Mit dem Einzug der Digitalisierung in das Gesundheitswesen verändert sich das Arzt-Patienten-Verhältnis in erheblichem Maße. Der technische Fortschritt eröffnet viele neue Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie und beinhaltet damit die Chance einer verbesserten Patientenversorgung. Allerdings müssen die ethischen Grundsätze zum Umgang mit neuem Wissen und neuen Methoden eingehend diskutiert werden.

Auch in Zeiten der Digitalisierung muss die Patientenversorgung zuallererst eine bilaterale Beziehung zwischen Patient und Arzt sein. Die Beratung durch einen Arzt und sein empathisches Verhalten werden auch in einer digitalisierten Welt unersetzlich bleiben. Die digitale Entwicklung der Medizin kann die medizinische Versorgung zwar hervorragend unterstützen, aber nie ersetzen. Modernen Rechnern, die Unmengen an Daten verwalten und auswerten können, fehlt es an Einfühlungsvermögen für den individuellen und einzigartigen Patienten. Auf einen einfühlsamen Arzt, zu dem man ein tiefes Vertrauensverhältnis hat, wird der Patient auch in Zukunft nicht verzichten wollen.

Einerseits bietet die Digitalisierung mit der künstlichen Intelligenz eines Dr. Watson, mit Operationsrobotern und telemedizinischen Anwendungen wie etwa die telemedizinische Sprechstunde große Potenziale für die Medizin. Andererseits muss man sich vergegenwärtigen, dass all diese Errungenschaften das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten nachhaltig verändern werden. Ich warne davor, den Arzt zu einem "computerabhängigen Assistenten" zu degradieren. Schon heute kommen viele Patienten zu ihrem Arzt, haben ihre eigene Diagnose bereits nach einem Besuch bei Dr. Google parat und erwarten von dem Arzt nur noch eine "Zweitmeinung". Apps erlauben den Menschen heute eine lückenlose Überwachung vieler medizinischer Daten, aber ohne dass sie diese in jedem Fall auch richtig deuten können.

Daher sollten Ärzte diejenigen sein, die den Patienten die jeweiligen Chancen und Risiken eines digitalisierten Gesundheitswesens aufzeigen und sie durch den digitalen Dschungel begleiten. Der Arzt als Vertrauensperson kann und soll erklären, was hinter all den elektronisch erhobenen Gesundheitsdaten steckt und was sie konkret für den Patienten bedeuten. Hierauf müssen die Ärzte allerdings in ihrer Ausbildung besser als bisher vorbereitet werden. Wir müssen kritisch begleiten, wie sich das Verhältnis zwischen Arzt und Patient im Zuge der Digitalisierung verändert, was geschehen muss, damit wir Ärztinnen und Ärzte unsere ethischen Grundsätze auch weiterhin einhalten können.



Autor:

Dr. med. Theodor Windhorst

Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe
48147 Münster/Westfalen

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (6) Seite 5