Die Harnanalyse ist eine der ältesten medizinischen Laboruntersuchungen. Durch die breite Anwendung von Harnteststreifen und Teststreifen-Analyse-Geräten wird oft das Erstellen und Beurteilen des Harnsediments vergessen. Aber gerade erst hiermit ist eine hinreichend genaue Harndiagnostik möglich, mit deren Hilfe sich in kurzer Zeit Harnwegsinfekte mit valider Sicherheit ausschließen lassen. Dadurch kann man unnötige antibiotische Behandlungen vermeiden, was wegen der Reduktion von Antibiotika-Resistenzen dringend geboten ist.

Harnstreifen-Tests liefern in ca. einem Drittel der Fälle falsche Befunde (Tabelle 1). Harnteststreifen-Lesegeräte sind daher kein Ersatz für die Harnmikroskopie, bieten aber einige Vorteile:
  • objektivierte, standardisierte Ergebnisse durch konstante Bedingungen (Lichtquelle, Inkubationszeit)
  • Wertedokumentation, Speicherung von Probenergebnissen, Anbindung an Praxis- und Labor-EDV
  • Zeitersparnis durch serielle Abarbeitung, vor allem bei großem Probenaufkommen

Der Weg zum richtigen Befund

Als Einstieg in die Diagnostik macht ein Harnstreifentest Sinn, der nur bei positiven Befunden oder bei klinischen Symptomen Anlass zu weiterer mikroskopischer bzw. bakteriologischer Untersuchung geben sollte (Tabelle 2). Zu beachten ist, dass ein vollständiger Ausschluss einer Harnwegsinfektion auch durch eine Kombination von Klinik und negativem Teststreifenergebnis nicht möglich ist. Bei entsprechender Erfahrung kann jedoch mit der Urinmikroskopie eine Harnwegsinfektion weitgehend ausgeschlossen werden, nämlich bei fehlendem Nachweis von Leukozyten im Harnsediment. Bei negativem Teststreifenergebnis, aber klinischen Symptomen sollte trotzdem ein Sediment angefertigt werden.

Anfertigung des Harnsediments

Die Probenmenge sollte 12 ml betragen, die Umdrehungszahl 1.500 U/min, die Zentrifugationsdauer 5 Minuten. Überstehender Urin ist schnell abzugießen. Ca. 1 ml des Sediments ist aufzuschütteln, auf einen Objektträger aufzutragen und mit Deckglas abzudecken. Das Mikroskop stellt man für den Überblick auf 100-fache Vergrößerung ein, zum Auszählen der Zellen auf 400-fache Vergrößerung.

Harndiagnostik: wann indiziert?

Eine Harnuntersuchung ist oftmals angezeigt bei Bauchschmerzen, speziell Unterbauchschmerzen, beim Lendenschmerz, beim genitalen Schmerz und bei Miktionsstörungen, auch ohne typische, klinische Symptome wie Dysurie, Algurie oder Pollakisurie.

Wenn der Harnteststreifen positive Befunde im Leukozytenfeld (+/-Nitrit, +/-Ery) ergibt, was in ca. einem Drittel der Fälle falsch positiv ist, benötigt man zur Bestätigung bzw. zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion das Harnsediment. Der Goldstandard zur Diagnose einer Harnwegsinfektion ist die Urinuntersuchung einschließlich quantitativer Urinkultur. Durch die zeitliche Latenz bis zum Erhalt des Ergebnisses nach mehreren Tagen Harnkultivierung bekommt das Harnsediment für das unmittelbare therapeutische Handeln große Bedeutung!

Die Urinkultur soll angestrebt werden zur Diagnosesicherung, noch bevor in folgenden Konstellationen mit empirischer, antibiotischer Therapie begonnen wird:
  • Harnwegsinfektrezidiv,
  • aufsteigender Harnwegsinfekt,
  • Schwangere, Kinder und Männer
  • Dauerkatheterträger nach Einlegen eines neuen Verweilkatheters
  • geriatrische Patienten im Seniorenheim.

Harnproben zum Versand an das bakteriologische Labor für den Keimnachweis sollten im Kühlschrank aufbewahrt und möglichst rasch versandt werden.


Literatur
1) Interdisziplinäre S3 Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten 2017, AWMF-Register-Nr. 043/044 http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf
2) EBM guidelines http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.koti
3) Kompendium der Urinanalyse Urinteststreifen und Mikroskopie, 2014 Roche Diagnostics https://www.roche.de/res/content/7696/urinanalyse-kompendium.pdf



Autor:

Dr. Peter Sigmund

Medizinalrat
Arzt für Allgemeinmedizin, Geriatrie
Lehrbeauftragter Allgemeinmedizin MedUni Graz
A-8462 Gamlitz

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (9) Seite 20-21