Von außen betrachtet zeigt sich der Markt für Praxissoftware und die damit verbundenen Serviceleistungen wenig transparent. Insider Alexander Wilms erzählt die Geschichte von umtriebigen Herstellern, cleveren Servicepartnern und den Bewegungen des Marktes einmal ganz anders.

Neulich erhielt ich einen Anruf von einem Facharzt, der von seinem Berufsverband die undankbare Aufgabe erhalten hatte, eine Übersicht der existierenden Praxisverwaltungssysteme und deren Preise zu erstellen. Schwierig sei das, weil keiner Preisinformationen herausgeben wolle. Und übrigens – zum Ende des Monats habe sein Servicepartner plötzlich gewechselt, der bisherige sei einfach verschwunden. Ob ich wisse, was dahinterstecke? Ich sagte ihm, dass die Übersicht der Systeme auf der Webseite der KBV abzurufen sei. Alles andere sei Spekulation oder Märchen, so wie das folgende …

Hersteller und Servicepartner

Es war einmal ein Bär, der lebte im großen Wald. Er hatte sich durch Zucht und Erwerb eine ganze Reihe von Bienenstöcken angeeignet und lebte davon, die Bienenstöcke an die Hasen des Waldes zu vermieten. Die Hasen bevorzugten zwar eigentlich frisches Grün, fanden aber zunehmend Geschmack an dem süßen Honig. Und weil das Gesetz des Waldes ständig geändert wurde, um neue Honigsorten einzuführen, den Geschmack des Honigs zu verändern oder eine Helmpflicht für die Bienen zu erlassen, musste der Bär den Hasen ständig Updates für die Bienenstöcke oder sogar ganz neue Bienen liefern. Dafür verlangte er von den Hasen jeden Monat eine Korbgebühr. Das Geschäft blühte, erst recht, als das Gesetz des Waldes bestimmte, dass alle Tiere des Waldes zukünftig Honig konsumieren müssten.

Der Bär wurde der Nachfrage nach Bienenkörben und der vielen Anfragen seiner Kunden kaum noch Herr. Eines Tages traf er im Wald den Fuchs und klagte ihm sein Leid. "Ständig muss ich von einem Hasenbau zum anderen rennen, weil bei dem einen die Waben durcheinandergerutscht sind, bei dem anderen die Eingangspforte klemmt und dem Dritten die Bienen abgehauen sind. Ich kann mich gar nicht mehr auf die Pflege meiner Bienenvölker konzentrieren!" "Da weiß ich eine Lösung", meinte der Fuchs, und so trafen Bär und Fuchs eine Abmachung. Der Fuchs würde sich fortan mit seiner Sippe um die Probleme der Hasen vor Ort kümmern, der Bär dagegen die Bienenzucht weiterentwickeln. Die Füchse würden die Bienen vom Bären kaufen und, natürlich mit einem netten Profit, an die Hasen weiterverkaufen. Und damit kein Unfriede in der Fuchssippe entstünde, teilten sie den großen Wald unter sich auf und verpflichteten sich, die Reviere der anderen nicht zu verletzen.

Druck vom Finanzmarkt

So ließen Bär und Fuchs es sich eine ganze Zeit lang gut gehen. Der Bär expandierte, verkaufte Bienenvölker auch an Igel und Rehe, fing an, Heilkräuter zu züchten und hatte sein Auge längst auch auf die dunklen Forste jenseits des großen Waldes geworfen. Um die Ausweitung seines Geschäfts zu finanzieren, hatte er sich viele Goldstücke bei den Elstern und Heuschrecken geliehen. Fortan musste er zusehen, dass ihm seine Kreditgeber gewogen blieben. Und da diese zuallererst an harten Tatsachen interessiert waren, musste der Bär nun jedes Quartal Erfolge vorweisen. So begann er notgedrungen, an der Qualität der Bienen zu sparen. Es gab nun häufiger verrutschte Waben oder solche mit weniger als sechs Ecken, und der Orientierungssinn der Bienen ließ mehr und mehr zu wünschen übrig. Den Fuchs ärgerte das, denn er musste mit seiner Sippe nun immer öfter die Baue der Hasen aufsuchen und deren Probleme beheben.

Der Fuchs beschwerte sich deswegen beim Bären, der ihm eine neue Vereinbarung vorschlug. Danach sollte der Fuchs einen höheren Anteil der monatlichen Korbgebühren erhalten. Als kleine Gegenleistung sollte der Fuchs im Gegenzug monatlich eine gewisse Anzahl von Bienenkörben abnehmen. Der Fuchs, der den höheren Anteil der Korbgebühren dringend brauchte und in seinem Stück des Waldes noch Wachstumspotential sah, willigte ein. Bald musste er aber feststellen, dass alle Hasen ausreichend mit Honig versorgt waren, und in seinem Fuchsbau stapelten sich die Bienenkörbe, die der Bär ihm der Abmachung gemäß monatlich vor die Tür stellte. Wenn seine Welpen nicht Hungers sterben sollten, musste er sich etwas einfallen lassen.

Proprietäre Lösungen

"Mit Bienenvölkern alleine ist kein großes Geld mehr zu machen", dachte sich der Fuchs und begann, sein Angebot um Honigtöpfe zu erweitern. Am Anfang waren die Hasen skeptisch, denn die Töpfe des Fuchses waren sehr teuer. "Tja, wisst ihr", pflegte dann der Fuchs zu sagen, "der Honig aus unseren Bienenkörben passt ausschließlich nur in diese Töpfe. Andere Töpfe werden den Honig verderben, und das wollt ihr doch auf keinen Fall!" Die Hasen nickten und kauften zähneknirschend die teuren Töpfe des Fuchses.

Auch der Bär hatte sich etwas einfallen lassen, um weiter erfolgreich zu sein. Er hatte neue Bienenkörbe entwickelt, die in allen Regenbogenfarben leuchteten und achteckige Waben besaßen. Die Füchse wurden unter Androhung des kompletten Entzuges aller Bienenkorb-Lieferungen dazu verpflichtet, diese technische Neuentwicklung unter das Hasenvolk zu bringen. Dort jedoch trafen sie auf Skepsis: "Ist der Honig aus diesen neuen Körben wirklich besser als der alte?", wollten die Hasen wissen, und: "Verbessern achteckige Waben wirklich die Haltbarkeit des Honigs?" Beide Fragen konnte der Fuchs nicht völlig überzeugend beantworten, und auch sein Argument, dass die neuen Körbe so schön bunt im Dunkeln leuchteten, zog bei der Kundschaft nicht wirklich. Die neuen Körbe begannen sich in seinem Fuchsbau zu stapeln, und wegen ihres dauernden Leuchtens konnte der Fuchs nachts nicht mehr gut schlafen.

Einer muss verlieren

"Du siehst ja gar nicht gut aus", sagte der Bär, als er den Fuchs wieder einmal im Wald traf. "Ich werde dir helfen. Ich gebe dir ein nettes Sümmchen für deinen ganzen Laden, und du kannst den ganzen Ärger hinter dir lassen und in den warmen Süden ziehen." Tatsächlich hatte der Bär ein Auge auf den immer noch recht großen Anteil des Fuchses an den Korbgebühren geworfen. Der Fuchs begriff, dass er sich zwischen einem Felsen und einer sehr harten Wand befand, willigte schließlich ein und zog mit Sack und Pack auf eine Insel im südlichen Meer, wo er eine Bar eröffnete und billigen Fusel an ahnungslose Zugvögel verkaufte.

"Und wie geht das Märchen aus?", wollte mein Gesprächspartner wissen. "Nun, vielleicht erfindet ein kleines cleveres Säugetier eines Tages einen Weg, Honig direkt und hygienisch per Rohrleitung in die Häuser zu liefern", sagte ich. "Aber so was passiert wohl nur im Märchen! Oder vielleicht doch nicht?"



Autor:

Alexander Wilms

betreut seit mehr als 15 Jahren die allgemeinärztliche Praxis seiner Frau in IT-Fragen und war maßgeblich an der Entwicklung von RED Medical, der ersten webbasierten Arztsoftware, beteiligt. Die Server stehen in einem deutschen Hochsicherheits-Rechenzentrum. Die Patientendaten werden ausschließlich verschlüsselt gespeichert. Die Software hat alle maßgeblichen Zertifizierungen der KBV und das Datenschutzgütesiegel des Unabhängigen Landesdatenschutzzentrums (ULD) und des TÜV Saarland.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (12) Seite 70-71