe von SGLT-2-Inhibitoren und/oder GLP-1-Analoga propagiert [4].

Blutzuckermessung

Auf den großen Kongressen wurde deutlich, dass der Trend bei der Blutzuckermessung immer stärker in Richtung der kontinuierlichen Blutzuckermesssysteme geht. Die Geräte werden immer genauer und haben immer längere Einsatzzeiten. Mittlerweile sind mehrere Nadelsensoren bereits für die Messung des Blutzuckers zur Berechnung der Insulindosis vor der Mahlzeit zugelassen. Mehrere Studien belegen die zunehmende Einsatzfähigkeit dieser kontinuierlichen Messsysteme im kombinierten Einsatz mit Insulinpumpen z. B. zur Vermeidung von Unterzuckerungen in der Nacht.

Erste Systeme zur sensoraugmentierten Insulinpumpentherapie sind bereits zugelassen und verfügbar. Auch zum Flash-Glukosemonitoring gibt es neue Ergebnisse. Der Freestyle Libre® findet mit dem Libre 2® einen verbesserten Nachfolger. Die Umstellung von einer chargenspezifischen Kalibrierung auf eine individuelle Sensorkalibrierung bei der Herstellung soll beim Libre 2® zu einer höheren Genauigkeit beitragen. Der Libre 2® ist ab sofort auch in Deutschland erhältlich.

Auch bei den nicht-invasiven Verfahren zur Zuckermessung wurde über Erfolge berichtet. Das TensorTip Combo-Glukometer® (CoG) der Fa. CNOGA (Israel) (Abb. 1) wurde mit Hilfe von standardisierten Mahlzeitentests bei Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes evaluiert. Hierbei wurde eine mittlere Abweichung (MARD) bei der Abschätzung des Gewebezuckers an der Fingerbeere im Gewebe im Vergleich zum kapillären Blutzucker in Höhe von weniger als 15 % ermittelt. Berücksichtigt man die bekannte zeitliche Verzögerung zwischen Gewebezucker und Blutzucker insbesondere zu Beginn einer Mahlzeit, so kann dem Gerät bereits jetzt schon eine akzeptable bis gute Genauigkeit bescheinigt werden. Schritte zur weiteren Verbesserung dieses Geräts wurden bereits im Laufe dieses Jahres umgesetzt, und es kann erwartet werden, dass TensorTip CoG® in Kürze auch in Deutschland für die Patienten zur Verfügung stehen dürfte [5].

Neues Klimaschutzsystem

Mit den ViViCaps® der Firma TempraMed Europe (Abb. 2) steht seit diesem Jahr ein neues und innovatives Lösungskonzept für die einfache temperaturstabile Lagerung von angebrochenen Insulinpens im Alltag zur Verfügung. Diese über Jahre wiederverwendbaren Klimaschutzkappen werden anstelle der bisherigen Herstellerkappen verwendet und benötigen keine zusätzliche Energieversorgung. Sie arbeiten nach dem Phasenwandelprinzip: Im Inneren der hochisolierten ViViCaps® befindet sich ein Phasenwandelmaterial, das zu schmelzen beginnt, wenn die Temperatur über 28 °C ansteigt. Die notwendige Schmelzenergie wird direkt dem Insulin im Inneren entzogen, das dadurch selbst bei Außentemperaturen von über 37 °C für 10 – 12 Stunden stabil bei 28 °C bleibt. Sobald der Pen (z. B. am Abend) wieder in Temperaturbereiche unter 28 °C kommt, verfestigt sich das Phasenwandelmaterial in kurzer Zeit wieder und die Klimaschutzkappe ist für den nächsten Tag wieder einsatzbereit. Auch im Winter und bei sehr kalten Außentemperaturen schützt die ViViCap® das Insulin deutlich länger vor einem Abbau, als dies bei anderen aktuell verfügbaren Lagerungssystemen gesehen wurde [6]. ViViCap® ist somit eine einfache und im Gebrauch unkomplizierte und dabei gleichzeitig hocheffiziente Lösung für das immerwährende Insulin-Stabilitätsproblem, die mittlerweile nicht nur für Einmal-Pens (ViViCap-1®), sondern auch für wiederverwendbare Pens (ViViCap-R®) erhältlich ist.

Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass auf den großen Diabeteskongressen dieses Jahres zahlreiche neue und interessante Informationen zur aktuellen und zukünftigen Diabetestherapie vermittelt wurden. Wir sind gespannt, was das Jahr 2019 bringen wird.


Literatur
1. Wiviott SD, Raz I, Bonaca MP, Mosenzon O, Kato ET, Cahn A, Silverman MG, Zelniker TA, Kuder JF, Murphy SA, Bhatt DL, Leiter LA, McGuire DK, Wilding JPH, Ruff CT, Gause-Nilsson IAM, Fredriksson M, Johansson PA, Langkilde AM, Sabatine MS; DECLARE–TIMI 58 Investigators. Dapagliflozin and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes. N Engl J Med. 2018 Nov 10. doi: 10.1056/NEJMoa1812389. [Epub ahead of print]
2. Guja C., Repetto E., Han J., Hardy E., Jabbour S.A.: Effect of exenatide plus dapagliflozin combination on fatty liver index and insulin resistance in type 2 diabetes patients: the DURATION-8 trial. Präsentiert auf dem European Association for the Study of Diabetes 54th Annual Meeting, Berlin, 1.-5. Oktober 2018; 643-P
3. Dungan K.M., Aroda V.R., Knop F.K., Leiter L.A., Lausvig N.L., Lindberg S., Ferlov Schwensen J., Meier J.J. More subjects achieved composite reductions of >1% HbA1c, > 5% body weight and > 5mmHg SBP with semaglutide vs. Comparators across the SUSTAIN 1-5 and 7 trials. Präsentiert auf dem European Association for the Study of Diabetes 54th Annual Meeting, Berlin, 1.-5. Oktober 2018; 738-P.
4. Davies M.J., D’Alessio D.A., Fradkin J., Kernan W.N., Mathieu C., Mingrone G., Rossing P., Tsapas A., Wexler D.J., Buse J.B. Management of Hyperglycemia in Type 2 Diabetes. A Consensus Report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetes Care 2018; doi 10.2337/dci18-0033; [Epub ahead of print].
5. Pfützner A., Strobl S., Demircik F., Redert L., Pfützner J., Pfützner A.H., Lier A. Evaluation of a New Noninvasive Glucose Monitoring Device by Means of Standardized Meal Experiments. J Diabetes Sci Technol. 2018;.12:1178-1183.
6. Pfützner A., Reeh W., Strobl S., Rose D.: Die ViViCap – ein zuverlässiger, wiederverwendbarer Schutz gegen den Abbau von Insulin bei hohen und tiefen Umgebungstemperaturen. Diabwetes Stoffw. Herz (accepted , in press)



Autor:

© copyright
Prof. Dr. Dr. med. Andreas Pfützner

Facharzt für Innere Medizin
Diabeteszentrum & Praxis
55128 Mainz

Interessenkonflikte: Der Autor hat in den letzten Jahren von folgenden Unternehmen Consulting- und Studienhonorare und Reisekostenunterstützung erhalten: TempraMed Inc., CNOGA Medical, AstraZeneca, NovoNordisk, Sanofi und Boerhringer Ingelheim.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (21) Seite 46-49