Bereits seit März 2017 dürfen Haus- und Fachärzte getrocknete Cannabisblüten und standardisierte Cannabisextrakte sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon auf einem Betäubungsmittelrezept verordnen. Rückwirkend zum 1. Oktober 2017 wurden jetzt drei neue GOPs zur Vergütung des Verordnungsaufwands in den EBM aufgenommen. Das Honorar ist allerdings unattraktiv.

Zum 10. März 2017 ist das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften in Kraft getreten. Seither dürfen alle Haus- und Fachärzte eingangs erwähnte Cannabisprodukte und Wirkstoffe auf einem Betäubungsmittelrezept verordnen. Das Prozedere rund um die Verordnung ist jedoch kompliziert sowie zeitaufwendig, die Vergütung ein Witz.

Um den Aufwand für die Begleiterhebung und die Verordnung zu honorieren, hat der Bewertungsausschuss jetzt drei GOPs rückwirkend zum 1. Oktober in den EBM neu aufgenommen.

Voraussetzungen für die Abrechnung

Vor der Erstverordnung muss sich der Patient die Therapie zwingend von seiner Krankenkasse genehmigen lassen. Die Krankenkassen dürfen die Verordnung nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen, weist die Kassenärztliche Bundesvereinigung hin. Voraussetzung ist, dass bei einer schwerwiegenden Erkrankung keine andere allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung steht oder angewendet werden kann. Außerdem muss "eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome" bestehen. Konkretere Informationen, was das bedeuten könnte oder was als "schwerwiegend" gelten könnte, gibt es nicht.

Die Daten, die der Arzt anonym für die Begleiterhebung an das BfArM übermitteln soll, sind sehr umfangreich:
  • Alter und Geschlecht des Versicherten
  • Diagnose gemäß dem Diagnoseschlüssel ICD-10
  • Dauer der Erkrankung oder Symptomatik
  • Angaben zu Vortherapien und ggf. Beendigungsgründe (z. B. mangelnder Therapieerfolg, unverhältnismäßige Nebenwirkungen, Kontraindikationen)
  • Angaben, ob eine Erlaubnis zur ärztlich begleiteten Selbsttherapie mit Cannabis vorlag und ob von dieser Gebrauch gemacht wurde
  • Genaue Bezeichnung der verordneten Cannabistherapie einschließlich Dosierung und Art der Anwendung
  • Dauer der Cannabistherapie
  • Angabe parallel verordneter Arzneimittel nach Wirkstoffen
  • Auswirkung der Cannabistherapie auf Krankheits- oder Symptomverlauf
  • Angabe zu aufgetretenen Nebenwirkungen unter Cannabis
  • Ggf. Gründe für Beendigung der Cannabistherapie
  • Angaben zur Entwicklung der Lebensqualität des Versicherten
  • Fachrichtung des verordnenden Vertragsarztes

Im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) muss die Krankenkasse über den Antrag innerhalb von drei Tagen entscheiden. In anderen Fällen dürfen sich die Kassen drei, bei gutachterlicher Stellungnahme fünf Wochen Zeit lassen, um über den Antrag zu entscheiden.

Der behandelnde Arzt übermittelt Daten im Rahmen einer Begleiterhebung in anonymisierter Form an das BfArM, das nach fünf Jahren für den Gemeinsamen Bundesausschuss einen Bericht erstellt.

GOP 01460 und 01461 zur fünfjährigen Begleiterhebung

Die GOP 01460 umfasst die Aufklärung des Patienten über die verpflichtende Datenerhebung. Dazu gehört auch die Aushändigung eines Infoblattes, das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) heruntergeladen werden kann (Link für Informationsblatt: http://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/Begleiterhebung/_node.html ).

Mit der GOP 01461 wird die Datenerfassung und die Übermittlung der Daten an das BfArM vergütet. Die Leistung kann berechnet werden – entweder nach Ablauf eines Jahres nach Beginn der Therapie oder bei Beendigung der Therapie vor Ablauf eines Jahres zum Zeitpunkt des Therapieendes.

Verabreichungsmöglichkeiten

Der Wechsel innerhalb der unterschiedlichen Verabreichungsmöglichkeiten von Cannabis, wie in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten oder Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Dronabinol oder mit dem Wirkstoff Nabilon, gilt als neue Therapie. Wenn die Krankenkasse eine Therapie neu genehmigt, kann die Berechnung der GOP 01461 erneut erfolgen. Es ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob bei einem Wechsel der Verabreichungsmöglichkeiten unbedingt eine neue Genehmigung der Krankenkasse erforderlich ist. Die KBV rät jedoch zu einer erneuten Einholung einer Genehmigung.

Das Bundesgesundheitsministerium geht von einem zusätzlichen Zeitaufwand für die Begleiterhebung von 45 Minuten aus – ein Arzt erhält pro Begleiterhebung 92 Punkte bzw. 9,70 Euro.

Die GOP 01460 und 01461 können bis 31. März 2022 abgerechnet werden; dann endet die fünfjährige, gesetzlich verankerte Begleiterhebung.

GOP 01626 für die Antragsstellung

Für die Antragsstellung bei der Krankenkasse benötigen Patienten eine Stellungnahme ihres Arztes. Da ein Wechsel innerhalb der unterschiedlichen Verabreichungsmöglichkeiten von Cannabis (s. o.) eine Genehmigung erforderlich macht, kann eine Berechnung der GOP 01626 bis zu viermal im Krankheitsfall erfolgen. Die GOP 01626 ist dauerhaft im EBM verankert, da die Genehmigungspflicht auch nach Ende der Begleiterhebung bestehen bleibt.

Fazit

Die Vergütung der drei neuen Leistungen erfolgt extrabudgetär. Das aber dürfte Ärzte weniger interessieren. Schließlich erhält ein Arzt dafür, dass er den Patienten informieren muss, die zeitaufwendige Begleiterhebung durchführt und sich auch noch mit den komplizierten Verordnungsanforderungen auseinandersetzen muss, gerade mal rund 27,70 Euro.


Simone Leisinger


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (1) Seite 57-58