Die Übergabe der eigenen Praxis sollte unbedingt rechtzeitig geplant werden. Wie steht es um die Kreditwürdigkeit und verlangt die Hausbank ein Nachfolgekonzept? Nicht selten wird die Praxisübergabe sowohl zeitlich als auch bzgl. der umfangreichen Regelungen unterschätzt.

Beinahe hätte Martin S., ein Arzt aus Süddeutschland, die Information übersehen: Auf seinem aktuellen Kontoauszug wurde ihm mitgeteilt, dass der Zinssatz des Überziehungskredites auf seinem Geschäftskonto "mit sofortiger Wirkung" von bisher 9 % auf nun 12 % erhöht wird. S. konnte sich nicht erinnern, jemals eine derartige Erhöhung während der langjährigen Zusammenarbeit mit seiner Hausbank erlebt zu haben. Nach Rücksprache mit dem für ihn zuständigen Kundenberater erhielt er die Information, dass diese Erhöhung "wegen des fehlenden Konzeptes zu seiner in rund einem Jahr geplanten Praxisübergabe an seinen Sohn erfolgte". Der Bankmitarbeiter zitierte aus einem Aktenvermerk, den er nach dem letzten Gespräch mit S. angefertigt hatte. Darin heißt es, dass S. davon in Kenntnis gesetzt wurde, "dass die Bank als Kreditgeber kurzfristig ein entsprechendes Übergabekonzept erwartet, um die spätere Rechtsnachfolge vor allem vor dem Hintergrund der Gesamtverbindlichkeiten der Praxis geklärt zu sehen".

Wichtige Fragen zur Praxisübergabe
  • Gibt es bei Ihnen bzw. bei Ihrer Familie eine konkrete Lebensplanung bezüglich Ihres Rückzuges aus der Praxis?
  • Beabsichtigen Sie, die Praxis an ein Mitglied der Familie oder an eine außenstehende Person zu übergeben bzw. sie gegebenenfalls zu verkaufen?
  • Gibt es diesbezügliche steuerliche oder erbschaftsrechtliche Überlegungen?
  • Wissen Sie, wie Sie Ihre spätere Altersabsicherung über die Versorgungskasse hinaus finanziell darstellen wollen?
  • Kennt Ihre Hausbank Ihre Übergabeplanungen und ist sie bereit, Sie dabei zu begleiten und auch nach dem Übergang als Kreditgeber noch zur Verfügung zu stehen?

Teure Investition

Diese Gesamtverbindlichkeiten von rund 250.000 Euro sind auf eine kürzlich erfolgte Praxiserweiterung zurückzuführen, die neben dem Kauf des bisher gemieteten Gebäudes zusätzliche Investitionen für die Praxisausstattung erforderte. Die Bank, das bestreitet S. übrigens auch nicht, hat die damit verbundene, erhebliche Erhöhung des Kreditumfanges unter anderem von einem schlüssigen Nachfolgekonzept abhängig gemacht. Dies ist auch Teil des Darlehensvertrages, den S. natürlich längst unterschrieben hat. Offensichtlich wurde dieser wichtige Punkt von S. bisher nicht mit der eigentlich gebotenen Aufmerksamkeit realisiert, sonst hätte er sich wahrscheinlich längst mit Unterstützung seines Steuerberaters um das erwartete Nachfolgekonzept bemüht. Dies gilt umso mehr, da der Sohn von S. bei einem Kollegen in einer Nachbarstadt tätig ist und daher für die Nachfolge seines Vaters eigentlich bestens vorbereitet ist. Offenbar fühlen sich Vater und Sohn in ihren jetzigen Positionen wohl, so dass dies wohl auch der wesentliche Grund dafür ist, dass sie die Nachfolgefrage trotz des bestehenden Planungszeitraumes auf die "lange Bank" geschoben haben. Hierdurch sind sie den mit dem Kreditinstitut getroffenen Vereinbarungen nach einem konkreten Konzept bisher nicht nachgekommen. An dem Konzept ist die Bank natürlich vor allem deshalb interessiert, weil sie rechtzeitig wissen möchte, wer später die Zins- und Tilgungsraten leisten wird.

Vernachlässigte Planungen

Mit dieser "konzeptionellen Zurückhaltung" befinden sich Vater und Sohn S. nach den Erfahrungen des Autors in sprichwörtlich "bester Gesellschaft". Es gibt kaum ein strategisch derart wichtiges Thema wie das der späteren Praxisübergabe, dem oftmals eine so geringe Bedeutung seitens des jeweiligen Arztes beigemessen wird. Dabei kann bei einer späteren Nachfolge die rechtzeitige Aufteilung der zukünftigen Erbmasse bereits zu Lebzeiten (etwa in Form von Schenkungen an weitere Erben) dazu beitragen, den späteren Praxisübergang reibungslos zu vollziehen. Bei vermieteten Immobilien kann dies darüber hinaus mit einem Nießbrauch verbunden werden, der dem bisherigen Praxisinhaber auch zukünftig die jeweiligen Mieteinnahmen garantiert.

Extratipp: Vertrag zugunsten eines Dritten
Auch daran sollte gedacht werden: Um einen möglichst komplikationslosen und sofortigen Übergang nach dem Ableben des jetzigen Praxisinhabers auch finanziell darzustellen und der Praxis damit die notwendige Liquidität zu sichern, sollten Ärzte über einen sogenannten "Vertrag zugunsten eines Dritten" nachdenken. Dieser Vertrag kann zwischen jetzigem und zukünftigem Praxisinhaber sowie der kontoführenden Bank vereinbart werden. Er sieht vor, dass die im Vertrag genannten Konten unmittelbar nach dem Ableben des bisherigen Praxisinhabers auf den Begünstigten als sogenannten "Dritten" umgeschrieben werden. Zeit- und kostenaufwendige Erbauseinandersetzungen können so vermieden werden. Wichtig: Auch eine solche Variante sollte natürlich grundsätzlich Teil eines Gesamtnachfolgekonzeptes sein.

Von ebenso großer Bedeutung ist eine rechtzeitige Nachfolgeplanung sowohl im Hinblick auf die Patienten als auch auf die Mitarbeiterinnen der Praxis. Es spricht in der Tat auch für die menschlichen Qualitäten des Arztes, Patienten und Mitarbeiterinnen rechtzeitig zu ermöglichen, sich an den Gedanken einer neuen Praxisleitung zu gewöhnen. Hier wäre es in der Regel hilfreich, wenn bisheriger und zukünftiger Inhaber die Praxis einige Wochen gemeinsam leiteten und so einen möglichst reibungslosen Übergang ermöglichten.

Zurück zu S.: Um weitere Irritationen zu vermeiden, wäre dieser gut beraten, sich umgehend mit seinem Steuerberater zusammenzusetzen und ein tragfähiges Konzept zur Praxisübergabe zu entwickeln. Dabei ist es absolut unvermeidlich, zunächst zumindest seinen Sohn von Anfang an in die Gespräche einzubinden. Gegebenenfalls ist auch ein Fachanwalt hinzuzuziehen, der vor allem die zu erwartenden steuerlichen Gesichtspunkte bewertet und in das Gesamtkonzept integriert.



Autor:
Michael Vetter

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (20) Seite 98-100