Die atopische Dermatitis, auch atopisches Ekzem, endogenes Ekzem oder Neurodermitis genannt, ist eine chronisch (rezidivierende) entzündliche Hauterkrankung, die im Kindesalter besonders häufig vorkommt. Der folgende Beitrag geht auf Symptome, Diagnosekriterien sowie Therapieoptionen ein.

Die atopische Dermatitis ist mit bis zu 20 % betroffener Patienten eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter. Erste Symptome treten meist ab dem 2. bis 3. Lebensmonat auf und die atopische Dermatitis ist bei Kindern im Alter von 0 – 2 Jahren überdurchschnittlich häufig vertreten [6, 7]. Für die Diagnose der atopischen Dermatitis sind die Kriterien von Hanifin und Rajka hilfreich, weisen aber eine geringe Spezifität auf und bedürfen eines Ausschlusses möglicher Differenzialdiagnosen (Tabelle 1) [1].

Merke:
Eine Heilung der Veranlagung zur atopischen Dermatitis ist nicht möglich. Die genetische Disposition mit Hautbarriereschwäche besteht lebenslang. Entzündungsreaktionen lassen sich jedoch, gerade im Kindesalter, meist vollständig kontrollieren. Aus der klinischen Erfahrung heraus ist auch die langfristige Prognose bei sehr frühzeitiger vollständiger Kontrolle der Erkrankung besser.

Die atopische Dermatitis entsteht auf dem Boden einer genetisch bedingten Störung der epidermalen Barriere und einer möglichen zusätzlichen Neigung zur immunologischen Fehlreaktion [2, 5]. Unnötig lange antiseptische, antibakterielle oder antibiotische Maßnahmen können das Risiko einer Ekzementwicklung steigern [4]. Weitere mögliche Triggerfaktoren (Tabelle 2) können das Ekzem verschlechtern, sind aber nicht die Ursache der atopischen Dermatitis. Eine Meidung (soweit möglich) dieser Triggerfaktoren führt allenfalls zu einer Verbesserung, aber fast nie zur dauerhaften Abheilung der Ekzeme.

Impfungen

Es gibt keine fundierten Erkenntnisse, die ein Auslassen von Impfungen bei Kindern mit atopischer Dermatitis rechtfertigen. Kinder mit schwerem atopischen Ekzem sollten sogar gerade frühzeitig gegen Erkrankungen wie z. B. Varizellen geimpft werden, da ein erhöhtes Risiko für verstärkte Narbenbildung und bakterielle Superinfektionen besteht.

Diagnostik

Primär ist eine Labor- und/oder allergologische Diagnostik nicht grundsätzlich notwendig. Sollte sich das Ekzem unter einer optimierten Basis- und vorübergehenden spezifischen Therapie gut zurückbilden, müssen keine weiteren Abklärungen erfolgen.

Eine frühe Labor- und allergologische Diagnostik ist sinnvoll bei:
  • Hinweisen für allergische Soforttyp-Reaktion (Ödem, Urtikaria oder Erbrechen nach Nahrungsaufnahme/Allergenkontakt)
  • eindeutigen anamnestischen Zusammenhängen zwischen Ekzemverschlechterung und Allergenkontakt
  • mittelschweren und schweren Ekzemen mit einem längerfristigen (z. B. 4 – 8 Wo.) hohen Bedarf an antientzündlicher Therapie.

Bestimmt werden sollte das Ges.-IgE und das spezifische IgE z. B. als Stufendiagnostik:
  • zunächst Nahrungsmittel- und/oder Umgebungsallergenmischungen
  • Bei positivem Befund: Aufschlüsselung der Mischung in Einzelallergene

Bei ausreichend unbeeinträchtigter Haut kann für Umgebungsallergene sowie für wenige bestimmte Nahrungsmittel auch ein Prick-Test durchgeführt werden. Eine IgG4-Diagnostik ist hingegen nicht zielführend.

Symptome je nach Alter

In den ersten Lebensmonaten kann bei bestehenden Ekzemen die Differenzierung zwischen einem seborrhoischen Ekzem und einem atopischen Ekzem schwierig sein. Auch Übergänge oder Mischbilder sind hier möglich. Der meist charakteristische Juckreiz (atopische Dermatitis) kann bei sehr jungen Kindern (ca. erste 4 – 5 Lebensmonate) ebenfalls fehlen.

Bei Säuglingen sind verstärkt der Kopf und die Gesichtshaut (Abb. 3) betroffen. Es bestehen oft nässende, teilweise bakteriell superinfizierte Wangenekzeme. Auch der Körperstamm und Extremitäten, vermehrt Streckseiten, können beteiligt sein. Der Windelbereich bleibt hingegen mehrheitlich ausgespart. Bei Kleinkindern sind dann bevorzugt die großen Beugen betroffen (Abb. 1), wobei grundsätzlich auch andere Stellen an Stamm, Extremitäten oder Kopf Ekzeme aufweisen können.

Kasten 1: Eczema herpeticatum
Aufgrund der Hautbarriere- und immunologischen Dysfunktion können u. a. Herpes-simplex-Viren zu einer großflächigen Hautinfektion mit schwerem Krankheitsverlauf und drohender zusätzlicher viraler oder sekundär bakterieller Sepsis führen. Die Kinder sind akut krank. Es findet sich eine flächenhafte Ausbreitung von herpestypischen Bläschen oder herpetischen Ulzerationen.

Das Eczema herpeticatum (Abb. 2) ist als potenziell lebensbedrohlicher Notfall mit Notwendigkeit einer umgehenden klinischen intravenösen antiviralen Behandlung (Aciclovir) zu betrachten.

Im Jugend- und jungen Erwachsenenalter sind bei Persistenz oder bei erneutem Auftreten der atopischen Dermatitis vermehrt Hals und Gesicht sowie der Hand-Fuß-Bereich betroffen.

Eine Variante der atopischen Dermatitis, die bei ca. 10 – 15 % der Kinder auftritt, ist das nummuläre atopische Ekzem (Abb. 5). Nummuläre Läsionen sind häufig therapieresistenter als flächige Ekzeme und bedürfen nicht selten intensiverer Therapiemaßnahmen. Eine frühzeitige Kombination von topischen Kortikosteroidpräparaten und Calcineurin-Inhibitoren hat sich hier bewährt.

Therapie

Ziel der Therapie ist immer das Erreichen einer (möglichst) vollständigen Symptomfreiheit, gefolgt von einer dauerhaften Erhaltung des ekzemfreien Zustandes und der frühzeitigen Kontrolle neuer Ekzemschübe (Tabelle 3).

Basistherapie

Die Basistherapie besteht aus der Anwendung von Reinigungsmaßnahmen und rückfettenden Pflegeprodukten:
  • Tägliche lauwarme Bäder z. B. mit einem Ölzusatz (jüngere Kinder) oder Ölduschen und Hautbarriere-schonende Syndets (ältere Kinder). Die Hautreinigung entfernt irritative oder potenziell allergische Trigger. Direkt nach dem Bad werden topisch angewendete Substanzen gut in die Epidermis aufgenommen.
  • Die direkt nach dem Bad auf den ganzen Körper aufzutragende Basistherapiecreme/-salbe stabilisiert die Hautbarriere und beugt einer Austrocknung vor. Der Lipidgehalt der Creme oder Salbe kann dabei der Trockenheit der Haut angepasst werden: je trockener, umso mehr Lipidgehalt (Fett-Cremes bis Salben), je nässend-geröteter, umso weniger Lipidgehalt (hydrophile Cremes oder Kombinationen mit Schwarztee- oder antiseptischen Umschlägen (z. B. Octenidin).
  • Bei hartnäckigen, bakteriell besiedelten Ekzemen kann das Bad oder die Dusche in der aktiven Phase mit einer antiseptischen hautfreundlichen Waschlotion ergänzt werden. Alternativ können kurzzeitig Antiseptika (z. B. Octenidin-dihydrochlorid 0,1 %) in die Pflegeprodukte beigemischt werden.

Nur stark impetiginisierte Ekzeme und Pyodermien (Abb. 6) bedürfen bei Therapiestart einer spezifischen antibakteriellen Behandlung. Hier hat sich der Einsatz von Cephalosporinen der ersten (ggf. zweiten) Generation (z. B. Cefadroxil oder Cefaclor, beide auch in Saftform erhältlich) p. o. bewährt. Flankierend muss immer eine antientzündliche Ekzemtherapie erfolgen (s. u.). Für einen zusätzlichen Rehydrierungseffekt können z. B. Glycerin oder bei älteren Kindern Harnstoff zu Basisprodukten zugesetzt werden. Harnstoff kann gerade bei Säuglingen und Kleinkindern zu einem vorübergehenden Brennen (Stinging-Effekt) auf der Haut führen und sollte deshalb erst ab dem Vorschulalter verwendet werden.

Spezifische Therapie

Im Kindesalter sollten bevorzugt nicht-fluorierte Steroide der Klassen II bis III mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis eingesetzt werden (z. B. Klasse II: Hydrocortison-17-Butyrat, Hydrocortisonbuteprat, Prednicarbat, Methylprednisolonaceponat, Klasse III: Mometasonfuroat). Bei sehr jungen Säuglingen lassen sich die Präparate über Individualrezepturen zusätzlich niedriger konzentriert rezeptieren (z. B. 1 : 2 bis 1 : 4). Eine Behandlung einmal täglich ist ausreichend (Depotbildung im Stratum corneum), idealerweise abends nach dem Bad.

Erste Phase: Intensivtherapie (ca. 1 bis maximal 4 Wochen)

Anwendung eines ausreichend starken topischen Steroidpräparates: z. B. 1 x täglich an 5 aufeinanderfolgenden Tagen auf allen Ekzemarealen, gefolgt von 2 Tagen Basistherapie pro Woche. Ziel ist, alle betroffenen Ekzemstellen vollständig zur Abheilung zu bringen.

Zweite Phase: Intervalltherapie

In dieser Phase werden die vormals betroffenen Stellen trotz jetzt nicht mehr ekzemveränderter Haut weiter an 2 (–3) Folgetagen pro Woche behandelt. Bei erst kurz bestehenden und nicht so ausgeprägten Ekzemen reichen meist wenige (3 – 4) Wochen aus. Bei starker Ekzemintensität und häufigen Rezidiven kann die Intervalltherapie auch längerfristig (viele Wochen bis Monate) beibehalten werden.

Hierfür können aufgrund des vorteilhaften Nutzen-Risiko-Profils und der expliziten Zulassung für die Erhaltungspflege auch Calcineurin-Inhibitoren (z. B. Tacrolimus-Salbe) eingesetzt werden. Die Wirkstärke der Präparate entspricht ungefähr einem topischen Steroid der Klasse I bis II. Sie eignen sich insbesondere für problematische Areale (Gesicht, intertriginöse Bereiche, anogenital), an denen topische Kortikosteroide ein erhöhtes Potenzial für unerwünschte Nebenwirkungen (z. B. Atrophie) aufweisen. Zugelassen sind die Präparate ab dem dritten Lebensjahr als Second-line-Therapeutika.

Unterstützende Maßnahmen

Als Schlafanzug oder Unterwäsche können spezielle Textilien eingesetzt werden mit dem Ziel eines zusätzlichen Hautschutzes und ggf. einer Verminderung der Mikroorganismen auf der Haut. Dadurch verbessert sich der Hautzustand und der Juckreiz vermindert sich.

Fett-feuchte Verbände, d. h. fetthaltige Basiscreme auf der Haut, darüber ein angefeuchteter Verband und dann ein weiterer trockener Verband helfen besonders bei chronifizierten Ekzemen an den Extremitäten.

Interdisziplinäre Schulungen für betroffene Kinder und deren Eltern werden von vielen Zentren der deutschen Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung e. V. ( http://www.neurodermitisschulung.de ) angeboten. Neben einer professionellen Schulung können Teilnehmer hier auch vom Austausch mit anderen Betroffenen profitieren. Besonders bei schweren oder chronischen Ekzemverläufen können Diagnostik, Patientenschulung und Therapie auch durch zusätzliche Rehabilitationsmaßnahmen weiter optimiert werden.

Fazit für die Praxis
Ursache der atopischen Dermatitis ist zentral ein genetisch bedingter Hautbarrieredefekt. Verschiedene Triggerfaktoren können zwar zusätzlich die Stärke und Schubhäufigkeit der Ekzeme beeinflussen, sind aber nicht ursächlich für die Erkrankung. Basistherapeutische Maßnahmen dienen vor allem der dauerhaften Stabilisierung der Hautbarriere und der Prophylaxe neuer Ekzemschübe. Hierbei sollte die gesamte Haut behandelt werden und diese Therapie besonders auch in symptomfreien Zeiten fortgesetzt werden. Entzündliche Veränderungen der Haut verlangen grundsätzlich nach einer angepassten antientzündlichen Therapie (topische Kortikosteroide und ggf. Calcineurin-Inhibitoren). Es gibt wissenschaftliche Hinweise dafür, dass eine sehr frühzeitige Basispflege und eine frühzeitige proaktive Ekzemtherapie mit Wiederherstellung der Hautbarriere der Ekzementstehung und der Entwicklung von Allergien entgegenwirken.


Literatur
1) Hanifin JM, Rajka G. Diagnostic features of atopic dermatitis. Acta Derm Venereol 1980: 44–7.
2) McLean WH, Irvine AD. Heritable filaggrin disorders: the paradigm of atopic dermatitis. J Invest Dermatol 2012; 132: E20-1
3) Pleimes M et al. Neurodermitis im Kindesalter. Dermatologie Praxis (2013)
4) Tsakok T et al. (2013) Does early life exposure to antibiotics increase the rist of eczema? A systematic review
5) Weidinger S, Novak N (2015) Atopic dermatitis. Lancet
6) Werfel T, Heratizadeh A, Aberer W, Ahrens F, Augustin M, Biedermann T, Diepgen T, Fölster-Holst R, Gieler U, Kahle J, Kapp A, Nast A, Nemat K, Ott H, Przybilla B, Roecken M, Schlaeger M, Schmid-Grendelmeier P, Schmitt J, Schwennesen T, Staab D, Worm M (2016) S2k-Leitlinie Neurodermitis [atopisches Ekzem; atopische Dermatitis] - Kurzversion. J Dtsch Dermatol Ges 14:92–106
7) Wollenberg A et al. EDF-Guidelines for Treatment of Atopic Eczema (Atopic Dermatitis) part I und part II. 2018



Autor:

Dr. med. Marc Pleimes

Facharzt für Dermatologie und Kinder- und Jugendmedizin
Praxis für Kinder- und Jugenddermatologie
69115 Heidelberg

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (15) Seite 56-63