Das Update der Leitlinie zur Herzinsuffizienz hat die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) im Mai vorgelegt. Für Allgemeinmediziner besonders relevant: der neue Diagnostik-Algorithmus, der erlaubt, anhand der natriuretischen Peptide eine Herzinsuffizienz sicher auszuschließen, sowie die Einführung einer neuen Substanzklasse in die therapeutische Palette.

Das Lebenszeitrisiko, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken, beträgt bei 55-jährigen Männern 33 %, bei gleichaltrigen Frauen 28 %. Sieben Prozent der stabilen, ambulant behandelten Patienten mit Herzinsuffizienz versterben innerhalb eines Jahres an plötzlichem Herztod oder an einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Diese lebensbedrohliche Erkrankung wird heute vielfach medikamentös behandelt – mit ACE-Hemmern/Angiotensin-Rezeptor-Blockern, Mineralokortikoidrezeptorantagonisten, Diuretika und Betablockern sowie Device-Therapien (kardiale Resynchronisationstherapie, Kunstherz). In besonders schweren Fällen ist eine Herztransplantation erforderlich.

Die neue, vor wenigen Monaten vorgelegte Leitlinie zur Behandlung der Herzinsuffizienz wurde letztmals vor vier Jahren von der ESC aktualisiert [6]. Als wichtigste Neuerung für Allgemeinmediziner und nicht-kardiologisch tätige Ärzte ist sie nun um einen Algorithmus für die Diagnostik der chronischen Herzinsuffizienz ergänzt worden (Abb. 1).
Dieser Algorithmus definiert klar, wann eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen werden kann und wann sich eine weiterführende Diagnostik anschließen sollte. So kann anhand klinischer Untersuchungen, EKGs und laborchemischer Bestimmung von natriuretischen Peptiden eine Herzinsuffizienz nahezu ausgeschlossen werden.

Neues Medikament: der Neprilysininhibitor

In die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz wurde – aufgrund der Ergebnisse der PARADIGM-HF-Studie bei Überlegenheit der Therapie mit Sacubitril/ Valsartan im Vergleich zu Enalapril und einer Mortalitätsreduktion von circa 20 % – eine neue Wirkstoffkombination [4] in die Leitlinie aufgenommen: der Neprilysininhibitor. Allerdings gilt die Empfehlung für die Gabe dieser Wirkstoffklasse nicht ausnahmslos für alle Patienten mit Herzinsuffizienz, sondern nur für diejenigen, die dem Studienkollektiv der PARADIGM-HF-Studie entsprechen.

Hierzu zählen Patienten mit erhöhtem Plasmaspiegel der natriuretischen Peptide (BNP ≥ 150 pg/ml bzw. NT-pro-BNP ≥ 600 pg/ml oder bei Hospitalisierung innerhalb der letzten zwölf Monate bzgl. der Herzinsuffizienz BNP ≥ 100 pg/ml bzw. NT-pro-BNP ≥ 400 pg/ml), bei denen – falls nicht kontraindiziert – bereits eine Herzinsuffizienz-Medikation mit ACE-Hemmer bzw. Angiotensin-Rezeptor-Antagonist, Betablocker und Mineralokortikoidrezeptorantagonist erfolgt ist. Darüber hinaus müssen diese Herzpatienten die ACE-Hemmer bzw. Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten auch vertragen (zum schematischen Vorgehen vgl. Abb. 2).

Neue Kategorie der Herzinsuffizienz (HFmrEF)

In subtilen Analysen von Studien zur diastolischen Herzinsuffizienz zeigte sich, dass Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF) zwischen 40 und 49 % bzw. mit einer EF ≥ 50 % teilweise ein unterschiedliches Outcome haben. Die Herzinsuffizienz wird deshalb jetzt neu kategorisiert in drei Typen: Herzinsuffizienz mit eingeschränkter systolischer LV-Funktion (EF < 40 %; heart failure with reduced ejection fraction, HFrEF), Herzinsuffizienz mit mittelgradig eingeschränkter Ejektionsfraktion (EF 40 ‒ 49 %; heart failure with mid-range ejection fraction, HFmrEF) und Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Funktion (EF ≥ 50 %; heart failure with preserved ejection fraction, HFpEF). Konkrete Therapieempfehlungen gibt es für Patienten mit HFmrEF allerdings noch nicht.

Indikationen für CRT-Devices

Im Vergleich zur alten Leitlinie von 2012 sind nun CRT-Implantationen bei einer QRS-Dauer zwischen 120 und 130 ms kontraindiziert, nachdem die EchoCRT-Studie eine erhöhte Mortalität bei CRT-Implantationen und einer QRS-Dauer < 130 ms zeigte [7]. So besteht nach der aktuellen Leitlinie jetzt eine klare Indikation zur CRT-Implantation bei einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤ 35 %, Sinusrhythmus, einem kompletten Linksschenkelblock mit einer QRS-Dauer ≥ 130 ms unter optimaler medikamentöser Therapie oder bei Patienten mit einer Ejektionsfraktion ≤ 35 % und (vor Schrittmacherimplantation erwartetem) hohem Anteil an rechtsventrikulärer Stimulation (z. B. bei höhergradigen AV-Blöcken). Bei Patienten mit gleichen Kriterien ohne kompletten Linksschenkelblock kann eine CRT-Implantation erwogen werden.

Zentrale Schlafapnoe und systolische Herzinsuffizienz

Entgegen den Erwartungen zeigte die SERVE-HF-Studie eine Mortalitätserhöhung bei Patienten, die eine Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) sowie eine zentrale Schlafapnoe unter Adaptiver Servo-Ventilation (ASV) haben [2]. Demnach ist diese Therapie nun kontraindiziert bei Patienten mit HFrEF und zentraler Schlafapnoe.

Empfehlungen zur Prävention

Auch im Bereich der Prävention gibt es jetzt Empfehlungen, mit denen die Entstehung einer Herzinsuffizienz verhindert oder zumindest verzögert werden kann. Diese umfassen vor allem die Therapie der arteriellen Hypertonie, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuell veröffentlichten SPRINT-Studie [8]. Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine Senkung des systolischen Blutdrucks unter 120 mmHg auch bei älteren Patienten (≥ 75 Jahre) und Hochrisiko-Patienten das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen, Tod und Herzinsuffizienz-Hospitalisierung verringert. Die Gabe von Statinen bei Patienten mit erhöhtem/hohem Risiko für eine koronare Herzerkrankung wird weiterhin empfohlen, da hier ebenfalls eine Verringerung der Inzidenz einer Herzinsuffizienz beobachtet wurde [1, 3]. Die Therapie mit Empagliflozin (SGLT2-Inhibitor) bei Patienten mit Typ-2-Diabetes wird betont – der derzeit einzige Wirkstoff, mit dem die Mortalität reduziert und das Auftreten einer Herzinsuffizienz nachweislich verringert werden kann [9].

Viele Studien haben Patienten mit mid-range Herzinsuffizienz (HFmrEF) in die Population von Patienten mit diastolischer Herzinsuffizienz (HFpEF) eingeschlossen, sodass derzeit nur Empfehlungen für beide Gruppen bestehen. Lebensqualität und Prognose basieren im Wesentlichen auf Komorbiditäten und weniger auf einer Exazerbation der Herzinsuffizienz. So empfiehlt die Leitlinie, den Fokus auf die Behandlung von Komorbiditäten zu setzen. Als einzig klare Empfehlung gilt weiterhin die Therapie mit Diuretika, mit denen sich die Symptome vermindern lassen. Eine nachgewiesene medikamentöse Therapie zur Reduktion der Mortalität besteht weiterhin nicht. Mineralokortikoidrezeptorantagonisten können allerdings die Hospitalisierungswahrscheinlichkeit senken [5].

Take Home Messages
  • Neuer Diagnostikpfad für den ambulanten Bereich (Klinik/EKG/natriuretische Peptide)
  • Neue Wirkstoffklasse Neprilysininhibitor in Ergänzung zur bisherigen Standardtherapie
  • CRT-Implantation erst ab QRS-Dauer von 130 ms sinnvoll
  • Kontraindikation einer ASV bei zentralem Schlafapnoesyndrom und LVEF ≤ 40 %
  • Empagliflozin zeigt Verbesserung des Outcomes bzgl. Herzinsuffizienz
  • Therapie der HFpEF und HFmrEF derzeit nur symptomatisch mittels Diuretika gesichert


Literatur
1. Afilalo J, Majdan AA, Eisenberg MJ (2007) Intensive statin therapy in acute coronary syndromes and stable coronary heart disease: a comparative meta-analysis of randomised controlled trials. Heart 93(8):914–921. doi:10.1136/hrt.2006.112508
2. Cowie MR, Woehrle H, Wegscheider K, Angermann C, d‘Ortho M, Erdmann E, Levy P, Simonds AK, Somers VK, Zannad F, Teschler H (2015) Adaptive Servo-Ventilation for Central Sleep Apnea in Systolic Heart Failure. N Engl J Med 373(12):1095–1105. doi:10.1056/NEJMoa1506459
3. Emberson JR, Ng LL, Armitage J, Bowman L, Parish S, Collins R (2007) N-terminal Pro-B-type natriuretic peptide, vascular disease risk, and cholesterol reduction among 20,536 patients in the MRC/BHF heart protection study. J Am Coll Cardiol 49(3):311–319. doi:10.1016/j.jacc.2006.08.052
4. McMurray, John J V, Packer M, Desai AS, Gong J, Lefkowitz MP, Rizkala AR, Rouleau JL, Shi VC, Solomon SD, Swedberg K, Zile MR (2014) Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med 371(11):993–1004. doi:10.1056/NEJMoa1409077
5. Pitt B, Pfeffer MA, Assmann SF, Boineau R, Anand IS, Claggett B, Clausell N, Desai AS, Diaz R, Fleg JL, Gordeev I, Harty B, Heitner JF, Kenwood CT, Lewis EF, O‘Meara E, Probstfield JL, Shaburishvili T, Shah SJ, Solomon SD, Sweitzer NK, Yang S, McKinlay SM (2014) Spironolactone for heart failure with preserved ejection fraction. N Engl J Med 370(15):1383–1392. doi:10.1056/NEJMoa1313731
6. Ponikowski P, Voors AA, Anker SD, Bueno H, Cleland, John G F, Coats, Andrew J S, Falk V, González-Juanatey JR, Harjola V, Jankowska EA, Jessup M, Linde C, Nihoyannopoulos P, Parissis JT, Pieske B, Riley JP, Rosano, Giuseppe M C, Ruilope LM, Ruschitzka F, Rutten FH, van der Meer, Peter (2016) 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC)Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J. doi:10.1093/eurheartj/ehw128
7. Ruschitzka F, Abraham WT, Singh JP, Bax JJ, Borer JS, Brugada J, Dickstein K, Ford I, Gorcsan J, Gras D, Krum H, Sogaard P, Holzmeister J (2013) Cardiac-resynchronization therapy in heart failure with a narrow QRS complex. N Engl J Med 369(15):1395–1405. doi:10.1056/NEJMoa1306687
8. Wright JT, JR, Williamson JD, Whelton PK, Snyder JK, Sink KM, Rocco MV, Reboussin DM, Rahman M, Oparil S, Lewis CE, Kimmel PL, Johnson KC, Goff DC, JR, Fine LJ, Cutler JA, Cushman WC, Cheung AK, Ambrosius WT (2015) A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. N Engl J Med 373(22):2103–2116. doi:10.1056/NEJMoa1511939
9. Zinman B, Wanner C, Lachin JM, Fitchett D, Bluhmki E, Hantel S, Mattheus M, Devins T, Johansen OE, Woerle HJ, Broedl UC, Inzucchi SE (2015) Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 373(22):2117–2128. doi:10.1056/NEJMoa1504720



Autor:

Florian Höpfner

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III
Universitätsklinikum Halle
06120 Halle

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (19) Seite 55-58