Impfungen gehören zu den wirksamsten und wichtigsten Präventionsmaßnahmen. In Deutschland werden Impfungen von den obersten Gesundheitsbehörden der Länder auf Grundlage der Beschlüsse der Ständigen Impfkommission (STIKO) "öffentlich empfohlen". Es ist eine wichtige Aufgabe des Hausarztes, für einen asureichenden Impfschutz bei seinen Patienten zu sorgen.Der folgende Beitrag soll einen Überblick zu neuartigen und kommenden Impfungen geben sowie kontrovers diskutierte Fragen aufgreifen.

Der wissenschaftliche und technische Fortschritt ermöglicht die Entwicklung vieler neuer Impfstoffe, wobei auch neue immunologische Mechanismen im menschlichen Organismus genutzt werden können. Neuartige Impfstoffe, welche z. B. auf rekombinanten Proteinen basieren, sind einerseits sicherer als traditionelle Impfstoffe, aber zugleich auch weniger immunogen. Daraus resultiert die dringende Notwendigkeit, neue und wirksamere Hilfsstoffe, sogenannte Adjuvanzien (Immunpotentiators und Delivery Systems) zu entwickeln.

Durch die Aktivierung des angeborenen (innate) Immunsystems werden Antigen-spezifische Immunantworten initiiert, verstärkt und geleitet. Darüber hinaus führte die Identifizierung einzelner Zelltypen, spezifischer Rezeptoren und Signalwege, welche an der Aktivierung des (innate) Immunsystems beteiligt sind, zu einer Vielzahl neuartiger Angriffspunkte und Zielstrukturen. Innovative Impfstoffe basieren heutzutage auf bis zu drei Hauptbestandteilen: einem Antigen, gegen welches die Antigen-spezifische Immunantwort entwickelt wird, einem Immunpotentiator, der zur Aktivierung des angeborenen Immunsystems führt, und einem Delivery System, welches sowohl das Antigen als auch den Immunpotentiator an den gewünschten Angriffspunkt manövriert [1, 2].

Fazit für die Praxis:
Neue technische Möglichkeiten lassen in naher Zukunft Impfstoffe gegen weitere Infektionserkrankungen erhoffen (unvollständige Übersicht):
  • Reiseassoziierte Impfungen gegen: Hepatitis-C-Virus, Herpes-simplex-Virus, West-Nil-Virus, Malaria, Shigellen, Salmonella paratyphi, Norovirus, Dengue-Fieber, HIV
  • Nicht-reiseassoziierte Impfungen gegen: Streptococcus agalactiae, Pseudomonas aeruginosa, Streptococcus aureus

Polyvalente Impfstoffe

Um einen möglichst umfassenden Impfschutz zu ermöglichen, werden verstärkt polyvalent(er)e Impfstoffe konzipiert und empfohlen. So präzisierte beispielsweise die STIKO im Januar 2018 ihre Influenzaimpfempfehlung und empfiehlt seither für die Impfung gegen saisonale Influenza einen quadrivalenten Influenzaimpfstoff mit aktueller, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlener Antigenkombination. Diese Empfehlung gilt für alle Personen, für die die saisonale Influenzaimpfung von der STIKO empfohlen wird. Dadurch soll ein breiteres Wirkspektrum und eine bessere Akzeptanz der Influenzaimpfung erreicht werden [3].

Gegen Pneumokokkeninfektionen stehen in Deutschland zwei unterschiedliche Typen von Impfstoffen zur Verfügung: ein 23-valentes Polysaccharidvakzin (PPV23, Pneumovax 23®) für die Standardimpfung aller Erwachsenen ab dem 60. Lebensjahr und für die Indikationsimpfung ab dem 2. Lebensjahr. Darüber hinaus gibt es zwei Konjugatimpfstoffe: den 13-valenten PCV13 (Prevenar 13®) und den 10-valenten PCV10 (Synflorix®). Prevenar 13® war zunächst nur zugelassen als Standardimpfung von Kleinkindern und als Indikationsimpfung bis zum 5. Lebensjahr, mittlerweile ist Prevenar 13® für alle Altersklassen zugelassen. Synflorix® ist ausschließlich für Kinder zugelassen und wird wegen der geringeren Anzahl von Serotypen seltener verimpft [4].

Fazit für die Praxis:
  • Influenza: Die STIKO präzisierte im Januar 2018 ihre Influenzaimpfempfehlung und empfiehlt seither für die Impfung gegen saisonale Influenza einen quadrivalenten Influenzaimpfstoff. Diese Empfehlung gilt für alle Personen, für die die saisonale Influenzaimpfung von der STIKO empfohlen wird.
  • Pneumokokken: Standardmäßig sollen alle Personen ab 60 Jahre mit PPV23 geimpft werden, eine Auffrischung erfolgt ggf. nach sechs Jahren; bei Indikation wird eine sequenzielle Impfung mit PCV13, gefolgt von PPSV23 nach sechs bis zwölf Monaten empfohlen, wobei PPSV23 erst ab dem Alter von zwei Jahren gegeben werden soll.

Neue internationale Impfstoffe

Neben den bereits vorgestellten zugelassenen Impfstoffen in Deutschland gibt es international eine Reihe neuer Impfstoffe, die in Deutschland bisher noch nicht verfügbar sind: Typhus-Konjugat-Impfstoffe (Bharat Biotech India), Lebendimpfstoffe gegen Japanische Enzephalitis (China: SA14-14-2; Australien: Imojev®), ein Chimervakzin gegen Dengue-Fieber (Dengvaxia®), Chimervakzine gegen Ebola (rVSV-ZEBOV / New Link Genetics, USA), cAd3-ZEBOV / GSK) und Impfstoffe, die sich gegen die Pest, Anthrax, Leptospirose, das Q-Fieber oder Influenza (Süd) richten.

Zugelassen durch die European Medicine Agency (EMA) sind Impfstoffe gegen Pocken und Malaria, der Zugang ist allerdings stark limitiert. Der Lebendimpfstoff gegen Pocken (Imvanex®) ist mittlerweile für 31 europäische Länder und Kanada zugelassen. Da sich das Vakzin in den menschlichen Zellen nicht selbst repliziert, gilt es als sehr sicher [5].

Kontrovers diskutierte Fragen

Fortschritte im Verständnis des Immunsystems helfen bei der Entwicklung besserer Impfstoffe. In Kombination mit der Verbesserung pharmazeutischer Technologien und der Formulierung geeigneter immunstimulierender Moleküle und Delivery Systems ermöglicht dies, neue Impfstoffe für den weltweiten Bedarf herzustellen.

Es bleibt jedoch zu bedenken, dass die Entwicklung und Anwendung neuer Impfstoffe vielen organisatorischen und ethischen Problemen unterworfen ist. Gerade Impfstoffe, die sich gegen Infektionskrankheiten in Schwellen- und Entwicklungsländern richten, müssen den erschwerten Bedingungen vor Ort gerecht werden. So muss beispielsweise die erforderliche Kühlkette und Lagerung der Impfstoffe gewährleistet sein. Regelmäßige Impfzyklen müssen für die Bevölkerung ermöglicht werden, wobei die Infrastruktur im betroffenen Gebiet oft starke Defizite aufweist. Auch die Impfaufklärung muss für alle Bildungsschichten adäquat vermittelt und eine sichere Form der Dokumentation entwickelt werden.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, vor der Anwendung in betroffenen Gebieten mögliche Schutzwirkungen bei Non-Compliance zu untersuchen und Nebenwirkungen auch bei verschiedenen Altersklassen sowie Grund- und Nebenerkrankungen zu kennen. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass noch viele infektionsbedingte Todesfälle weltweit besonders Kinder betreffen, die dringend einen Impfschutz benötigen.


Literatur
1. O‘Hagan, D.T. and N.M. Valiante. Recent advances in the discovery and delivery of vaccine adjuvants. Nat Rev Drug Discov, 2003. 2 (9): p. 727-35.
2. Barbara C. Baudner und Derek T. O`Hagan, Novartis AG. Innovative Impfstoff-Entwicklung. Moderne Pharmazeutische Technologie 2009; 15-23..
3. Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Epid Bull 2018; 2: 19-34
4. M. W. Pletz: Pneumokokkenimpfung, Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 1734 – 1736
5. "Phase II Trial to Assess Safety and Immunogenicity of IMVAMUNE®". ClinicalTrials.gov. U.S. National Institutes of Health. Retrieved 2014-10-30.


Autor:

Prof. Dr. med. Jörg Schelling

Institut für Allgemeinmedizin
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
80336 München

Interessenkonflikte: Dr. rer. nat. Linda Sanftenberg: Erstattung von Reisekosten und Teilnahmegebühr zur Nationalen Impfkonferenz 2015 durch Pfizer Pharma GmbH
Dr. med. Hans-Jürgen Schrörs: Geschäftsführer der GZIM (Gesellschaft zur Förderung der Impfmedizin mbH). Die GZIM erhielt 2016 Gelder der Firma GSK für die Erstellung eines Gutachtens und 2017 Honorare für Vortragstätigkeit
Prof. Dr. med. Jörg Schelling: Mitglied in Advisory Boards zu Impfstoffen (Pfizer, GSK, MSD), Erstattung von Hotel-, Reise- und Kongressgebühren (Pfizer, GSK, MSD)



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (6) Seite 30-32