Die Zahl der Medikamente zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) wächst kontinuierlich. Individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Therapieregime sind damit heute realisierbar. Doch für ein optimales Management des komplexen Krankheitsbildes gibt es bei den Standardtherapien oft noch die Möglichkeit zur Optimierung, wie Experten beim 24. Leipziger Gastroenterologischen Seminar der Falk Foundation e.V. erläuterten.

Bessere Prognose bei CED

Patienten mit CED haben nach Ansicht von Prof. Dr. Jürgen Schölmerich, Hofheim, heute eine deutlich bessere Prognose, als es von vielen wahrgenommen wird. Gleichzeitig weist er auf den deutlichen Optimierungsbedarf hin, der bei den Standardtherapien noch vorhanden ist. Beispielweise wird bei einem Großteil der Patienten mit Colitis ulcerosa das Potenzial einer Behandlung mit Mesalazin (z. B. Salofalk®) nicht vollständig ausgenutzt. Denn die überwiegende Zahl der Patienten erhält nur eine orale Mesalazin-Therapie, obwohl eine kombinierte orale und rektale Behandlung angezeigt wäre.

Laut Schölmerich können Patienten mit Morbus Crohn ebenfalls von einer Mesalazin-Therapie profitieren. Eine populationsbasierte Studie aus Dänemark dokumentiert gute Ansprechraten und den Langzeiterfolg bei Morbus-Crohn-Patienten. Nach einem Jahr waren 36 % der Patienten unter der Mesalazin-Therapie weiterhin in Remission.

Verbesserungsbedarf sieht er auch beim Einsatz von Steroiden. Viel zu häufig würden diese über einen zu langen Zeitraum verabreicht. Ein wichtiges Ziel der CED-Therapie sei die Induktion und die Erhaltung der klinischen Remission ohne die Langzeitgabe von Steroiden.

Immunsuppression nicht mehr allein im Focus

Das Repertoire der bewährten Therapien besteht neben Mesalazin oder Steroiden wie Budesonid (z. B. Budenofalk®) auch aus Immunsuppressiva wie Azathioprin (z. B. Azafalk®) oder Methotrexat. Zu den Klassikern in der CED-Therapie sind inzwischen auch biologische Immunsuppressiva avanciert: Die TNF-α-Inhibitoren kommen bereits seit rund 20 Jahren bei mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zum Einsatz. "Die Therapieziele gehen heute über die reine Behandlung von Symptomen hinaus. Das Paradigma der Immunsuppression steht jedoch vor der Ablösung", erklärte Schölmerich. Er verwies auf zahlreiche Beispiele, bei denen neue Therapieansätze mit unterschiedlichen Biologika untersucht wurden. Die Mehrzahl der am immunsuppressiven Paradigma orientierten Ansätze ist mangels Erfolg gescheitert. Stattdessen sind für die Erklärung der Ätiopathogenese der CED die Funktion der Darmbarriere und das Mikrobiom von wachsender Bedeutung.

Genetik ermöglicht Suche nach neuen Targets

Zwar ist eine Heilung der CED bis heute kaum in Aussicht, aber die Behandlungsansätze verlagern sich mehr und mehr von der Symptomlinderung hin zu einer kausalen Therapie. Prof. Dr. Jochen Hampe, Dresden, erläuterte, wie sich durch die Erkenntnisse aus der molekularen Medizin das Krankheitsverständnis für die CED verändert hat. Nachdem im Jahr 2001 mit NOD2 das erste Risikogen für Morbus Crohn identifiziert werden konnte, sind bis heute dank großer Kohorten und neuer, preiswerter Genotypisierungsverfahren über 200 mit CED assoziierte Genorte bekannt. Damit zählen die CED auf molekularer Ebene zur Gruppe der komplexen genetischen Erkrankungen. Dennoch lassen sich die Gendefekte großen biologischen Mechanismen wie der Barrierestörung in der Interaktion mit intestinaler Mikrobiota, der Autophagie und der T-Zellimmunität zuordnen.

Damit kommen völlig neue Targets ins Visier der Forscher. Aktuell befinden sich vielversprechende Wirkstoffe in der klinischen Prüfung, z. B. die Integrin-Antagonisten, die Janus-Kinase-Inhibitoren oder die p40-Antikörper, die auf die Zytokine IL-12 und IL-23 abzielen. Für Hampe rücken damit genetische Ätiologie, funktionelle Immunologie und neue Therapieprinzipien enger zusammen.

Veranstaltungs-Tipp

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Wann? am 20. Mai 2017
Wo? in München

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Autorin:
Lisa Kempe

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (7) Seite 53