Gezielte Fragen nach Art und Lokalisation der Beschwerden, Einschränkungen von Alltagsaktivitäten sowie die Untersuchung von Gelenk und Muskeln helfen, die Ursache von Kniegelenksschmerzen schnell einzugrenzen. Oft helfen dann konservative Maßnahmen.

Wenn ein Patient erstmals seine Knieschmerzen beim Arzt geltend macht, haben sie ihn schon eine Weile geplagt, aber jetzt werden ihm die Einschränkungen zu viel, seine eigenen Kompensationsmöglichkeiten sind erschöpft, wahrscheinlich braucht er jetzt neue Kniegelenke? Die anderen haben auch alle welche.

Jetzt gilt es als Erstes zu klären, welche Auswirkungen sein Leiden konkret auf seine Lebensqualität hat: Was kann er nicht mehr machen, inwiefern behindert ihn der Knieschmerz bei Alltagsaktivitäten und Teilhabe. Fragen Sie also: "Was geht denn nicht mehr, haben Sie schon manches unterlassen müssen, was Sie gern gemacht hätten (Wandern im Gebirge, Radfahren, Einkaufen, Treppensteigen, Ausgehen, Laufen einer längeren Strecke), oder tut es "nur" nachts weh? Stört es beim Schlaf?

Genau nach den Beschwerden fragen

Erfragen Sie die Beschwerden ganz detailliert: "Wann schmerzt es, wobei, wie lange ist Belastung möglich, Besserung beim Stehenbleiben, beim Setzen oder beim Vorbeugen?"

Bei einer "richtigen" Arthrose verstärkt sich der Schmerz mit der Wegstrecke, nach 200 bis 400 m geht nichts mehr. Dann dürfte der Knorpel vollständig aufgebraucht sein ("Knorpelglatze") und alle konservativen Maßnahmen helfen nicht mehr.

Ein enger Spinalkanal kann ganz umschriebene Schmerzzustände hervorrufen, die durch eine Lokalbehandlung – etwa durch Infiltration – nicht zu beeinflussen sind. Typisch dafür wäre außerdem, dass eine Besserung beim Stehenbleiben ausbleibt und sich erst beim Entlasten, allerdings auch bei einfacher Vorbeuge, einstellt.

Untersuchung des Kniegelenks

Als nächster Schritt folgt die Untersuchung des Kniegelenks. Mit einem klaren Plan geht es rasch, und je häufiger, desto besser:

  • Inspektion am stehenden und liegenden Patienten: Schwellungen? Fehlstellungen?
  • Palpation: Druckschmerz? Temperaturanstieg? Erguss? Schmerzpunkte?
  • Prüfung der Beweglichkeit, des Gelenkspiels und der Menisken und Bänderfestigkeit im Seitenvergleich.

Aber die Befunde sind in Ordnung? Wie viele andere Schmerzen sind auch die im Kniegelenk empfundenen oft andernorts verursacht:

  • Wirbelsäule: durch Radikulärsyndrom, engen Spinalkanal, lumbale Blockierung oder Iliosakralgelenksblockierung
  • Hüftgelenk: degenerative oder entzündliche Prozesse
  • Sprunggelenke und Füße: Fehlstellungen, Instabilitäten
  • und "last not least" die Muskulatur, die am Kniegelenk ansetzt und seine Ruheschmerzen in das Gelenk projiziert.

Projektion aus der Muskulatur

Anlaufschmerzen und besonders die Ruheschmerzen außerhalb der Belastung sind keineswegs direkt durch die Arthrose bedingt, sondern aus der (verkürzten) Muskulatur in die Gelenke projiziert. In diesem Fall hilft vor allem Bewegung (Gehen oder Radfahren) und zu Beginn eine spezifische Behandlung der Muskulatur durch Dehnung der verkürzten Muskulatur nach JANDA, verordnungsfähig als KG.

Optimal ist es, wenn man die Muskulatur gezielt untersucht und ggf. gleich noch die Behandlung einleitet. Vieles können die Patienten dann eigenständig fortsetzen. Das lernt man nur durch Handanlegen und Üben, z. B. in den Kursen des Autors beim IhF oder bei anderen Gelegenheiten.

Stufenplan Kniegelenksschmerzen
  • Die Anamnese lässt zwischen schwerer Arthrose, muskulär bedingten Schmerzen und engem Spinalkanal differenzieren.
  • Die Untersuchung erhärtet die Einschätzung bei fehlenden Bewegungseinschränkungen und Krepitation.
  • Die funktionelle Behandlung: Mobilisation bei Blockierung, Dehnung verkürzter Muskulatur und ggf. TLA lösten die meisten Patientenprobleme, ausreichend Bewegung, die dadurch wieder ermöglicht wird, tut das Ihre als langfristige tertiäre Prävention.
Nur bei schweren Arthrosen wie "Verlagerung", Knorpelglatze oder beim engen Spinalkanal ist ein operatives Vorgehen zu erwägen.

Sollte man röntgen, endoskopieren, operieren? Wenn wir gut untersucht haben und unser Therapiekonzept verstanden und akzeptiert wurde, werden sich die Schmerzen mindern und die Alltagskompetenz verbessern. Dann erübrigt sich die Frage nach der Endoprothese ebenso wie nach dem Röntgen. Nur bei klarer Fragestellung und zu erwartenden Konsequenzen sind Bildgebungen indiziert. Zweifellos sind die Gelenke unserer älteren Patienten nicht mehr jungfräulich glatt und saftig, aber auch nur in seltenen Fällen muss eine Endoprothese implantiert werden. Bei dieser Entscheidung ist stets die Leidenszeit, die Zeit der Immobilität, mit ins Kalkül zu ziehen, ganz abgesehen von der Gefahr einer Hirnleistungsstörung, eines Einbruchs oder von Entgleisungen anderer Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen beim Absetzen der Antikoagulation. Nicht zu früh und nicht zu spät, aber jedenfalls nicht ohne zwingende Indikation, nicht ohne Ausschöpfung der sonstigen Therapiemöglichkeiten wie therapeutische Lokalanästhesie, Wärmebehandlung und Bewegungstherapie bis hin zu einer angemessenen risikoarmen Schmerztherapie mit niedrig dosierten starken Opioiden.

Arthrosen bei jüngeren Patienten

Arthrosen sind häufige Störungen im Alter. Treten multiple Arthrosen jedoch bereits in jüngeren Jahren auf, sollten Sie stutzen: Dann kann eine Stoffwechselerkrankungen dahinterstecken oder eine andere "seltene Erkrankung". Scheuen Sie sich nicht, diese Patienten in einem Zentrum für seltene Erkrankungen vorzustellen. Das geht direkt und ohne Zwischenstationen. Informationen zu den Standorten bei http://www.se-atlas.de .


Untersuchung des Kniegelenks

Prüfung der Kreuzbandstabilität

  • Das Kniegelenk wird im rechten Winkel gebeugt, der Untersucher fixiert den Fuß mit seinem Gesäß.
  • Der Untersucher umfasst den Tibiakopf, dabei nicht in die Kniekehle krallen.
  • Beim ap-Schub tasten die Daumen des Untersuchers die Beweglichkeit.
  • Seitenvergleich: keine Beweglichkeit: Gelenkblockierung, übermäßige Beweglichkeit unterscheidbar nach ventral oder dorsal: Instabilität,
  • Hinweis auf früher erfolgten Kreuzbandriss, erhöhtes Arthroserisiko.


Prüfung auf Seitenbandstabilität

  • Der Fuß des Patienten wird zwischen Hüfte und Ellenbogengelenk des Untersuchers fixiert, das Kniegelenk etwa 10° angebeugt.
  • Leichter seitlicher Schub der Hände nach medial und lateral lässt Anschlag spüren. Ganz geringe Kraft, der Ausschlag ist kaum sichtbar, nicht messbar. Seitenvergleich mit anderem Knie.
  • Zu wenig Beugung: Knie ist verriegelt. Zu viel Beugung: Bein wird im Hüftgelenk rotiert.


Untersuchung des Kniegelenks nach APLAY

Dient zur Differenzierung einer Seitenband- von einer Meniskusläsion bei Gelenkschmerz

  • Rotation im Kniegelenk unter Druck, volle Last aus dem Körper.
  • Drehung ohne Kraft am Vorfuß.
  • Schmerzangabe spricht für Meniskus- oder Knorpelläsion.


  • Rotation im Kniegelenk unter Zug.
  • Der Fuß wird nach oben gezogen, das Knie des Untersuchers hält dagegen.
  • Schmerzangabe bei Bänderläsion auf der Schmerzseite, kein Schmerz bei Meniskusläsion.




Autor:

Dr. med. Diethard Sturm

Facharzt für Allgemeinmedizin
09125 Chemnitz

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (17) Seite 38-40