Frage: Mir sind drei ältere Ärzte bekannt, die aus unterschiedlichen Indikationen Atorvastatin einnehmen und alle über eine "Schwäche in der Oberschenkelmuskulatur" klagen, welche sie z. B. beim Aufstehen aus dem Sessel oder aus der Hocke beeinträchtigt. Alle drei Kollegen führen dieses Handicap auf die Einnahme von Atorvastatin zurück und sagen, "dies sei bekannt". Gibt es hierzu belastungsfähige Literatur bzw. einschlägige Erfahrungen?

Antwort

Die geschilderte Schwäche der Oberschenkel-Muskulatur wird nicht konsistent so geschildert und kann nicht als regelhaft auftretende Konsequenz der Atorvastatin-Einnahme dargestellt werden. Einige Patienten berichten unter Statin-Einnahme (und nicht nur unter Atorvastatin) über Muskelschwäche. Wie man damit umgeht, ist immer sehr individuell und hängt auch vom Risikoprofil ab. Das eine Ziel ist natürlich, den Zielwert für LDL-Cholesterin zu erreichen. Das zweite Ziel ist aber genauso, dies ohne Beschwerden zu erreichen. Muskelschwäche oder Muskelbeschwerden sind ein sehr unspezifisches Symptom und können mit sehr vielen verschiedenen Ursachen in Zusammenhang gebracht werden; angefangen von zunehmendem Alter, über verschiedenste Medikamente bis hin zum Vitamin-D-Mangel. Meist stellen wir die Therapie auf ein anderes Statin um und kombinieren mit Ezetrol. In der Regel sind wir damit erfolgreich, auch wenn vielleicht mehrere Kombinationen getestet werden müssen. Zum Umgang mit SAMS (statinassoziierten Muskelschmerzen) gibt es ein Konsensuspapier der EAS, dessen wichtigster Aufruf lautet: Man muss sich individuell mit den Patienten beschäftigen (andere Ursachen eruieren) und Zeit investieren, um die jeweils individuelle Ursache und individuell wirksame und verträgliche Therapie zu eruieren. Je mehr in der Literatur und vor allem der Laien-Presse auf Nebenwirkungen hingewiesen wird, desto häufiger treten diese unserer Erfahrung nach auch auf. Hierzu gibt es auch erschreckende Studiendaten. Deswegen betonen wir die allgemein sehr gute Verträglichkeit und den Nutzen für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Ich denke, daß die drei Kollegen, die Sie nennen, genau deswegen auch Atorvastatin weiter einnehmen. Besser wäre es für diese natürlich, eine Therapie, die sie sehr gut vertragen, zu finden. Sehr häufig helfen auch die Reduktion der Atorvastatin-Dosis, das Hinzunehmen von Ezetrol und die Vitamin D-Substitution.



Autorin:
Dr. med. Anja Vogt
LMU Klinikum München
Bereichsleiterin Stoffwechsel und Lipoprotein-Apherese
80336 München

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (19) Seite 71