Die Überprüfung der Nierenfunktion ist eine der wichtigsten hausärztlichen Tätigkeiten bei der Betreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen und unter Dauer-Pharmakotherapie. Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung liefert das Labor (Kreatinin, Harnstoff, Natrium, Kalium, glomeruläre Filtrationsrate, Urinuntersuchung) und die Sonographie der Nieren und der ableitenden Harnwege die bedeutsamsten weiteren Informationen im hausärztlichen Setting.

Die glomeruläre Filtrationsrate wird normalerweise in annähernd durch Formeln berechnet, da die Bestimmung der GFR aus dem 24-Stunden-Urin sehr aufwendig und fehleranfällig ist (Tabelle 1 und 2). Die Cockcroft-Gault-Formel und die MDRD-Formel basieren auf dem Serum-Kreatinin und geben die Clearance in Millilitern pro Minute an, die MDRD-Formel außerdem bezogen auf die Körperoberfläche von 1,73 m². Beiden Formeln ist gemein, dass sie ungenau sind und die GFR nur wenig akkurat abschätzen. Die MDRD-Formel sollte bei Diabetikern, Kindern und Menschen ab 70 Jahren zudem nicht verwendet werden. Auch sehr geringe Filterleistungen unterschätzt sie.

In Ergänzung kann man sich der Berechnung der GFR nach der als genauer geltenden CKD-EPI-Formel, auch über die Cystatin-C-Bestimmung bedienen. Die Cystatin-C-Bestimmung ist wesentlich genauer als das Serum-Kreatinin, weil seine Syntheserate stabil und weitgehend unabhängig etwa von Alter oder Körpergröße ist [1].

Gefäß- oder Gewebeschaden?

Eine Ursachenuntersuchung sollte sich dann in der Hausarztpraxis anschließen, um zum einen gefäßbedingte Nierenschädigungen (Diabetes mellitus, diabetische Nephropathie, Hypertonie, hypertensive Nephropathie) von einer nicht-perfusionsbedingten Ursache der Niereninsuffizienz (glomeruläre Erkrankungen, tubulointerstitielle Erkrankungen) zu unterscheiden. Eine Urinsedimentuntersuchung in der Hausarztpraxis stellt ein wichtiges Instrument dar, um glomeruläre und tubulointerstitielle Nierenerkrankungen, durch ein mehrfach unauffälliges Sediment, auszuschließen. Die Urinsedimentuntersuchung kann in Delegationsleistung von Medizinischen Fachangestellten mit entsprechender Qualifikation durchgeführt werden. Es existieren gute Trainingsprogramme mit vielen Bildern im Internet [2].

Eiweiß messen!

Zur Prognoseeinschätzung der Nierenschädigung ist die Eiweißbestimmung im Urin empfehlenswert. Dazu ist der erste Spontanurin am Morgen zu verwenden oder, falls dies nicht möglich ist, ein Spontanurin während des Tages. Die gemessene Albuminurie ist am besten auf die Kreatininausscheidung im Urin zu beziehen (Albumin-Kreatinin-Ratio, Tabelle 3). Zu beachten ist, dass vorausgegangene körperliche Aktivität, Harnwegsinfektionen, aber auch andere Infektionen falsch hohe Werte liefern. In der neuen Klassifizierung der Albuminurie wird eine Albuminurie bis 10 mg/Tag beziehungsweise eine Albumin-Kreatinin-Ratio von < 10 mg/g als normal definiert. Ab diesem Wert steigt das Risiko für eine chronische Niereninsuffizienz und kardiovaskuläre Komplikationen exponentiell an [3, 4].

Blutdruck senken!

Eine konsequente antihypertensive Therapie, meist in Mehrfachkombination, kann das Fortschreiten der chronischen Niereninsuffizienz und Proteinurie verhindern und damit die renale als auch kardiovaskuläre Prognose verbessern. So konnte gezeigt werden, dass eine Blutdrucksenkung bei Hypertonikern mit linksventrikulärer Hypertrophie (LIFE-Studie) und bei Patienten mit Hypertonie, Diabetes mellitus und Proteinurie (RENAAL-Studie) eine Reduktion der Albuminurie und weniger kardiovaskuläre Komplikationen zur Folge hatte [5, 6]. Bei der hypertensiven Nephropathie ist ein Zielblutdruck von < 130/80 mmHg und beim Vorliegen einer Proteinurie eher ein noch niedrigerer Blutdruck zu empfehlen. Für die ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker und direkten Renininhibitoren sind in großen prospektiven Studien nephroprotektive Effekte belegt. In der Kombinationstherapie bieten sich Diuretika (bei Hypervolämie, erhöhter Kochsalzsensitivität bzw. erhöhtem Kochsalzkonsum) und Kalziumantagonisten (idealerweise der 3. Generation) an. Kalziumantagonisten sollten jedoch nicht initial, sondern besser später zur Optimierung der antihypertensiven Therapie eingesetzt werden [7 – 10].


Literatur
1) Kunihiro Matsushita, MD, PhD; Bakhtawar K. Mahmoodi, MD, PhD et al. (2012): Comparison of Risk Prediction Using the CKD-EPI Equation and the MDRD Study Equation for Estimated Glomerular Filtration Rate FREE. JAMA.;307(18):1941-1951. doi:10.1001/jama.2012.3954
2) UroSurf© by University of Bern, 2009
3) Arnlov J, Evans JC, Meigs JB, et al. (2005): Low-grade albuminuria and incidence of cardiovascular disease events in nonhypertensive and nondiabetic individuals: the Framingham Heart Study. Circulation; 112: 969–75.
4) Witte EC, Lambers Heerspink HJ, de Zeeuw D, Bakker SJ, de Jong PE, Gansevoort R: First morning voids are more reliable than spot urine samples to assess microalbuminuria. J Am Soc Nephrol 2009; 20: 436–43
5) Ibsen H, Wachtell K, Olsen MH, Borch-Johnsen K, Lindholm LH, Mogensen CE, et al. (2004): Does albuminuria predict cardiovascular outcome on treatment with losartan versus atenolol in hypertension with left ventricular hypertrophy? A LIFE substudy. J Hypertens;22:1805–11
6) Brenner, B.M., et al. (2001) (RENAAL = Reduction of Endpoints in Non-insulin-dependent diabetes mellitus with the Angiotensin II Antagonist Losartan study): N. Engl. J. Med., 345, 861.
7) de Zeeuw D, Remuzzi G, Parving HH, et al. (2004): Albuminuria, a therapeutic target for cardiovascular protection in type 2 diabetic patients with nephropathy. Circulation; 110: 921–7.
8) Deutsche Hochdruckliga e.V. (2009): Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie. Nieren- und Hochdruckkrankheiten; 38: 137–88.
9) Parving HH, Persson F, Lewis JB, Lewis EJ, Hollenberg NK (2008): Aliskiren combined with losartan in type 2 diabetes and nephropathy. N Engl J Med; 358: 2433–46.
10) Ruggenenti P, Perna A, Benini R, Remuzzi G (1998): Effects of dihydropyridine calcium channel blockers, angiotensin-converting enzyme inhibition, and blood pressure control on chronic, nondiabetic nephropathies. Gruppo Italiano di Studi Epidemiologici in Nefrologia (GISEN). J Am Soc Nephrol; 9: 2096–101



Autor:

Dr. med. Reto Schwenke

Facharzt für Allgemeinmedizin
75045 Walzbach

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (9) Seite 20-21