Bei der Behandlung der Mitralinsuffizienz gibt es – je nach Schweregrad und Ätiologie der Erkrankung – große Unterschiede. Bei der hochgradigen, primären Mitralinsuffizienz gilt eine operative Rekonstruktion oder ein Klappenersatz als Therapie der Wahl. Bei hohem Operationsrisiko oder Inoperabilität lassen sich kathetergestützte Interventionen einsetzen, vor allem das MitraClip-System. Bei der sekundären Mitralinsuffizienz wird zunächst eine leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie ausgeschöpft.

Die Mitralinsuffizienz ist nach der Aorten-stenose der häufigste Klappenfehler im Erwachsenenalter, der zur Operation führt [1].
Die Prävalenz steigt mit dem Alter an: Mehr als 10 % der über 75-Jährigen haben eine Mitralinsuffizienz [2]. Wegen der unterschiedlichen Pathogenese, Therapie und Prognose wird zwischen primärer (degenerativer) Mitralinsuffizienz und sekundärer (funktioneller) differenziert (vgl. Tabelle 1).

Fallbeispiel
Ein 79-jähriger Patient stellt sich in der Hausarztpraxis vor. Bis auf einen arteriellen Bluthochdruck hat er keine relevanten Vorerkrankungen. Der Mann klagt über Herzstolpern seit etwa einer Woche. Zudem bekommt er seit zwei Tagen Luftnot, wenn er nur zwei Etagen Treppen steigt. Auffällig ist ein tachykarder, arrhythmischer Puls. Das EKG bestätigt die Verdachtsdiagnose eines Vorhofflimmerns. Im Auskultationsbefund in Linksseitenlage wird ein 3/6 Holosystolikum diagnostiziert. Wegen des V. a. eine relevante Mitralinsuffizienz mit Erstdiagnose einer Tachyarrhythmia absoluta überweist der Hausarzt den Patienten an einen Kardiologen. Die Echokardiographie zeigt eine hochgradige Mitralinsuffizienz mit degenerativ veränderter Klappe und Prolaps des posterioren, mittleren Segelanteils.

Bei der primären Mitralinsuffizienz kommt es zur Schädigung des Klappenapparats, also der Segel oder des Halteapparats inklusive der Chordae tendineae oder des Papillarmuskels [3]. Die sekundäre Mitralinsuffizienz ist eine Erkrankung des linken Ventrikels oder seltener des linken Vorhofs. Durch die veränderte Geometrie der Herzhöhlen kommt es zu einer Dilatation des Klappenanulus oder der Halteapparat wird verlagert, so dass dadurch die Koaptation der Mitralklappensegel vermindert wird [3]. Häufige Ursachen sind eine infarktbedingte Narbe am Ansatz des posteromedialen Papillarmuskels oder eine globale Dilatation des linken Ventrikels bei Kardiomyopathien [3].

Bei etwa 40 % der Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium III – IV) und eingeschränkter systolischer LV-Funktion (Ejektionsfraktion, kurz: EF, ≤ 35 %) liegt eine relevante Mitralklappeninsuffizienz vor [4].

Klinische Manifestation

Für den Patienten ist entscheidend, ob sich die Mitralinsuffizienz akut oder chronisch entwickelt. Bei der akuten Form, wie etwa infolge der Ruptur einer degenerativ veränderten Chorda, fehlt die Zeit einer dilatativen Anpassung des linken Vorhofs. Durch den direkten Rückfluss in die Pulmonalstrombahn kommt es rasch zur Dekompensation mit Lungenödem oder zum kardiogenen Schock [5].

Bei der viel häufigeren, chronischen Mitralinsuffizienz kann der Patient – in Abhängigkeit von der Schwere der Insuffizienz – lange Zeit asymptomatisch sein. Erst bei zunehmender Volumenbelastung und Versagen des linken Ventrikels entwickeln sich Herzinsuffizienzsymptome, wie eine Belastungsdyspnoe oder nächtliches Husten. Bei älteren Patienten zeigt sich eine unspezifische, allgemeine Erschöpfung. Im weiteren Verlauf kann sich ein erhöhter pulmonaler Druck mit sekundärer Rechtsherzinsuffizienz ausbilden. Klinische Zeichen sind periphere Ödeme und Halsvenenstauung [5]. Durch die Dilatation des linken Vorhofs entwickelt sich im fortgeschrittenen Stadium häufig Vorhofflimmern. Die Patienten klagen oft über Herzklopfen oder sie fallen durch neurologische Symptome auf, die durch eine zerebrale Thromboembolie im Rahmen des Vorhofflimmerns bedingt sind [6].

Die Rolle des Hausarztes

Die chronische Mitralinsuffizienz kann oft viele Jahre hämodynamisch gut kompensiert und asymptomatisch sein. Oft erfolgt die Erstdia-gnose aufgrund eines auffälligen Auskultationsbefunds bei einer Routineuntersuchung. Auf die Mitralinsuffizienz weist ein bandförmiges Holosystolikum hin – klassisch über dem fünften Interkostalraum in der Medioklavikularlinie und mit Fortleitung in die vordere Axillarlinie.

Der Hausarzt spielt bei der Erkennung und Verlaufskontrolle eine Schlüsselrolle. Die Symptome sind meist unspezifisch die einer Herzinsuffizienz, auch begleitendes Vorhofflimmern ist nicht spezifisch für ein Mitralvitium. Der Auskultationsbefund kann suggestiv sein. Entscheidend ist, wie auch bei jeder vermuteten Herzinsuffizienz, eine zeitnahe kardiologische Diagnostik. Besteht der dringende Verdacht auf eine Mitralinsuffizienz, ist die transthorakale Echokardiographie (TTE) die wichtigste Untersuchung für Diagnose und Festlegung des Grads der Mitralklappeninsuffizienz und des Pathomechanismus (primär oder sekundär) [7].
Für den letzten Punkt und für die genaue Planung der Behandlung ist oft eine transösophageale Echokardiographie (TEE) notwendig.

Bei noch asymptomatischen Patienten mit hochgradiger Mitralinsuffizienz koordiniert der Hausarzt die Verlaufskontrollen, um frühzeitig die klinischen Behandlungskriterien zu erkennen, und stellt eine regelmäßige, echokardiographische Untersuchung beim Kardiologen sicher, der die hämodynamischen und strukturellen Kriterien kontrolliert.

Die Therapie

Die Therapien der primären und der sekundären Mitralinsuffizienz unterscheiden sich stark [8].
Bei der primären Form ist die Rekonstruktion oder der Ersatz der Mitralklappe die einzig kausale Therapie. Eine absolute Behandlungsindikation im Sinne einer Klasse-I-Indikation bei primärer, hochgradiger Mitralinsuffizienz ist ein symptomatischer Patient beziehungsweise ein dilatierter (endsystolischer LV-Diameter, kurz: LVESD ≥ 45 mm) oder ein funktionsgestörter (EF ≤ 60 %) linker Ventrikel – und das symptom-unabhängig. Bei asymptomatischen Patienten und einem linken Ventrikel mit erhaltenem, enddiastolischem Diameter ist auch bei neu aufgetretenem Vorhofflimmern oder Auftreten einer pulmonalen Hypertonie die Behandlung der primären Mitralinsuffizienz angezeigt. Ist eine klappenerhaltende Rekonstruktion wahrscheinlich (> 95 %) und das Op.-Risiko niedrig (< 1 %), sollte schon bei Nachweis einer strukturell geschädigten Mitralklappe mit durchschlagenden Segelanteilen (Flail Leaflet) oder stark vergrößertem linken Vorhof (auf > 60 ml/m2) trotz Beschwerdefreiheit und normalem, linkem Ventrikel an eine Operation gedacht werden [9]. Bei asymptomatischen Patienten ohne die genannten Kriterien kann man abwarten. Die klinischen Kontrollen sollte der Hausarzt alle drei Monate, die echokardiographische Verlaufskontrolle der Kardiologe alle sechs bis zwölf Monate vornehmen.

Bei der sekundären Mitralinsuffizienz steht die Behandlung der meist ursächlichen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) im Fokus. Je nach Stadium sollte eine medikamentöse Therapie mit einem ACE-Hemmer (alternativ: Angiotensinrezeptor-Antagonist oder Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor), einem Betablocker, gegebenenfalls einem Mineralokortikoidrezeptorantagonisten und – bei Überwässerung – mit einem Diuretikum erfolgen [10]. Bei Nachweis eines Blockbilds im EKG muss die Indikation für eine kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) geprüft werden [10]. Die Behandlung der HFrEF mit diesen in den Leitlinien empfohlenen Medikamenten und Devices führt über ein reverses Remodelling des linken Ventrikels in vielen Fällen zu einer Besserung auch der Mitralinsuffizienz. Die Indikation zur Rekonstruktion oder zum Ersatz bei der sekundären Form wird aktuell kontrovers diskutiert. Keine Studie zeigte bislang einen prognostischen Nutzen.

Operation vs. Katheterintervention

Die Operation ist der Goldstandard zur Behandlung der primären Mitralinsuffizienz [8]. Die Rekonstruktion ist dem Ersatz der Mitralklappe vorzuziehen. Fast die Hälfte der Patienten hat aber aufgrund ihres Alters, ihrer Komorbidität oder einer eingeschränkten Ejektionsfraktion ein hohes, operatives Risiko. Sie werden deshalb nicht operiert. Seit einigen Jahren gibt es verschiedene katheterinterventionelle Techniken zur direkten Rekonstruktion der Mitralklappe, wobei die größte Erfahrung für das MitraClip-System vorliegt [11].

Eine neuere Methode ist die kathetergestützte Raffung der Mitralklappe mittels Band (Cardioband) – analog zur chirurgischen Anuloplastie. Der Vorteil beider Verfahren ist ihr sehr geringes Risiko, auch bei schwerstkranken Patienten. Prospektive, kontrollierte Studien sind hier noch abzuwarten. Große Anwendungsbeobachtungen zeigen aber, dass die Mehrzahl der so behandelten Patienten einen relevanten, symptomatischen und funktionellen Nutzen hat [12].
Die europäischen Leitlinien empfehlen das MitraClip-Verfahren als Therapieoption bei Patienten mit hochgradiger, primärer Mitralinsuffizienz, die inoperabel sind oder ein hohes, operatives Risiko haben. Diese Methode dient auch als symptomatischer Ansatz bei Patienten mit sekundärer Mitralinsuffizienz, die nach Ausschöpfen aller medikamentösen Therapien und gegebenenfalls einer kardialen Resynchronisation weiterhin symptomatisch sind.


Literatur
1. Iung B et al. (2003) A prospective survey of patients with valvular heart disease in Europe: the Euro Heart Survey on Valvular Heart Disease. Eur Heart J. 2003 Jul;24(13):1231-43.
2. Nkomo VT et al. (2006) Burden of valvular heart diseases: a population-based study. Lancet. 2006 Sep 16;368(9540):1005-11.
3. Nickenig G et al. (2013) Konsensus der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung – und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie zur Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz. Kardiologe 2013 7:76–90.
4. Patel JB et al. (2004) Mitral regurgitation in patients with advanced systolic heart failure. J Card Fail. 2004 Aug;10(4):285-91.
5. Herold G et al. (2017) Innere Medizin 2017.
6. Kirchhof et al. (2017) Integrated care of patients with atrial fibrillation: the 2016 ESC atrial fibrillation guidelines. Heart. 2017 May; 103(10): 729–731.
7. Dal-Bianco JP et al. (2013) Anatomy of the Mitral Valve Apparatus – Role of 2D and 3D Echocardiography. Cardiol Clin. 2013 May;31(2):151-64. doi: 10.1016/j.ccl.2013.03.001.
8. Baumgartner H et al. (2017) ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. Eur Heart J. 2017 Sep 21;38(36):2739-2791.
9. Nishimura RA et al. (2014) 2014 AHA/ACC Guideline for the Management of Patients With Valvular Heart Disease: executive summary: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines. Circulation. 2014 Jun 10;129(23):2440-92.
10. Ponikowski P et al. (2016) ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: the Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016;37:2129–2200.
11. Glower D et al (2012) EVEREST II randomized clinical trial: predictors of mitral valve replacement in de novo surgery or after the MitraClip procedure. J Thorac Cardiovasc Surg. 2012 Apr;143(4 Suppl):S60-3.
12. Nickenig G et al. (2016) Transcatheter mitral annuloplasty in chronic functional mitral regurgitation: 6-month results with the Cardioband percutaneous mitral repair system. JACC Cardiovasc Interv. 2016 Oct 10;9(19):2039-2047. doi: 10.1016/j.jcin.2016.07.005.



Autor:

Dr. med. Monique Wösten

Herzzentrum Köln, Kardiologie,
50937 Köln

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (10) Seite 40-42