Diabetespatienten sind vermehrt gefährdet, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln. Mit der Bestimmung der natriuretischen Peptide kann bei Patienten mit Diabetes ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, aber auch eine Herzinsuffizienz identifiziert werden. Bei erhöhten Werten sollten weitere prädiktive Tests erfolgen.

Die Häufigkeit des diagnostizierten Diabetes mellitus liegt in Deutschland nach einer aktuellen Studie des Robert Koch-Instituts bei 7,2 % – dies entspricht etwa 4,6 Millionen Betroffenen unter den 18- bis 79-Jährigen. In der Altersgruppe der unter 50-Jährigen sind weniger als 5 %, der unter 60- bis 69-Jährigen etwa 13,8 % und der unter 70- bis 79-Jährigen knapp 22 % betroffen [1, 2].

Diabetes führt häufig zu vaskulären Folgeerkrankungen und damit zu einer Verminderung der Lebensqualität und -erwartung [3]. Die Wahrscheinlichkeit, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln, ist bei Menschen mit Diabetes zwei- bis viermal höher als bei Menschen ohne Diabetes [4, 5]. Diabetes gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz sowohl in ihrer systolischen als auch ihrer diastolischen Form [6].

Die Herzinsuffizienz-Prävalenz bei älteren Patienten mit Diabetes (> 65 Jahre) liegt bei rund 20 %, die jährliche Herzinsuffizienz-Inzidenz bei etwa 12 % [7 – 9]. Mehr als 25 % der Patienten mit Typ-2-Diabetes haben eine asymptomatische Herzinsuffizienz [10]. Ursächlich können eine koronare Herzkrankheit (KHK), eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder eine diabetische Nephropathie das Auftreten einer Herzinsuffizienz bei Diabetes fördern [11, 12]. Bereits Vorstufen des Diabetes, wie das metabolische Syndrom, die Insulinresistenz oder eine gestörte Nüchternblutglukose, sind mit einem signifikant erhöhten Herzinsuffizienz-Risiko verbunden [13 – 15].

Die Mortalität von Patienten mit Diabetes und Herzinsuffizienz nach zwei bis fünf Jahren wird mit 13 bis 28 % angegeben [16]. Eine frühzeitige Diagnose ist anzustreben, da das Mortalitätsrisiko mit zunehmender Zahl zusätzlicher Risikofaktoren weiter steigt. Die Leitlinien der "European Society of Cardiology" (ESC) fassen die Elemente der Diagnostik zusammen (Abb. 1 [17, 18]). Neben bildgebenden Verfahren spielt auch die Bestimmung von Serumkonzentrationen von Biomarkern, der natriuretischen Peptide, eine wichtige Rolle.

Natriuretische Peptide

Natriuretische Peptide wie das "B-type natriuretic peptide" (BNP) und das "N-terminal pro-B-type natriuretic peptide" (NT-proBNP), welche eine diuretische, natriuretische und blutdrucksenkende Wirkung zeigen, haben einen hohen Stellenwert bei der Diagnostik der Herzinsuffizienz. Bei eingeschränkter Herzfunktion werden sie verstärkt aus Vorhöfen und Kammern freigesetzt. So erfolgt ein messbarer Anstieg der Serumspiegel, der die Beurteilung der Herzfunktion ermöglicht. Natriuretische Peptide können demnach auch als prädiktiver Marker für eine Herzinsuffizienz herangezogen werden [19].

Vergleichsstudien verschiedener Biomarker konnten für NT-proBNP eine hohe Vorhersagekraft für kardiovaskuläre Ereignisse, aber auch spezifisch für eine Herzinsuffizienz evaluieren [20 – 23]. Dabei korreliert die kardiovaskuläre Mortalität mit der Höhe des NT-proBNP-Werts [24, 25]. Die NT-proBNP-Spiegel sind auch mit dem HbA1c-, dem Serumkreatinin-, dem Serum-Cystatin-C-Wert sowie dem Alter assoziiert. Daher sollten bei der Bestimmung des kardiovaskulären Risikos basierend auf dem NT-proBNP-Wert Faktoren wie Geschlecht, Alter und Nierenfunktion berücksichtigt werden [26, 27].

Als Grenzwert für eine normale Herzfunktion in einem nicht-akuten Setting wurde für BNP 35 pg/ml und für NT-proBNP 125 pg/ml festgelegt, wohingegen in einem akuten Setting Werte von < 100 pg/ml (BNP) bzw. < 300 pg/ml (NT-proBNP) als Grenzwerte gelten. Liegt der Spiegel der Peptidhormone unter diesen Werten, kann eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen werden (Tabelle 1 [28, 29]). Bei hohen Serumkonzentrationen bedarf es weiterer diagnostischer Tests, um eine Herzinsuffizienz zu dia-gnostizieren. Neben der Funktion als Biomarker für das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse kann NT-proBNP auch zur Überprüfung einer erfolgreichen Therapie genutzt werden: Mögliche kardioprotektive Effekte wurden durch eine Veränderung des NT-proBNP-Wertes beschrieben [30, 31]. Die sehr schlechte Prognose der Patienten mit Diabetes und Herzinsuffizienz macht eine frühzeitige Diagnose der Erkrankung essenziell. Daher ist die Bestimmung der natriuretischen Peptide von großer Bedeutung.

Leitlinien und Erstattung

In der Leitlinie der ESC von 2016 werden natriuretische Peptide als Kriterien der Herzinsuffizienz-Klassifizierung genannt. Sie werden auch zur Initialdiagnose bei Patienten mit einer akuten Dyspnoe und Verdacht auf eine Herzinsuffizienz empfohlen (Klasse 1, Level A). Auch die oben bereits genannten Grenzwerte für einen Normalwert zur Bewertung der Herzfunktion finden sich in der Leitlinie wieder [28, 32].

In die gemeinsame Empfehlung der "Task Force on Diabetes and Cardiovascular Disease of the ESC and of the European Association for the Study of Diabetes (EASD)" zu Diabetes, Prädiabetes und kardiovaskulären Erkrankungen haben natriuretische Peptide im Bereich Risikobewertung als starker Prädikator gesamter und kardiovaskulärer Sterblichkeit unabhängig von Albuminurie und bekannten Risikofaktoren Einzug gefunden [33]. Auch in den Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft "Diabetes und Herz" werden natriuretische Peptide als eine der apparativen und laborchemischen Untersuchungen zur Diagnose genannt [34]. Die Bestimmung der natriuretischen Peptide kann kassenärztlich (EBM) entsprechend der Ziffer 32097 und mit A4062 entsprechend der Gebührenordnung für Ärzte als "Hormonbestimmung mittels Liganden-Assay einschließlich Doppelbestimmung und aktueller Bezugskurve" abgerechnet werden.


Literatur
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Autor:

Katharina Fritzen (Foto), Karl-Heinz Patzer

Sciarc GmbH,
82065 Baierbrunn


Prof. Dr. med. Oliver Schnell
Forschergruppe
Diabetes e.V.
85764 München-Neuherberg

Interessenkonflikte: Die Autoren wurden unterstützt von der Firma Roche Diagnostics Deutschland.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (15) Seite 64-69