Keine Wundauflage sollte von Behandlungsbeginn bis zur vollständigen Wundheilung eingesetzt werden. Die Wundheilung verläuft in unterschiedlichen Phasen und jede hat andere Ansprüche an die Auflage. Dementsprechend viele Produkte sind auf dem Markt.

Am Anfang steht immer die Entstehung der Wunde. Sofort danach verengen sich die Gefäße, das körpereigene Gerinnungssystem wird aktiviert und ein weiterer Blutverlust vermieden. Makrophagen dringen ein und Zelltrümmer sowie Bakterien werden ausgeschwemmt. Dieser Prozess reinigt die Wunde und löst die Wundheilung aus.

Reinigungs- oder Exsudationsphase

Die austretende Flüssigkeit mit Zelltrümmern und Bakterien nennt man Exsudat. Diese Phase ist bei normalem Heilungsverlauf nach drei Tagen abgeschlossen. Das heißt: Die Wunde hört auf zu nässen.

Dies gilt allerdings nicht für chronische keimbesiedelte Wunden, bei denen nässendes Gewebe als Dauerzustand erkennbar ist. Dabei findet ein Nebeneinander von rekonstruktiven und destruktiven Prozessen statt, ohne zielgerichtete Heilung. Die Ableitung des Exsudats steht hier im Vordergrund (Abb. 1).

Granulations- oder Proliferationsphase

In dieser Phase wird Granulationsgewebe aufgebaut und der Substanzverlust ausgeglichen. Zellen siedeln sich neu an. Durch Kollagen wird das neu entstehende Granulationsgewebe gefestigt. Es bilden sich neue Kapillaren, die sich immer mehr verzweigen, bis sie in ein Blutgefäß münden. Notwendig ist dies, weil die Wunde noch sehr empfindlich auf äußere Einwirkungen reagiert. Die Exsudatmenge nimmt ab. Ohne Wundabdeckung würde die Wunde austrocknen, was wiederum die oberen freiliegenden Zellen absterben und die Granulation zum Stillstand kommen ließe. Die Wunde ist in dieser Phase mit entsprechenden Wundauflagen zu schützen und feucht zu halten.

Regenerations- oder Epithelisierungsphase

Faserreiches Narbengewebe wird in dieser Phase ausgebildet. Das Granulationsgewebe verliert Wasser, Gefäße bilden sich zurück. Aus der gesunden Umgebungshaut einwandernde Epithelzellen wachsen vom Wundrand her ein. Sie nutzen die feuchte Oberfläche des Granulationsgewebes. Eine Epithelisierung findet nur statt, wenn das Granulationsgewebe auf Hautniveau ist. Die Zellschicht verdickt sich durch Mitose und führt zum vollständigen Wundverschluss. In dieser Phase der Wundheilung darf die Wunde nicht zu feucht behandelt werden, sonst weicht das frische Epithel auf und die Grenzen zwischen Granulation und Epithel gehen verloren.

Wundauflagen

Bei Wundauflagen wird man im Alltag immer wieder mit Produkten konfrontiert, die man nicht kennt. Man fragt sich: Was kann das Produkt? Wozu setze ich es ein? Keiner kann den Überblick über alle Wundauflagen behalten – zumal ständig neue auf den Markt kommen. Ein hilfreiches Standardwerk für chronische Wunden ist das Buch "Wundauflagen für die Kitteltasche" von Anette Vasel-Biergans, das über 1.000 Seiten hat und in 3. erweiterter Auflage erschienen ist. Tabelle 1 zeigt die verschiedenen Klassen der Wundauflagen.

Konventionelle Auflagen umfassen das einfache Pflaster, die Mullkompresse und die Fettgaze. Sie sind in der Regel für die chirurgisch versorgte, frische, posttraumatische oder postoperative Wunde ausreichend. Hydroaktive Wundauflagen modulieren die Feuchtigkeit in der Wunde, indem sie diese an der Wundoberfläche binden und überschüssige Flüssigkeit von der Wundoberfläche fernhalten. Diese Auflagen haben ihr Einsatzgebiet bei chronischen Wunden, die lange Zeit bestehen. Interaktive Wundauflagen enthalten zusätzliche Inhaltsstoffe, mit denen die Wundheilung aktiv beeinflusst werden soll. Ihre Indikation ist jedoch umstritten. Sie können als Reserveauflagen für chronische Wunden eingesetzt werden, falls die Wundheilung trotz aller Bemühungen stagniert.

Antibakterielle Wundauflagen können die Keimzahl in einer Wunde beschränken oder sogar reduzieren. Ihr zeitlich begrenzter Einsatz (zehn bis 14 Tage) kann bei chronischen Wunden in der Exsudationsphase sinnvoll sein, um eine Infektion zu verhindern oder um die Keimzahl zu reduzieren und so die Exsudationsphase zu überwinden. Bei gut granulierenden oder epithelisierenden Wunden haben sie keine Indikation. Geruchsbindende Wundauflagen spielen in der Palliativmedizin bei ulzerierenden Tumoren eine wichtige Rolle.

Auch ein Arzt, der sich nicht täglich mit chronischen Wunden beschäftigt, sollte neben den nichthaftenden sterilen Gaze- oder Gittertüll-Verbänden, die mit Fetten oder Silikon beschichtet sind, zumindest ein paar wenige Wundauflagen kennen und sich mit deren Anwendung vertraut machen:

Hydrogele

Hydrogele bestehen aus einem Gel wasserunlöslicher Polymere, die bis zu 95 % Wasser enthalten. Sie wirken vor allem befeuchtend und gut bei trockenen oder schmierig-belegten Wunden, die nicht stark sezernieren. Das Gel weicht die Beläge auf, so dass diese mit einer Kompresse abgewischt oder einer Pinzette abgetragen werden können (Abb. 2). Gleichzeitig wird die Wunde feucht gehalten. Man sollte sie jeden Tag neu auftragen und sie später mit den Belägen von der Wunde entfernen.

Alginate

Alginate werden aus Kalium- und Natriumsalzen der Braunalge gewonnen. Es handelt sich um ein Polysaccharid (Gemisch von zwei Zuckersäuren: Guluron- und Mannuronsäure). Sie binden das Exsudat und bilden so ein hydrophiles Gel, das sich der Wundoberfläche anschmiegt. Sie sollen also nur in die Wunden und nicht über den Wundrand ragen und sind bei Wunden mit Exsudatbildung am Übergang von der Reinigungs- in die Granulationsphase indiziert. Sie verbleiben in dieser Phase für zwei bis drei Tage in der Wunde, um ihre Wirkung entfalten zu können.

Hydrofaser

Die Hydrofaser besteht aus Natriumcarboxymethylzellulose. Zelltrümmer und Exsudat werden zwischen den Fasern aufgesogen. Dabei wird das Exsudat nur in vertikaler Richtung aufgenommen und abgeleitet. Die Wundauflage quillt daher in die Höhe und nicht in die Breite. Die Hydrofaser dient dem Flüssigkeitstransport aus der Wunde. Die Umgebung bleibt trocken und wird vor einer Mazeration geschützt. Die Hydrofasern tragen auch zur Wundreinigung bei und fördern zudem die Granulationsbildung. Sie können zwei bis drei Tage belassen werden.

Schaumstoffverbände

Schaumstoffverbände bestehen entweder aus Polyurethan oder Silikonschaum. Je nach Herstellung (große oder kleine Poren) können sie unterschiedlich viel Exsudat aufnehmen. Sie sind die typischen Wundauflagen in der Granulationsphase ohne viel Exsudat (Abb. 3). Sie sollen es binden und dabei gleichzeitig in der Wunde halten, damit diese im feuchten Milieu granulieren kann. Bei gut granulierenden Wunden ohne Infektzeichen können sie bewusst mehrere Tage (fünf bis sieben) belassen werden.

Antimikrobielle Verbände

Antimikrobielle Verbände enthalten antimikrobiell aktive Substanzen wie Silber (häufig) oder Jodverbindungen (seltener) auf unterschiedlichen Trägermaterialien. Sie sollten nur angewandt werden, wenn ein Infekt droht (bei einem floriden Infekt sind sie kein Ersatz für ein Antibiotikum) oder man klinische Hinweise für eine vermehrte Keimbesiedlung der Wunde hat (Geruchsbildung, verfärbtes Exsudat). Sie sollten nur gezielt kurzfristig eingesetzt werden. Es gibt keinen Grund für eine dauerhafte Anwendung dieser Verbände.

Superabsorber

Superabsorbent Polymers (SAP) werden Kunststoffe genannt, die in der Lage sind, ein Vielfaches ihres Eigengewichts an polaren Flüssigkeiten aufzusaugen. Bei der Aufnahme der Flüssigkeit quillt der Superabsorber auf und bildet ein Gel. Die Summe aus dem Volumen der Flüssigkeit und dem Volumen des trockenen Superabsorbers bleibt dabei gleich. Er ist immer dann indiziert, wenn es gilt, große Exsudatmengen zu binden. Man kann ihn insbesondere in der Exsudationsphase sinnvoll einsetzen und über einer Gaze oder einer Hydrofaser verwenden.


Literatur:
1. VerordnungsInfo der Pharmakotherapieberatung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Behandlung chronischer Wunden. Juni 2015
2. Vasel-Biergans, Anette Wundauflagen für die Kitteltasche, 3., bearbeitete und erweiterte Auflage 2010. ISBN 978-3-8047-2584-3
3. Riepe Gunnar, Bültemann Anke. Die WundUhr®. http://www.wunduhr.de/


Autor:

Prof. Dr. med. Knut Kröger

Helios Klinikum Krefeld GmbH
Klinik für Gefäßmedizin – Angiologie
47805 Krefeld

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (20) Seite 59-62