Es wäre Dr. Gustav J. wahrscheinlich bis heute nicht aufgefallen, dass die Zinssätze sowohl seines Überziehungskredites auf dem Praxiskonto als auch des Gebäudedarlehens während des vergangenen Jahres sogar zweimal erhöht wurden. Seinem Steuerberater fiel diese unerfreuliche Tatsache bei einer Kontoprüfung auf. Nicht selten geraten gerade Ärzte, die im Zuge ihrer Niederlassung Kredite aufnehmen müssen, in eine finanziell unübersichtliche Lage. Unser Finanzexperte zeigt mögliche Gefahren auf und gibt Tipps, wie man die Kontrolle über alle Kredite behält.

Zurück zu Dr. J.: Da er durch seine Praxisführung mittlerweile in der glücklichen Lage ist, den Überziehungskredit nur minimal in Anspruch nehmen zu müssen, fielen die Erhöhungen dieser Zinssätze zunächst kaum ins Gewicht. Einschlägiger waren die Belastungen durch die zusätzlichen Darlehenszinsen.

Nach der ersten Überraschung – immerhin hätten die Kreditzinsen bei der Entwicklung der Zinssätze an den Geld- und Kapitalmärkten ja eigentlich sinken müssen – erkundigte sich J. bei seinem Ansprechpartner des Kreditinstitutes. Dieser erläuterte ihm, dass Kreditzinserhöhung aufgrund einer Neubewertung der Kreditsicherheiten erforderlich geworden wäre. Auf die zwangsläufig folgende Frage von Dr. J., warum er darüber nicht in Kenntnis gesetzt worden sei, konnte ihm der Bankmitarbeiter keine zufriedenstellende Antwort geben. Zaghafte Hinweise auf Kommunikationsprobleme durch mehrere involvierte Abteilungen im Haus sowie ein Wechsel bei den Beratern machten darüber hinaus deutlich, dass sein Ansprechpartner selbst nicht so recht wusste, wie es zu dieser Informationspanne kommen konnte.

Immer den Überblick behalten!

Nachdem sich bei Dr. J. der erste Zorn gelegt hatte, wurde ihm klar, dass auch er ein gewisses Maß an Mitverantwortung für diese Situation trug. Er konnte sich nämlich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal um seine verschiedenen Kreditsicherheiten, die bei mehreren Banken "gestreut" waren, gekümmert hat. Dieses Versäumnis ist in der Tat nur schwer zu verstehen, zumal Dr. J. in den 15 Jahren seiner Niederlassung mehr oder weniger regelmäßig auf Kredite angewiesen war und hierfür entsprechend viele Sicherheiten zur Verfügung stellen musste.

Als Sofortmaßnahme sah sich Dr. J. nun sämtliche Bankordner mit Kreditverträgen und Sicherheitsvereinbarungen an und versuchte, einen ersten Überblick über die Lage zu bekommen. Dabei traten Fakten zutage, von denen er selbst überrascht wurde. So bestanden noch, zumindest auf dem Papier, diverse Bürgschaften seines Vaters für die Praxis. Ebenso fanden sich Sicherungsübereignungen von Teilen seiner Praxisausstattung, die schon gar nicht mehr existierten. Diese Sicherheiten wurden Banken zur Verfügung gestellt, mit denen Dr. J. kaum mehr zu tun hatte, da die Schulden in der Zwischenzeit fast vollständig beglichen wurden.

Die einzige Bank, mit der er sowohl privat als auch geschäftlich fast sämtliche Umsätze abwickelte, war das erwähnte Kreditinstitut, bei dem sowohl der Überziehungskredit als auch die beiden Baudarlehen geführt wurden. Denn sowohl auf dem Praxisgrundstück als auch auf einer Privatimmobilie musste Dr. J. Grundschulden eintragen lassen, die den Banken ebenfalls zur Sicherung von Krediten dienen. Grund für die Erhöhung seiner Kreditzinssätze war nun offensichtlich eine Neu- bzw. Schlechterbewertung der Immobilien. Wie das Kreditinstitut zu dieser Neubewertung im Detail gekommen ist, erfuhr Dr. J. in einem späteren Gespräch mit dem Bankmitarbeiter. Offen blieb aber zunächst dennoch die Frage, warum Dr. J. nicht rechtzeitig über die Hintergründe in Kenntnis gesetzt wurde.

Praxis-Tipps: Wie verwalte ich meine Kreditsicherheiten?

Als weitere wichtige Maßnahme schrieb Dr. J. sämtliche Banken an, denen er seinerzeit Kreditsicherheiten anbieten musste, und bat diese um eine Bestätigung, dass sie keinerlei Rechte mehr aus diesen Sicherheiten herleiten. Die noch bestehenden älteren Darlehensverbindlichkeiten zahlte er, soweit dies die Verträge ermöglichten, kurzfristig zurück und bat danach ebenfalls um Freigabe der Grundschulden. Darüber hinaus gibt es seitdem bei Dr. J. eine Art "Sicherheitenregister", in dem sämtliche Kreditsicherheiten detailliert nach Kreditgeber, Verwendungszweck, Laufzeit des jeweiligen Kredites sowie weiteren Details zu den Kreditbedingungen wie Zins- und Tilgungsleistungen aufgeführt sind. Dieses Sicherheitenregister wird kontinuierlich fortgeführt. Außerdem wird es nun mindestens einmal im Jahr ein Gespräch mit der jeweiligen Bank geben, in dem der individuelle Wert jeder einzelnen Sicherheit mit dem Kreditinstitut abgestimmt wird. Stellt sich hierbei heraus, dass zu hohe Sicherheiten von der Bank verlangt wurden, sollte erreicht werden, dass die Bank einen Teil der Kreditsicherheiten kurzfristig wieder freigibt.

Neben einer ausreichenden Kreditwürdigkeit ("Bonität") bilden Umfang und Qualität der Kreditsicherheiten das zweite wichtige Kriterium zur Entscheidungsfindung für einen Kredit. Dieser Gesichtspunkt wird von Praxisverantwortlichen immer wieder ebenso unterschätzt wie die Notwendigkeit, die Werthaltigkeit jeder einzelnen Sicherheit regelmäßig zu kontrollieren. Grundsätzlich sollte die jeweilige Kredithöhe etwa der Bewertung der Sicherheiten entsprechen. Um hierüber die Übersicht zu behalten, ist es sinnvoll, mit dem jeweiligen Kreditgeber abzustimmen, ob dessen Bewertung mit der eigenen Einschätzung zumindest weitgehend übereinstimmt.



Autor: Michael Vetter

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (17) Seite 80-81