Woran muss man bei schmerzenden, geschwollenen Gelenken vorrangig denken? Außer einer rheumatischen Ursache, die möglichst früh erkannt werden sollte, kommen auch Infektionen oder eine Hyperurikämie als Auslöser infrage. Welche Symptome der Hausarzt konkret erfragen und welche Untersuchungen er veranlassen sollte und wie sich die Therapien der unterschiedlichen Krankheiten voneinander unterscheiden, soll im nachfolgenden Beitrag dargestellt werden.

Die Häufigkeit von Erkrankungen des Bewegungsapparates in der allgemeinärztlichen Praxis wird – je nach Quelle – mit 10 bis 15 % angegeben. Differenzialdiagnostisch ist es wichtig, Dauer und Qualität der Schmerzen sowie die Lokalisation und Anzahl der betroffenen Gelenke genau zu erfassen. Typisch für entzündlich-systemische Gelenkerkrankungen ist – neben den klassischen Entzündungszeichen – die Morgensteifigkeit, die bei den betroffenen Patienten deutlich länger als 60 Minuten andauern kann. Bei Spondyloarthritiden (M. Bechterew) tritt der frühmorgendliche tiefsitzende, sogenannte "entzündliche" Rückenschmerz auf, der sich bei Bewegung bessert. Hier kann orientierend der HLA-B-27-Wert abgenommen werden. An den Händen kann anhand des Befallsmusters schon eine Verdachtsdiagnose gestellt werden. Während bei der Fingerpolyarthrose vor allem die Fingermittel-, Fingerend- und die Daumensattelgelenke betroffen sind, liegt bei der rheumatoiden Arthritis häufig eine Beteiligung der Handgelenke, der Fingergrund- und Fingermittelgelenke vor. Bei der Psoriasisarthritis findet man oftmals den sogenannten "Strahlbefall", also eine Beteiligung des Fingergrund-, Fingermittel- und Fingerendgelenks eines Fingers, zudem eine Weichteilauftreibung des gesamten Fingers oder Zehs ("Wurstzeh/-finger") und nicht selten eine Nagelbeteiligung.

Bei der aktivierten Arthrose sind die Entzündungsparameter nicht erhöht. Radiologisch zeigen sich bei degenerativen Gelenkveränderungen – neben der Verschmälerung des Gelenkspalts – in der Regel osteophytäre Anbauten, während man bei entzündlichen Gelenkaffektionen Erosionen (oft jedoch nicht im Frühstadium) und bei der Psoriasisarthritis ein Nebeneinander von osteoproliferativen und -erosiven Veränderungen findet. Bei Verdacht auf eine Spondyloarthritis ist zur frühen Erfassung einer Sakroiliitis ein MRT des Beckens in der TIRM-Sequenz (alternativ mit Kontrastmittel) zu veranlassen.

Gichtarthritis

Mit einer Prävalenz von 1 bis 2 % der Erwachsenen in Industrieländern ist die Gichtarthropathie die häufigste Differenzialdiagnose einer entzündlichen Gelenkerkrankung [1]. Männer sind im Verhältnis von 4:1 bis 9:1 deutlich häufiger betroffen als Frauen. Vor allem bei der Erstmanifestation handelt es sich häufig um eine Podagra (Anfall am Großzehengrundgelenk). Im weiteren Verlauf können aber nahezu alle Gelenke betroffen sein, wobei besonders am Knie an die "Gicht" als Ursache einer fulminanten Arthritis zu denken ist. Die Patienten berichten über massive, akut auftretende Schmerzen, vor allem nachts und am Morgen. Laborchemisch zeigt sich eine Erhöhung der Entzündungswerte. Eine Hyperurikämie ist im Anfall nur in 60 % der Fälle nachweisbar. Diagnostisch entscheidend ist der mikroskopische Nachweis von intrazellulären Uratkristallen in der Gelenkflüssigkeit.

Der akute Gichtanfall wird mit NSAR, evtl. auch mit Prednisolon (nur in Ausnahmefällen heute noch mit Colchicin) behandelt [2]. Im Verlauf – nicht im Anfall – empfiehlt sich eine Normalisierung des Harnsäurespiegels durch Absetzen von Noxen wie eventuell auslösende Medikamente. Zudem sollte der Lebensstil inklusive der Ernährung ("purinkörperarm") angepasst werden und eine Rezeptierung von Uratsenkern erfolgen, um weitere Anfälle und eine dauerhafte Gelenkschädigung zu verhindern.

Rheumatoide Arthritis

Pro Jahr erkranken in Deutschland ca. 30.000 bis 45.000 Menschen neu an rheumatoider Arthritis. Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer. Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine meist symmetrisch auftretende Polyarthritis. Betroffen sind anfangs häufig die kleinen Gelenke wie Fingergrund- (MCP 2/3), Fingermittel- und Zehengrundgelenke (MTP 4/5), jedoch kann im Verlauf der Erkrankung jedes Gelenk (einschließlich der kleinen Wirbel- und Kiefergelenke etc.) befallen sein. Die Symptome persistieren in der Regel über mehrere Wochen. Typisch ist auch hier das Auftreten einer Morgensteifigkeit der Gelenke von mehr als 60 Minuten. Teilweise treten Allgemeinsymptome wie rasche Ermüdbarkeit, Leistungsschwäche, Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust, Fieberschübe, Hyperhidrosis an den Händen oder intermittierende Parästhesien in Händen und Füßen auf [3].

Die Erkrankung verläuft chronisch-progredient und führt unbehandelt zur Gelenkdestruktion und zu Deformitäten. Es besteht eine hohe kardiovaskuläre Komorbidität (30 %) und ein erhöhtes Infektrisiko (1,5- bis 15-fach). Die Mortalität kann durch eine suffiziente medikamentöse Einstellung weitgehend normalisiert werden. Extraartikuläre Manifestationen bestehen
z. B. in Rheumaknoten, im Sicca-Syndrom der Augen oder in Glomerulonephritiden. In der Labordiagnostik sind häufig ein erhöhtes CRP und eine Beschleunigung der Blutsenkung auffällig. Der Rheumafaktor entwickelt sich bei etwa 80 % der RA-Patienten im Verlauf, ist jedoch zur Frühdiagnose allein nicht geeignet. ACPA (Antikörper gegen citrullinierte zyklische Proteine) sind zu 95 % spezifisch für die RA und treten bei anderen Autoimmunerkrankungen nur selten auf. Bei hohen ACPA-Titern ist das Risiko für einen schweren, destruierenden Verlauf der Erkrankung erhöht [4].

Radiologisch zeigt sich das typische Bild einer entzündlichen Gelenkveränderung mit Gelenkspaltverschmälerung, periartikulärer Weichteilschwellung und im fortgeschrittenen Stadium durch Erosionen der Gelenkflächen bis zur völligen Destruktion. Seit 2010 gibt es neue ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für die rheumatoide Arthritis [5]. Da bereits aufgetretene strukturelle Gelenkveränderungen irreversibel sind, ist eine frühe und konsequente Therapieeinleitung mit antientzündlichen Medikamenten extrem bedeutsam. Die Medikation der ersten Wahl ist Methotrexat aus der Gruppe der klassischen DMARDs (disease modifying antirheumatic drugs). Alternativen bzw. Kombinationspartner bei ungenügender Wirksamkeit sind Leflunomid, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin. Zur Überbrückung bis zum Wirkeintritt des DMARDs (mehrere Wochen) werden zusätzlich Glukokortikoide und NSAR verabreicht. Bei Therapieresistenz oder schnell destruierendem Verlauf kommt es zum Einsatz der sogenannten Biologika. Hierzu zählen TNF-α-Inhibitoren, IL1- oder IL6-Rezeptor-Antagonisten [6].

Spondylarthritiden

Die Spondylarthritiden haben in Deutschland eine Prävalenz von 0,5 %. Hierzu gehören u. a. die Spondylitis ankylosans (M. Bechterew), die Psoriasisarthritis und Arthritiden bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Noch heute liegen zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnosestellung oftmals bis zu zehn Jahre. Gemeinsam haben diese Erkrankungen den Befall des Achsenskeletts u. a. mit Sakroiliitis oder Spondylarthritis zur Folge.

Man unterscheidet zwei Gruppen [7]:
  • Axiale Spondylarthritis mit vorwiegend axialen Symptomen wie entzündlichen Rückenschmerzen, Morgensteifigkeit.
  • Periphere Spondylarthritis mit vorwiegend peripheren Symptomen wie Arthritis, Enthesitis oder Daktylitis.

Charakteristisch für den entzündlichen Rückenschmerz ist der Beginn vor dem 40. Lebensjahr, eine Dauer der Symptome über mehr als drei Monate, Schmerzen vor allem in der
zweiten Nachthälfte, das Auftreten von Morgensteifigkeit und Fatigue und ein gutes Ansprechen auf NSAR. Wegweisend ist eine mittels Bildgebung (Röntgen, MRT) nachgewiesene Sakroiliitis. Die Entzündungsparameter im Labor sind meist erhöht, ein positives HLA-B 27 unterstützt die Wahrscheinlichkeit der Diagnose.

Die initiale medikamentöse Behandlung erfolgt bei vorwiegend axialer Spondyloarthritis mit NSAR und kann bei hoher Entzündungsaktivität durch TNF-Blocker intensiviert werden. Bei vorwiegend peripherer Arthritis kann eine Basistherapie mit Sulfasalazin, bei Psoriasisarthritis auch mit Methotrexat, versucht werden. Bei ungenügendem Ansprechen kommen auch hier Biologika zum Einsatz. Begleitend sollte immer eine physiotherapeutische Übungsbehandlung durchgeführt werden, um Funktionseinschränkungen so lange wie möglich hinauszuzögern [8].

Reaktive Arthritis

Reaktive Arthritiden treten ein bis sechs Wochen nach urologischen, gastrointestinalen oder broncho-pulmonalen Infekten auf. Die Inzidenz liegt bei 30 bis 40/100.000 im Jahr. Das Manifestationsalter liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, Männer und Frauen sind in der Regel gleich häufig betroffen. 70 bis 80 % zeigen eine Assoziation mit HLA-B 27. Die Arthritis tritt vor allem asymmetrisch an Gelenken der unteren Extremität auf, v. a. an Knie- und Sprunggelenken. Selten sind kleine Wirbelgelenke oder die Iliosakralgelenke betroffen. Meist sind nur wenige oder ein einziges Gelenk befallen. Gelegentlich kommt es zur Daktylitis. Extraartikuläre Manifestationen treten an Haut, Augen, Urogenitalsystem, Schleimhäuten und manchmal an inneren Organen auf. Entscheidend für die Diagnostik ist das typische klinische Bild. Im Labor erfolgt die Bestimmung von Entzündungsparametern, der Erregernachweis (Antikörper) und der HLA-B-27-Nachweis.

Reaktive Arthritiden werden konservativ mit NSAR, systemischer oder intraartikulärer Glukokortikoidgabe, Physiotherapie und lokalen physikalischen Maßnahmen therapiert. Bei seltenen chronischen Verläufen kommen auch Methotrexat und Sulfasalazin zum Einsatz. Eine Antibiotikatherapie dient zur Sanierung der Eintrittspforte, hat auf die reaktive Arthritis selbst aber keinen Einfluss [3].

Die septische Arthritis

Die septische Arthritis ist ein seltenes Krankheitsbild. Neben den rheumatischen Erkrankungen stellt sie bei unklarer Gelenkschwellung jedoch eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen dar. Unterschieden werden die primären/exogenen Infekte, verursacht durch Trauma, Punktion oder Operation, von den sekundären endogenen Infekten, die durch hämatogene Streuung gelenkferner Infektionsherde (Zahninfekt, Zystitis, Endokarditis, intravasale Katheter) verursacht werden.

Typisch für einen Gelenkinfekt sind massive Schmerzen, Schwellung, Rötung, starke Überwärmung und Bewegungseinschränkung des Gelenks. Des Weiteren kann es zum Auftreten von Fieber bis zur Sepsis kommen. In über 95 %
der Fälle sind große Gelenke betroffen und in der Regel nur ein Gelenk. Diagnostisch steht zunächst die Bestimmung der Entzündungsparameter, der Harnsäure und des Differenzialblutbilds an. Typisch sind ein deutlicher CRP-Anstieg sowie eine Leukozytose. Zur weiteren Klärung ist eine Gelenkpunktion unverzichtbar. Eine Zellzahl > 50.000 im Punktat gilt hierbei als quasi beweisend für einen Gelenkinfekt. Bei nachgewiesenem Infekt ist eine operative Therapie mit Spülung und einer adäquaten Antibiotikatherapie zwingend notwendig [9].


Literatur
1. Mikuls TR, Farrar JT, Bilker WB, Fernandes S, Schumacher HR, Saag KG. Gout epidemiology: results from the UK General Practice Research Database, 1990–1999. Annals of the Rheumatic Diseases 2005; 64: 267–272
2. Engel B, Prautzsch H, Egidi G, et al. Häufige Gichtanfälle und Chronische Gicht in der hausärztlichen Versorgung
3. Rehart S, Henniger M, Bernateck M et al. Rheumatische Gelenk- und Weichteilerkrankungen. In: Wirth C, Mutschler W, Kohn D, Pohlemann T. Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme-Verlag, 3. Auflage 2014.
4. Rehart S, Henniger M: Rheumatische Erkrankungen, Orthopädie + Unfallchirurgie up 2 date 2012; 7: 147-162
5. Aletaha D, Neogi T, Silman AJ et al. 2010 RheumatoidArthritis Classification Criteria. An American College of Rheumatology/European League Against Rheumatism Collaborative Initiative. Arthritis Rheum 2010; 62: 2569-2581
6. Schneider M, Lelgemann M, Abholz H et al. Interdisziplinäre Leitlinie - Management der frühen rheumatoiden Arthritis. Springer-Verlag, 3. Auflage 2011.
7. Poddubnyy D, Sieper J. Diagnostik und Klassifikation der Spondyloarthritiden 2012. Akt Rheumatol 2012; 37: 1-6
8. Braun J, Sieper J. Spondylitis ankylosans. Uni-med-Verlag, 2. Auflage 2008
9. Henniger M, Jahn-Mühl B, Rehart S. Septische Arthritiden – Wandel des Erregerspektrums und Rolle des orthopädischen Rheumatologen. Akt Rheumatol 2015; 40 (03): 202-208



Autor:

Prof. Dr. med. Stefan Rehart

Agaplesion Markus Krankenhaus
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
60431 Frankfurt/Main

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (14) Seite 16-20