Durch den frühzeitigeren Beginn der HIV-Therapie werden die Patienten immer älter, die klassischen HIV-assoziierten Krankheitsbilder sind seltener geworden, in den Vordergrund treten Krankheitsbilder, die man auch bei älteren HIV-negativen Patienten findet, wie Hauttumoren. Diese scheinen bei HIV-Infizierten häufiger aufzutreten und äußern sich manchmal atypisch.

Kasuistik
50-jähriger Patient mit HIV-Erstdiagnose 6/2001. Damals CD4: 469/µl, Viruslast: 1650.00 c/ml. 2014 Beginn einer HAART (Single Tablet Regime (STR): CD4: 490/µl, Viruslast: <40c/ml). 2011 bereits Exzisionen multipler aktinischer Keratosen und Basaliome. 2016: Vorstellung mit erneuten Hautveränderungen. Die histologische Untersuchung ergab Basaliome (US re. und LWS – Abb. 1, Abb. 2 [5]), M. Bowen (Sternum) und Spinaliome (Sternum und Rücken intrascapulär – Abb. 1, Abb. 3 [6]). Therapie: Exzision mit Randschnittkontrolle.

In den letzten 30 Jahren hat es große Fortschritte bei der Behandlung der HIV-Infektion gegeben. Nebenwirkungen treten unter der "hochaktiven antiretroviralen Therapie" (HAART) nur noch selten auf. Inzwischen stehen vier Ein-Tabletten-Regime (STR) zur Verfügung. In den neuen Leitlinien der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) wird eine virustatische Therapie für alle Patienten empfohlen. Die CD4-Zellzahl ist damit nicht mehr der wichtigste Parameter für den Therapiebeginn. Eine Heilung ist allerdings noch nicht in Sicht, auch bei einer sehr frühen Therapie kommt es zu einer chronischen Infektion.

Durch den frühen Therapiebeginn werden HIV-assoziierte Erkrankungen seltener. Während vor 30 Jahren Komplikationen durch den Immundefekt im Vordergrund standen (z. B. opportunistische Infektionen), sind heute Erkrankungen häufiger, die im fortgeschrittenen Lebensalter auftreten, da sich die Lebenserwartung der behandelten HIV-Patienten der der HIV-negativen Patienten annähert. Auch die HIV-assoziierten Tumoren sind seltener geworden. Das Kaposi-Sarkom ist nicht mehr die Marker-Erkrankung (AIDS-definierende Neoplasien – ADC) für AIDS. Die kumulative Inzidenz bei 75 Jahren liegt bei 4,4 % (0,01 % bei HIV-negativen Patienten). HPV-assoziierte Neoplasien (v. a. Analkarzinom) sind weiterhin häufig.

Nicht-melanozytäre Neoplasien

Zu den Hauttumoren zählen Basaliom, Spinaliom und Melanom. Ein Faktor für das Entstehen dieser Tumoren ist der chronische Einfluss ultravioletter Strahlung: das sogenannte Photoaging. Streng genommen handelt es sich um keine Alterung, sondern um einen chronischen Lichtschaden. Das Risiko für die Entstehung aktinischer Keratosen, von Basaliomen und Spinaliomen steigt mit dem Alter an. Das maligne Melanom kann in jedem Lebensalter auftreten und ist je nach Subtyp unterschiedlich sonnenabhängig.

Das Basaliom ist ein semi-maligner Tumor der follikulären Stammzelle und einer der häufigsten Hauttumoren überhaupt. Er tritt vorwiegend im Alter an den Haarfollikel-tragenden Körperregionen auf. Der Kopfbereich ist zu 90 % betroffen. Er besitzt eine ausgeprägte Fähigkeit zum lokalen Wachstum, metastasiert aber nur selten. Er tritt bei hellhäutigen Menschen ca. zehnfach häufiger auf. Das Auftreten vor dem 40. Lebensjahr ist selten. Charakteristisch ist ein halbkugeliges glattes prall-elastisches Knötchen, im Verlauf häufig mit zentraler Atrophie.

Das Durchschnittsalter beim Spinaliom ist 70 Jahre. Der wichtigste ätiologische Faktor ist die kumulative UV-Belastung. Prädilektionsstellen sind daher Gesicht und Handrücken. Invasive Spinaliome entstehen häufig aus In-situ-Karzinomen (aktinische Keratosen). Es sind hautfarbene bis rötliche Knötchen, die langsam anwachsen und schließlich geschwürig zerfallen.

Bei gesicherter Diagnose eines Basalioms oder Spinalioms (Histologie) ist die Exzision mit Schnittrandkontrolle Therapie erster Wahl. Ist dies nicht möglich können weitere Therapien wie Strahlentherapie, Kryotherapie oder Immuntherapie (Imiquimod) angewandt werden. Bei fortgeschrittenen oder inoperablen Basaliomen können Hedgehog-Inhibitoren eingesetzt werden. Vismodegib ist inzwischen dafür zugelassen. Bei fortgeschrittenen Spinaliomen kommt Cetuximab (EGFR-Inhibitor) mit und ohne Radiotherapie zum Einsatz.

Melanome

Das Melanom ist der Hauttumor mit der höchsten Mutationsrate und für 90 % der Sterbefälle aller Hauttumoren verantwortlich. Das maligne Melanom kann auf dem Boden eines Naevus oder neu entstehen. Wichtigster exogener Risikofaktor ist das UV-Licht, das bei den jeweiligen Melanom-Subtypen unterschiedlich stark für das Entstehen verantwortlich ist. Im Tumor können häufig charakteristische Mutationen im BRAF- oder KIT-Gen nachgewiesen werden. Klinisch kann das Melanom mit der ABCD-Regel (Asymmetrie/Begrenzung/Farbe und Durchmesser) vom Naevuszellnaevus unterschieden werden, hilfreich ist dabei auch das Dermatoskop. Bei der Exzision der Melanome wird ein Sicherheitsabstand empfohlen.

HIV und Hauttumoren

Ein Zusammenhang mit dem Auftreten von Spinaliomen und Basaliomen bei Immunsuppression, insbesondere nach Organtransplantation, ist bekannt. Dabei treten nicht-melanozytäre Hauttumoren (NMSC) ca. 65- bis 250-fach häufiger mit Überwiegen der Spinaliome auf. Bei HIV-Infektion ist diese Häufung weniger ausgeprägt. Bisherige Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Insgesamt treten Basaliome und Spinaliome bei HIV-Infektion mit einer Ratio von 4:1 auf.

Die Auswertung von 6.973 Patienten der Multicenter AIDS Cohort Study (MACS) mit Hauttumoren ergab bei 55 Patienten Spinaliome, 39 bei HIV-Infektion und 16 ohne HIV-Infektion [1]. Eine Auswertung der Kaiser Permanente Northern California Datenbank (6.560 HIV-Patienten und 36.821 Patienten ohne HIV) ergab doppelt so häufig Basaliome bei HIV-Patienten (386 Basaliome). Dabei waren bei den HIV-positiven Patienten seltener UV-abhängige Bereiche (Gesicht) betroffen als bei den HIV-negativen Patienten (Abb. 1 – 3). Es gab einen statistischen Zusammenhang mit Spinaliomen, aber nicht mit dem Auftreten von Basaliomen und CD4-Zahlen [2]. Bei erniedrigten CD4-Zellzahlen wurden aggressive Verläufe der Spinaliome beobachtet. Wenn eine HAART durchgeführt wurde, sank das Risiko für NMSC von 2,1 auf 1,9, lag jedoch noch über der HIV-negativen Kontrollgruppe.

Auch Melanome kommen gehäuft bei der HIV-Infektion vor, durch die Immunsuppression kann der Verlauf des malignen Melanoms beschleunigt werden. Eine Metaanalyse untersuchte den Zusammenhang zwischen Melanomen und HIV-Patienten vor und nach HAART: Das kumulative Risiko für Melanome bei HIV war unabhängig von der Therapie und lag in beiden Zeiträumen bei ca. 1,3 [3]. Eine HAART kann durch die Immunrekonstruktion die Prognose der Melanome verbessern.

Systemische Tumortherapie und HIV

Die operative Entfernung der Hauttumoren ist Therapie der Wahl. Bei Melanomen in fortgeschrittenen Stadien werden systemische Therapien durchgeführt. Bei entsprechenden Mutationen im Melanom können zielgerichtete Therapien (z. B. Vemurafenib und Dabrafenib) erfolgen, daneben gibt es die Möglichkeit einer Immuntherapie. Ein zugelassener Ansatz sind CTLA-4-Antikörper (Ipilimumab), ein anderer PD-1-AK (Pembrolizumab, Nivolumab). Eine zusätzliche HIV-Infektion war in den Zulassungsstudien ein Ausschlusskriterium, da CTLA-4 und weniger PD-1/PD-L1 bei der Autoimmunregulation eine Rolle spielen. Inzwischen gibt es aber erste Berichte über die Therapie der Melanome bei HIV-Patienten mit Pembrolizumab [4] und Ipilimumab [5].


Literatur:
1. Hussain SK et al., Risk Factors for Squamous Cell Skin Cancer in HIV. Infect Agents Can 2012 (7): O26
2. Silverberg MJ et al., HIV Infection Status, Immunodeficiency and the Incidence of Non-Melanoma Skin Cancer. N Natl Cancer Inst 2013 (105): 350-360
3. Olsen CM et al., Risk of Melanoma in People with HIV/AIDS in the Pre- and Post-HAART Eras: A Systematic Review and Meta-Analysis of Cohort Studies. PLOS ONE 2014 (9): e95096
4. Davar D et al., PD-1 Blockade in Advanced Melanoma in Patients with Hepatitis C and/or HIV. Case Rep in Oncol Med 2015 737389
5. Heller KN und Hoos A, Response to Ipilimumab in a Patient with HIV with Metastatic Melanoma. J Clin Oncol 2011:



Autor:

Prof. Dr. med. Martin Hartmann

Universitäts-Hautklinik
69120 Heidelberg

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (19) Seite 42-46