Das hausärztliche Wartezimmer ist beileibe kein bloßer Aufenthaltsraum. Es ist ein Ort der kommunikativen, populären Gesundheitswissenschaften und dort gewonnene Einblicke können zu gelegentlichen Blitzheilungen führen. Beispielhaft steht hierfür der Fall des Herrn Martin F. (kurz: MF), dem mit den folgenden Reimen eine bleibende lyrische Würdigung widerfahren soll.

Herr M. aus E. ist angeschlagen,
der Rücken schmerzt und auch der ­Magen,
denn in der Firma gibt es Ärger.
Das Kranksein wird deshalb rasch stärker
und folglich geht er, schnell entschlossen,
zu seinem Arzt, betritt verdrossen,
denn ob des Ganzen depressiv,
den Warteraum mit seinem Mief.
Mit Bänken wie im Bahnhofsaal
und Zeitschriften von dazumal.

Zur Rechten sitzt ein Herr, der hustet,
er keucht und brodelt, pfeift und prustet
und dennoch, stöhnt er, braucht er ihn,
den Sargnagel mit Nikotin.
Doch weil die Bronchien dies nicht ­mögen,
hat er ein Spray, um sie zu pflegen.
Das Sprühfläschchen mit Kortison,
löhnt ihm die Krankenkasse schon,
jedoch, die Arbeitskraft ist hin:
das zahlt die Rentenkasse ihm.

Daneben sitzt in ihrer Masse
Frau H. aus der Vier-Zentner-Klasse.
Die Knorpel sind dank ihren Pfunden
aus beiden Knien fast verschwunden,
beim Laufen muss sie kräftig schnappen,
die Atemluft ist am Verknappen!
Das Herz schafft seinen Job nicht mehr:
die Frau ist einfach viel zu schwer.
„Und werde ich auch täglich feister,
bei mir ist Schmalhans Küchenmeister“,
sagt sie, „doch nehme ich partout
beim Anblick eines Kuchens zu.“

Und Kevin A. mit Pickelstirn
hat Liebesleid im Jünglingshirn.
Ihn hat Chantal eiskalt versetzt,
das zarte Bubenherz verletzt,
ihm Laune, Lust und Kraft genommen
und deshalb ist er hergekommen.
„Vier Wochen Pause“, so tönt er,
„gibt dieses Seelenleiden her,
schön blöd wär‘ es in dieser Lage,
wenn ich mich Trübsal blasend plage.“

So ist ein munteres Getümmel
in diesem Zimmer, Gott im Himmel,
was wird da alles diskutiert,
geschimpft, gezetert, propagiert,
so dass Herr M. mit Staunen sieht,
was andere zum Hausarzt trieb.
Sodann denkt er, in dieser Runde
bin ich der einzige Gesunde.
Verlässt darob mit viel Verständnis,
den Raum mit folgender Erkenntnis:

Nicht selten wird die Krankheit schlimmer,
bist du erst mal im Wartezimmer.
Hier sitzen nämlich Spezialisten,
die bringen dich ganz schön ins ­Schwitzen.
Sie haben nächtelang studiert,
in Google, wissen, was passiert,
viel besser, als der Arzt vor ihnen,
denn der will doch nur was verdienen.

Das Fazit: Fliehe diesen Ort,
vermeide Stress und treibe Sport,
ernähre dich gesund und gut,
vor allem pflege Lebensmut.
Und bist du dann tatsächlich krank:
Dann gibt’s den Doktor, Gott sei Dank!


Dies meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (16) Seite 105